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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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daß man sehr bald von dem Berge hinab kommen
könne, und doch, von den vielen Lichtern, die heute
in dem Thale brannten, kam nicht ein einziges zu
ihnen herauf; sie sahen nichts als den blassen Schnee
und den dunkeln Himmel, alles andere war ihnen in
die unsichtbare Ferne hinab gerükt. In allen Thälern
bekamen die Kinder in dieser Stunde die Geschenke
des heiligen Christ: nur die zwei sassen oben am
Rande des Eises, und die vorzüglichsten Geschenke,
die sie heute hätten bekommen sollen, lagen in versie¬
gelten Päkchen in der Kalbfelltasche im Hintergrunde
der Höhle.

Die Schneewolken waren ringsum hinter die
Berge hinab gesunken, und ein ganz dunkelblaues fast
schwarzes Gewölbe spannte sich um die Kinder voll
von dichten brennenden Sternen, und mitten durch
diese Sterne war ein schimmerndes breites milchiges
Band gewoben, das sie wohl auch unten im Thale
aber nie so deutlich gesehen hatten. Die Nacht rükte
vor. Die Kinder wußten nicht, daß die Sterne gegen
Westen rüken und weiter wandeln, sonst hätten sie an
ihrem Vorschreiten den Stand der Nacht erkennen
können; aber es kamen neue und gingen die alten, sie
aber glaubten, es seien immer dieselben. Es wurde
von dem Scheine der Sterne auch lichter um die Kin¬

daß man ſehr bald von dem Berge hinab kommen
könne, und doch, von den vielen Lichtern, die heute
in dem Thale brannten, kam nicht ein einziges zu
ihnen herauf; ſie ſahen nichts als den blaſſen Schnee
und den dunkeln Himmel, alles andere war ihnen in
die unſichtbare Ferne hinab gerükt. In allen Thälern
bekamen die Kinder in dieſer Stunde die Geſchenke
des heiligen Chriſt: nur die zwei ſaſſen oben am
Rande des Eiſes, und die vorzüglichſten Geſchenke,
die ſie heute hätten bekommen ſollen, lagen in verſie¬
gelten Päkchen in der Kalbfelltaſche im Hintergrunde
der Höhle.

Die Schneewolken waren ringsum hinter die
Berge hinab geſunken, und ein ganz dunkelblaues faſt
ſchwarzes Gewölbe ſpannte ſich um die Kinder voll
von dichten brennenden Sternen, und mitten durch
dieſe Sterne war ein ſchimmerndes breites milchiges
Band gewoben, das ſie wohl auch unten im Thale
aber nie ſo deutlich geſehen hatten. Die Nacht rükte
vor. Die Kinder wußten nicht, daß die Sterne gegen
Weſten rüken und weiter wandeln, ſonst hätten ſie an
ihrem Vorſchreiten den Stand der Nacht erkennen
können; aber es kamen neue und gingen die alten, ſie
aber glaubten, es ſeien immer dieſelben. Es wurde
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[68/0079] daß man ſehr bald von dem Berge hinab kommen könne, und doch, von den vielen Lichtern, die heute in dem Thale brannten, kam nicht ein einziges zu ihnen herauf; ſie ſahen nichts als den blaſſen Schnee und den dunkeln Himmel, alles andere war ihnen in die unſichtbare Ferne hinab gerükt. In allen Thälern bekamen die Kinder in dieſer Stunde die Geſchenke des heiligen Chriſt: nur die zwei ſaſſen oben am Rande des Eiſes, und die vorzüglichſten Geſchenke, die ſie heute hätten bekommen ſollen, lagen in verſie¬ gelten Päkchen in der Kalbfelltaſche im Hintergrunde der Höhle. Die Schneewolken waren ringsum hinter die Berge hinab geſunken, und ein ganz dunkelblaues faſt ſchwarzes Gewölbe ſpannte ſich um die Kinder voll von dichten brennenden Sternen, und mitten durch dieſe Sterne war ein ſchimmerndes breites milchiges Band gewoben, das ſie wohl auch unten im Thale aber nie ſo deutlich geſehen hatten. Die Nacht rükte vor. Die Kinder wußten nicht, daß die Sterne gegen Weſten rüken und weiter wandeln, ſonst hätten ſie an ihrem Vorſchreiten den Stand der Nacht erkennen können; aber es kamen neue und gingen die alten, ſie aber glaubten, es ſeien immer dieſelben. Es wurde von dem Scheine der Sterne auch lichter um die Kin¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/79>, abgerufen am 24.11.2024.