Frauenzimmer keine Besuche geben, und die verheyratheten Gesellschaft bey sich erwarten; oft ist die Frau vom Hause die einzige Dame an einem Tische von zehn bis zwanzig Perso- nen. Dieses Uebergewicht welches die Män- ner bey weitem in den mehresten Gesellschaften haben, giebt der Unterhaltung eine ernsthaftere Richtung. Politik und Geschäfte sind der große Gegenstand aller Tischgespräche, und die Damen sehen sich gezwungen, an dieser Kon- versation Theil zu nehmen, oder gänzlich zu schweigen. Die kleinen Aufmerksamkeiten, mit welchen das stärkere Geschlecht in andern Län- dern dem schwächern zu huldigen pflegt, wer- den hier oft gar sehr vernachlässigt, und die natürliche Folge ist, daß die Damen sich über- all wo sie nicht ganz isolirt sind, durch eine nachdrückliche Opposition an der Majorität zu rächen suchen. Bey Tische setzen sie sich neben einander, in den Zirkeln sondern sie sich ab; werden sie in ein Gespräch oder Spiel ver- flochten, so sind sie die Trockenheit selbst, und schrecken durch ihren kalten Ton und ihre weg- werfenden Manieren sogar diejenigen ab, die sie bey einiger Nachgiebigkeit für ihr Interesse
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Frauenzimmer keine Beſuche geben, und die verheyratheten Geſellſchaft bey ſich erwarten; oft iſt die Frau vom Hauſe die einzige Dame an einem Tiſche von zehn bis zwanzig Perſo- nen. Dieſes Uebergewicht welches die Maͤn- ner bey weitem in den mehreſten Geſellſchaften haben, giebt der Unterhaltung eine ernſthaftere Richtung. Politik und Geſchaͤfte ſind der große Gegenſtand aller Tiſchgeſpraͤche, und die Damen ſehen ſich gezwungen, an dieſer Kon- verſation Theil zu nehmen, oder gaͤnzlich zu ſchweigen. Die kleinen Aufmerkſamkeiten, mit welchen das ſtaͤrkere Geſchlecht in andern Laͤn- dern dem ſchwaͤchern zu huldigen pflegt, wer- den hier oft gar ſehr vernachlaͤſſigt, und die natuͤrliche Folge iſt, daß die Damen ſich uͤber- all wo ſie nicht ganz iſolirt ſind, durch eine nachdruͤckliche Oppoſition an der Majoritaͤt zu raͤchen ſuchen. Bey Tiſche ſetzen ſie ſich neben einander, in den Zirkeln ſondern ſie ſich ab; werden ſie in ein Geſpraͤch oder Spiel ver- flochten, ſo ſind ſie die Trockenheit ſelbſt, und ſchrecken durch ihren kalten Ton und ihre weg- werfenden Manieren ſogar diejenigen ab, die ſie bey einiger Nachgiebigkeit fuͤr ihr Intereſſe
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Frauenzimmer keine Beſuche geben, und die
verheyratheten Geſellſchaft bey ſich erwarten;
oft iſt die Frau vom Hauſe die einzige Dame
an einem Tiſche von zehn bis zwanzig Perſo-
nen. Dieſes Uebergewicht welches die Maͤn-
ner bey weitem in den mehreſten Geſellſchaften
haben, giebt der Unterhaltung eine ernſthaftere
Richtung. Politik und Geſchaͤfte ſind der
große Gegenſtand aller Tiſchgeſpraͤche, und die
Damen ſehen ſich gezwungen, an dieſer Kon-
verſation Theil zu nehmen, oder gaͤnzlich zu
ſchweigen. Die kleinen Aufmerkſamkeiten, mit
welchen das ſtaͤrkere Geſchlecht in andern Laͤn-
dern dem ſchwaͤchern zu huldigen pflegt, wer-
den hier oft gar ſehr vernachlaͤſſigt, und die
natuͤrliche Folge iſt, daß die Damen ſich uͤber-
all wo ſie nicht ganz iſolirt ſind, durch eine
nachdruͤckliche Oppoſition an der Majoritaͤt zu
raͤchen ſuchen. Bey Tiſche ſetzen ſie ſich neben
einander, in den Zirkeln ſondern ſie ſich ab;
werden ſie in ein Geſpraͤch oder Spiel ver-
flochten, ſo ſind ſie die Trockenheit ſelbſt, und
ſchrecken durch ihren kalten Ton und ihre weg-
werfenden Manieren ſogar diejenigen ab, die
ſie bey einiger Nachgiebigkeit fuͤr ihr Intereſſe
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/441>, abgerufen am 23.11.2024.
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