Dieser aber, der schon erfahren hatte, daß seine Waare nicht mehr vorhanden sey, lehnt das Geschenk ab, und fordert eine Bezah- lung von 500 Rubeln, bis man ihn endlich mit Mühe überredete, sich eine kleinere Sum- me gefallen zu lassen.
Diese und einige andere minder beträchtli- che Gewerbe sind es, welche die Russen fast ausschließlich betreiben. In allen übrigen Hand- thierungen sind die Deutschen eben so zahl- reich und oft zahlreicher als die Russen. Dies ist vorzüglich bey allen Handthierungen der Fall, in denen sich die Form nach der Mode ändert, weil hier das Vorurtheil die Auslän- der besonders begünstigt. So sind z. B. weit mehr deutsche Schneider als Schuster, im Verhältniß zu den Russen, vorhanden. Unter den erstern giebt es hier viele wohlhabende und sogar reiche Leute, die ihre eigne Häuser und Landsitze haben, Equipage halten, und deren Frauen Brillianten tragen. Ich kenne mehrere derselben, die wöchentlich Konzerte und Gesell- schaften geben, und denen die Tafel an ihren Familienfesten hundert bis hundert und funfzig Rubel zu stehen kommt. Leute dieser Art er-
Dieſer aber, der ſchon erfahren hatte, daß ſeine Waare nicht mehr vorhanden ſey, lehnt das Geſchenk ab, und fordert eine Bezah- lung von 500 Rubeln, bis man ihn endlich mit Muͤhe uͤberredete, ſich eine kleinere Sum- me gefallen zu laſſen.
Dieſe und einige andere minder betraͤchtli- che Gewerbe ſind es, welche die Ruſſen faſt ausſchließlich betreiben. In allen uͤbrigen Hand- thierungen ſind die Deutſchen eben ſo zahl- reich und oft zahlreicher als die Ruſſen. Dies iſt vorzuͤglich bey allen Handthierungen der Fall, in denen ſich die Form nach der Mode aͤndert, weil hier das Vorurtheil die Auslaͤn- der beſonders beguͤnſtigt. So ſind z. B. weit mehr deutſche Schneider als Schuſter, im Verhaͤltniß zu den Ruſſen, vorhanden. Unter den erſtern giebt es hier viele wohlhabende und ſogar reiche Leute, die ihre eigne Haͤuſer und Landſitze haben, Equipage halten, und deren Frauen Brillianten tragen. Ich kenne mehrere derſelben, die woͤchentlich Konzerte und Geſell- ſchaften geben, und denen die Tafel an ihren Familienfeſten hundert bis hundert und funfzig Rubel zu ſtehen kommt. Leute dieſer Art er-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="52"/>
Dieſer aber, der ſchon erfahren hatte, daß<lb/>ſeine Waare nicht mehr vorhanden ſey, lehnt<lb/>
das <hirendition="#g">Geſchenk</hi> ab, und fordert eine <hirendition="#g">Bezah-<lb/>
lung</hi> von 500 Rubeln, bis man ihn endlich<lb/>
mit Muͤhe uͤberredete, ſich eine kleinere Sum-<lb/>
me gefallen zu laſſen.</p><lb/><p>Dieſe und einige andere minder betraͤchtli-<lb/>
che Gewerbe ſind es, welche die Ruſſen faſt<lb/>
ausſchließlich betreiben. In allen uͤbrigen Hand-<lb/>
thierungen ſind die <hirendition="#g">Deutſchen</hi> eben ſo zahl-<lb/>
reich und oft zahlreicher als die Ruſſen. Dies<lb/>
iſt vorzuͤglich bey allen Handthierungen der<lb/>
Fall, in denen ſich die Form nach der Mode<lb/>
aͤndert, weil hier das Vorurtheil die Auslaͤn-<lb/>
der beſonders beguͤnſtigt. So ſind z. B. weit<lb/>
mehr deutſche <hirendition="#g">Schneider</hi> als Schuſter, im<lb/>
Verhaͤltniß zu den Ruſſen, vorhanden. Unter<lb/>
den erſtern giebt es hier viele wohlhabende und<lb/>ſogar reiche Leute, die ihre eigne Haͤuſer und<lb/>
Landſitze haben, Equipage halten, und deren<lb/>
Frauen Brillianten tragen. Ich kenne mehrere<lb/>
derſelben, die woͤchentlich Konzerte und Geſell-<lb/>ſchaften geben, und denen die Tafel an ihren<lb/>
Familienfeſten hundert bis hundert und funfzig<lb/>
Rubel zu ſtehen kommt. Leute dieſer Art er-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[52/0068]
Dieſer aber, der ſchon erfahren hatte, daß
ſeine Waare nicht mehr vorhanden ſey, lehnt
das Geſchenk ab, und fordert eine Bezah-
lung von 500 Rubeln, bis man ihn endlich
mit Muͤhe uͤberredete, ſich eine kleinere Sum-
me gefallen zu laſſen.
Dieſe und einige andere minder betraͤchtli-
che Gewerbe ſind es, welche die Ruſſen faſt
ausſchließlich betreiben. In allen uͤbrigen Hand-
thierungen ſind die Deutſchen eben ſo zahl-
reich und oft zahlreicher als die Ruſſen. Dies
iſt vorzuͤglich bey allen Handthierungen der
Fall, in denen ſich die Form nach der Mode
aͤndert, weil hier das Vorurtheil die Auslaͤn-
der beſonders beguͤnſtigt. So ſind z. B. weit
mehr deutſche Schneider als Schuſter, im
Verhaͤltniß zu den Ruſſen, vorhanden. Unter
den erſtern giebt es hier viele wohlhabende und
ſogar reiche Leute, die ihre eigne Haͤuſer und
Landſitze haben, Equipage halten, und deren
Frauen Brillianten tragen. Ich kenne mehrere
derſelben, die woͤchentlich Konzerte und Geſell-
ſchaften geben, und denen die Tafel an ihren
Familienfeſten hundert bis hundert und funfzig
Rubel zu ſtehen kommt. Leute dieſer Art er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/68>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.