sterlichen, d. h. einem idealen Interesse unterliegt? Ihre Per¬ son kommt ihnen selbst zu klein, zu unbedeutend vor, und ist es in der That auch, um Alles in Anspruch zu nehmen und sich vollständig durchsetzen zu können. Ein sicheres Zeichen dafür liegt darin, daß sie sich selbst in zwei Personen, eine ewige und eine zeitliche, zertheilen, und jedesmal nur entweder für die eine oder für die andere sorgen, am Sonntage für die ewige, am Werkeltage für die zeitliche, im Gebete für jene, in der Arbeit für diese. Sie haben den Pfaffen in sich, darum werden sie ihn nicht los, und hören sich sonntäglich in ihrem Innern abgekanzelt.
Wie haben die Menschen gerungen und gerechnet, um diese dualistischen Wesen zu ermitteln. Idee folgte auf Idee, Princip auf Princip, System auf System, und keines wußte den Widerspruch des "weltlichen" Menschen, des sogenannten "Egoisten" auf die Dauer niederzuhalten. Beweist dieß nicht, daß alle jene Ideen zu ohnmächtig waren, Meinen ganzen Willen in sich aufzunehmen und ihm genugzuthun? Sie waren und blieben Mir feindlich, wenn auch die Feindschaft längere Zeit verhüllt lag. Wird es mit der Eigenheit ebenso sein? Ist auch sie nur ein Vermittlungsversuch? Zu welchem Prin¬ cipe Ich Mich wendete, wie etwa zu dem der Vernunft, Ich mußte mich immer wieder von ihm abwenden. Oder kann Ich immer vernünftig sein, in Allem Mein Leben nach der Vernunft einrichten? Nach der Vernünftigkeit streben kann Ich wohl. Ich kann sie lieben, wie eben Gott und jede andere Idee auch: Ich kann Philosoph sein, ein Liebhaber der Weisheit, wie Ich Gott lieb habe. Aber was Ich liebe, wonach Ich strebe, das ist nur in Meiner Idee, Meiner Vor¬ stellung, Meinen Gedanken: es ist in Meinem Herzen, Meinem
ſterlichen, d. h. einem idealen Intereſſe unterliegt? Ihre Per¬ ſon kommt ihnen ſelbſt zu klein, zu unbedeutend vor, und iſt es in der That auch, um Alles in Anſpruch zu nehmen und ſich vollſtändig durchſetzen zu können. Ein ſicheres Zeichen dafür liegt darin, daß ſie ſich ſelbſt in zwei Perſonen, eine ewige und eine zeitliche, zertheilen, und jedesmal nur entweder für die eine oder für die andere ſorgen, am Sonntage für die ewige, am Werkeltage für die zeitliche, im Gebete für jene, in der Arbeit für dieſe. Sie haben den Pfaffen in ſich, darum werden ſie ihn nicht los, und hören ſich ſonntäglich in ihrem Innern abgekanzelt.
Wie haben die Menſchen gerungen und gerechnet, um dieſe dualiſtiſchen Weſen zu ermitteln. Idee folgte auf Idee, Princip auf Princip, Syſtem auf Syſtem, und keines wußte den Widerſpruch des „weltlichen“ Menſchen, des ſogenannten „Egoiſten“ auf die Dauer niederzuhalten. Beweiſt dieß nicht, daß alle jene Ideen zu ohnmächtig waren, Meinen ganzen Willen in ſich aufzunehmen und ihm genugzuthun? Sie waren und blieben Mir feindlich, wenn auch die Feindſchaft längere Zeit verhüllt lag. Wird es mit der Eigenheit ebenſo ſein? Iſt auch ſie nur ein Vermittlungsverſuch? Zu welchem Prin¬ cipe Ich Mich wendete, wie etwa zu dem der Vernunft, Ich mußte mich immer wieder von ihm abwenden. Oder kann Ich immer vernünftig ſein, in Allem Mein Leben nach der Vernunft einrichten? Nach der Vernünftigkeit ſtreben kann Ich wohl. Ich kann ſie lieben, wie eben Gott und jede andere Idee auch: Ich kann Philoſoph ſein, ein Liebhaber der Weisheit, wie Ich Gott lieb habe. Aber was Ich liebe, wonach Ich ſtrebe, das iſt nur in Meiner Idee, Meiner Vor¬ ſtellung, Meinen Gedanken: es iſt in Meinem Herzen, Meinem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0114"n="106"/>ſterlichen, d. h. einem idealen Intereſſe unterliegt? Ihre Per¬<lb/>ſon kommt ihnen ſelbſt zu klein, zu unbedeutend vor, und iſt<lb/>
es in der That auch, um Alles in Anſpruch zu nehmen und<lb/>ſich vollſtändig durchſetzen zu können. Ein ſicheres Zeichen<lb/>
dafür liegt darin, daß ſie ſich ſelbſt in zwei Perſonen, eine<lb/>
ewige und eine zeitliche, zertheilen, und jedesmal nur entweder<lb/>
für die eine oder für die andere ſorgen, am Sonntage für die<lb/>
ewige, am Werkeltage für die zeitliche, im Gebete für jene, in<lb/>
der Arbeit für dieſe. Sie haben den Pfaffen in ſich, darum<lb/>
werden ſie ihn nicht los, und hören ſich ſonntäglich in ihrem<lb/>
Innern abgekanzelt.</p><lb/><p>Wie haben die Menſchen gerungen und gerechnet, um<lb/>
dieſe dualiſtiſchen Weſen zu <hirendition="#g">ermitteln</hi>. Idee folgte auf Idee,<lb/>
Princip auf Princip, Syſtem auf Syſtem, und keines wußte<lb/>
den Widerſpruch des „weltlichen“ Menſchen, des ſogenannten<lb/>„Egoiſten“ auf die Dauer niederzuhalten. Beweiſt dieß nicht,<lb/>
daß alle jene Ideen zu ohnmächtig waren, Meinen ganzen<lb/>
Willen in ſich aufzunehmen und ihm genugzuthun? Sie waren<lb/>
und blieben Mir feindlich, wenn auch die Feindſchaft längere<lb/>
Zeit verhüllt lag. Wird es mit der <hirendition="#g">Eigenheit</hi> ebenſo ſein?<lb/>
Iſt auch ſie nur ein Vermittlungsverſuch? Zu welchem Prin¬<lb/>
cipe Ich Mich wendete, wie etwa zu dem der <hirendition="#g">Vernunft</hi>,<lb/>
Ich mußte mich immer wieder von ihm abwenden. Oder<lb/>
kann Ich immer vernünftig ſein, in Allem Mein Leben nach<lb/>
der Vernunft einrichten? Nach der Vernünftigkeit <hirendition="#g">ſtreben</hi><lb/>
kann Ich wohl. Ich kann ſie <hirendition="#g">lieben</hi>, wie eben Gott und<lb/>
jede andere Idee auch: Ich kann Philoſoph ſein, ein Liebhaber<lb/>
der Weisheit, wie Ich Gott lieb habe. Aber was Ich liebe,<lb/>
wonach Ich ſtrebe, das iſt nur in Meiner Idee, Meiner Vor¬<lb/>ſtellung, Meinen Gedanken: es iſt in Meinem Herzen, Meinem<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[106/0114]
ſterlichen, d. h. einem idealen Intereſſe unterliegt? Ihre Per¬
ſon kommt ihnen ſelbſt zu klein, zu unbedeutend vor, und iſt
es in der That auch, um Alles in Anſpruch zu nehmen und
ſich vollſtändig durchſetzen zu können. Ein ſicheres Zeichen
dafür liegt darin, daß ſie ſich ſelbſt in zwei Perſonen, eine
ewige und eine zeitliche, zertheilen, und jedesmal nur entweder
für die eine oder für die andere ſorgen, am Sonntage für die
ewige, am Werkeltage für die zeitliche, im Gebete für jene, in
der Arbeit für dieſe. Sie haben den Pfaffen in ſich, darum
werden ſie ihn nicht los, und hören ſich ſonntäglich in ihrem
Innern abgekanzelt.
Wie haben die Menſchen gerungen und gerechnet, um
dieſe dualiſtiſchen Weſen zu ermitteln. Idee folgte auf Idee,
Princip auf Princip, Syſtem auf Syſtem, und keines wußte
den Widerſpruch des „weltlichen“ Menſchen, des ſogenannten
„Egoiſten“ auf die Dauer niederzuhalten. Beweiſt dieß nicht,
daß alle jene Ideen zu ohnmächtig waren, Meinen ganzen
Willen in ſich aufzunehmen und ihm genugzuthun? Sie waren
und blieben Mir feindlich, wenn auch die Feindſchaft längere
Zeit verhüllt lag. Wird es mit der Eigenheit ebenſo ſein?
Iſt auch ſie nur ein Vermittlungsverſuch? Zu welchem Prin¬
cipe Ich Mich wendete, wie etwa zu dem der Vernunft,
Ich mußte mich immer wieder von ihm abwenden. Oder
kann Ich immer vernünftig ſein, in Allem Mein Leben nach
der Vernunft einrichten? Nach der Vernünftigkeit ſtreben
kann Ich wohl. Ich kann ſie lieben, wie eben Gott und
jede andere Idee auch: Ich kann Philoſoph ſein, ein Liebhaber
der Weisheit, wie Ich Gott lieb habe. Aber was Ich liebe,
wonach Ich ſtrebe, das iſt nur in Meiner Idee, Meiner Vor¬
ſtellung, Meinen Gedanken: es iſt in Meinem Herzen, Meinem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/114>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.