hat und wo ihm so glänzende Ziele vorgesteckt sind. Schwerer wird es, die Indifferenz zu rechtfertigen, mit welcher man ziemlich allge- mein auf die Mittel und Wege sieht, die hier bisweilen zu Reichthum und Ansehen führen. Doch, vielleicht läßt sich auch diese Erschei- nung durch die Wirkungen der allgemeinen To- leranz erklären, die man jedem rechtlichen Er- densohne über alle Dinge zugesteht, für die er selbst verantworten kann oder mag.
So wie die Rangsucht mit der Gleichgül- tigkeit gegen den Geburtsadel kontrastirt, so und noch ärger sticht die Liebe und die Ver- achtung des Geldes gegen einander ab. Es ist schon mehr als einmal gesagt: dieses Land ist das Land der Extreme. Eben die Men- schen, die sich die Erlangung eines gewissen Wohlstandes zu dem Ziel ihrer Wünsche ge- macht haben, und dieses Ziel mit der außer- ordentlichsten Anstrengung aller Kräfte, mit der leidenschaftlichsten Thätigkeit, oft sogar mit der Herabwürdigung ihrer Moralität zu errei- chen streben -- eben diese Menschen sieht man nicht selten nach der Erreichung ihres Zwecks in eine wunderbare Gleichgültigkeit gegen das
hat und wo ihm ſo glaͤnzende Ziele vorgeſteckt ſind. Schwerer wird es, die Indifferenz zu rechtfertigen, mit welcher man ziemlich allge- mein auf die Mittel und Wege ſieht, die hier bisweilen zu Reichthum und Anſehen fuͤhren. Doch, vielleicht laͤßt ſich auch dieſe Erſchei- nung durch die Wirkungen der allgemeinen To- leranz erklaͤren, die man jedem rechtlichen Er- denſohne uͤber alle Dinge zugeſteht, fuͤr die er ſelbſt verantworten kann oder mag.
So wie die Rangſucht mit der Gleichguͤl- tigkeit gegen den Geburtsadel kontraſtirt, ſo und noch aͤrger ſticht die Liebe und die Ver- achtung des Geldes gegen einander ab. Es iſt ſchon mehr als einmal geſagt: dieſes Land iſt das Land der Extreme. Eben die Men- ſchen, die ſich die Erlangung eines gewiſſen Wohlſtandes zu dem Ziel ihrer Wuͤnſche ge- macht haben, und dieſes Ziel mit der außer- ordentlichſten Anſtrengung aller Kraͤfte, mit der leidenſchaftlichſten Thaͤtigkeit, oft ſogar mit der Herabwuͤrdigung ihrer Moralitaͤt zu errei- chen ſtreben — eben dieſe Menſchen ſieht man nicht ſelten nach der Erreichung ihres Zwecks in eine wunderbare Gleichguͤltigkeit gegen das
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hat und wo ihm ſo glaͤnzende Ziele vorgeſteckt
ſind. Schwerer wird es, die Indifferenz zu
rechtfertigen, mit welcher man ziemlich allge-
mein auf die Mittel und Wege ſieht, die hier
bisweilen zu Reichthum und Anſehen fuͤhren.
Doch, vielleicht laͤßt ſich auch dieſe Erſchei-
nung durch die Wirkungen der allgemeinen To-
leranz erklaͤren, die man jedem rechtlichen Er-
denſohne uͤber alle Dinge zugeſteht, fuͤr die er
ſelbſt verantworten kann oder mag.
So wie die Rangſucht mit der Gleichguͤl-
tigkeit gegen den Geburtsadel kontraſtirt, ſo
und noch aͤrger ſticht die Liebe und die Ver-
achtung des Geldes gegen einander ab. Es
iſt ſchon mehr als einmal geſagt: dieſes Land
iſt das Land der Extreme. Eben die Men-
ſchen, die ſich die Erlangung eines gewiſſen
Wohlſtandes zu dem Ziel ihrer Wuͤnſche ge-
macht haben, und dieſes Ziel mit der außer-
ordentlichſten Anſtrengung aller Kraͤfte, mit
der leidenſchaftlichſten Thaͤtigkeit, oft ſogar mit
der Herabwuͤrdigung ihrer Moralitaͤt zu errei-
chen ſtreben — eben dieſe Menſchen ſieht man
nicht ſelten nach der Erreichung ihres Zwecks
in eine wunderbare Gleichguͤltigkeit gegen das
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/534>, abgerufen am 27.11.2024.
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