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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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Frühlinge, wenn die Schiffbrücken auseinander
genommen werden, wimmelt es auf der Rewa
von kleinern und größern Fahrzeugen. Um
mit einigem Anstande zu fahren, miethet man
eine Schaluppe für sich oder seine Gesellschaft;
wer aber darauf ausgeht, Beobachtungen zu
machen, und hin und wieder Züge aus dem
Karakter der untern Volksklassen zu sammeln,
kann zuweilen in der gemischten und zahlreichen
Gesellschaft einer großen Schaluppe reichhalti-
gen Stoff dazu finden.

Die außerordentliche Weitläuftigkeit der
Stadt macht alle diese Kommunikationen noth-
wendig. Da nicht leicht ein Ort in Europa
mehr große Plätze, breitere Gassen und zahl-
reichere Lücken enthält, so ist es natürlich, daß
man hier zerstreuter wohnt, als anderswo. Es
ist etwas sehr alltägliches, daß man einen Freund
besucht, dessen Wohnung über eine deutsche
Meile entfernt ist; und es trägt sich daher
auch nicht selten zu, daß man diese Reisen auf
eine sehr abwechselnde Art zurücklegt. So
geht man zuweilen eine Strecke zu Fuß, bis
man an den Fluß kömmt; hier kann man sich
den Weg sehr verkürzen, wenn man eine Scha-

Fruͤhlinge, wenn die Schiffbruͤcken auseinander
genommen werden, wimmelt es auf der Rewa
von kleinern und groͤßern Fahrzeugen. Um
mit einigem Anſtande zu fahren, miethet man
eine Schaluppe fuͤr ſich oder ſeine Geſellſchaft;
wer aber darauf ausgeht, Beobachtungen zu
machen, und hin und wieder Zuͤge aus dem
Karakter der untern Volksklaſſen zu ſammeln,
kann zuweilen in der gemiſchten und zahlreichen
Geſellſchaft einer großen Schaluppe reichhalti-
gen Stoff dazu finden.

Die außerordentliche Weitlaͤuftigkeit der
Stadt macht alle dieſe Kommunikationen noth-
wendig. Da nicht leicht ein Ort in Europa
mehr große Plaͤtze, breitere Gaſſen und zahl-
reichere Luͤcken enthaͤlt, ſo iſt es natuͤrlich, daß
man hier zerſtreuter wohnt, als anderswo. Es
iſt etwas ſehr alltaͤgliches, daß man einen Freund
beſucht, deſſen Wohnung uͤber eine deutſche
Meile entfernt iſt; und es traͤgt ſich daher
auch nicht ſelten zu, daß man dieſe Reiſen auf
eine ſehr abwechſelnde Art zuruͤcklegt. So
geht man zuweilen eine Strecke zu Fuß, bis
man an den Fluß koͤmmt; hier kann man ſich
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[223/0257] Fruͤhlinge, wenn die Schiffbruͤcken auseinander genommen werden, wimmelt es auf der Rewa von kleinern und groͤßern Fahrzeugen. Um mit einigem Anſtande zu fahren, miethet man eine Schaluppe fuͤr ſich oder ſeine Geſellſchaft; wer aber darauf ausgeht, Beobachtungen zu machen, und hin und wieder Zuͤge aus dem Karakter der untern Volksklaſſen zu ſammeln, kann zuweilen in der gemiſchten und zahlreichen Geſellſchaft einer großen Schaluppe reichhalti- gen Stoff dazu finden. Die außerordentliche Weitlaͤuftigkeit der Stadt macht alle dieſe Kommunikationen noth- wendig. Da nicht leicht ein Ort in Europa mehr große Plaͤtze, breitere Gaſſen und zahl- reichere Luͤcken enthaͤlt, ſo iſt es natuͤrlich, daß man hier zerſtreuter wohnt, als anderswo. Es iſt etwas ſehr alltaͤgliches, daß man einen Freund beſucht, deſſen Wohnung uͤber eine deutſche Meile entfernt iſt; und es traͤgt ſich daher auch nicht ſelten zu, daß man dieſe Reiſen auf eine ſehr abwechſelnde Art zuruͤcklegt. So geht man zuweilen eine Strecke zu Fuß, bis man an den Fluß koͤmmt; hier kann man ſich den Weg ſehr verkuͤrzen, wenn man eine Scha-

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/257>, abgerufen am 22.11.2024.