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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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dürfte es dann?); ferner: es ist die Sache Gottes, ihm
habe ich es also zu überlassen, auch den Joseph zu über-
zeugen (Grundsatz der Trägheit). Dem stimmt auch Ols-
hausen
bei und setzt nur noch seine allgemeine Lieblings-
bemerkung hinzu, dass bei so ausserordentlichen Ereignis-
sen der Massstab der gemeinen Weltverhältnisse nicht an-
wendbar sei 7). Allein wenn Maria diese sogenannten Ge-
setze des Alltagslebens, unter welche Kategorie aber hier
wesentliche Rücksichten der Zartheit und Schicklichkeit
geworfen werden, verachtete: so dachte sie nicht im Geiste
ihres Sohnes, welcher als genomenos upo nomon (Gal. 4, 4.)
solche Rücksichten nie verletzt hat, und ebensowenig ist
es in seinem Geiste, der Maria desswegen Lob zu erthei-
len. -- Mehr vom Standpunkt der natürlichen Erklärung
aus sucht das Evangelium de nativitate Mariae (c. 8--10.),
und nach ihm unter den Neueren z. B. der Verfasser der
natürlichen Geschichte des grossen Propheten von Nazaret
das Stillschweigen der Maria durch die Voraussetzung ei-
ner Entfernung des Joseph von dem Wohnorte seiner Braut
zur Zeit der himmlischen Botschaft zu erklären. Ihnen zu-
folge ist nämlich Maria von Nazaret, Joseph aber von Beth-
lehem, wohin er nach eingegangenem Verlöbniss sich noch
einmal begab, und erst nach drei Monaten zurückkam, wo
er dann die in der Zwischenzeit eingetretene Schwanger-
schaft der Maria entdeckte. Allein die angenommene Ver-
schiedenheit des Wohnorts von Maria und Joseph ist, wie
wir unten sehen werden, ohne allen Grund in den kano-
nischen Evangelien, und damit wird diese ganze Auskunft
zu nichte. -- Ohne eine solche Voraussetzung könnte man
von demselben Standpunkt natürlicher Erklärung aus das
Stillschweigen der Maria gegen Joseph vielleicht dadurch
begreiflich machen wollen, dass man sie durch Verschämt-
heit abgehalten dächte, einen so leicht dem Verdacht aus-

7) Bibl. Comment. 1, S. 149.

Erster Abschnitt.
dürfte es dann?); ferner: es ist die Sache Gottes, ihm
habe ich es also zu überlassen, auch den Joseph zu über-
zeugen (Grundsatz der Trägheit). Dem stimmt auch Ols-
hausen
bei und setzt nur noch seine allgemeine Lieblings-
bemerkung hinzu, daſs bei so ausserordentlichen Ereignis-
sen der Maſsstab der gemeinen Weltverhältnisse nicht an-
wendbar sei 7). Allein wenn Maria diese sogenannten Ge-
setze des Alltagslebens, unter welche Kategorie aber hier
wesentliche Rücksichten der Zartheit und Schicklichkeit
geworfen werden, verachtete: so dachte sie nicht im Geiste
ihres Sohnes, welcher als γενόμενος ὑπὸ νόμον (Gal. 4, 4.)
solche Rücksichten nie verletzt hat, und ebensowenig ist
es in seinem Geiste, der Maria deſswegen Lob zu erthei-
len. — Mehr vom Standpunkt der natürlichen Erklärung
aus sucht das Evangelium de nativitate Mariae (c. 8—10.),
und nach ihm unter den Neueren z. B. der Verfasser der
natürlichen Geschichte des groſsen Propheten von Nazaret
das Stillschweigen der Maria durch die Voraussetzung ei-
ner Entfernung des Joseph von dem Wohnorte seiner Braut
zur Zeit der himmlischen Botschaft zu erklären. Ihnen zu-
folge ist nämlich Maria von Nazaret, Joseph aber von Beth-
lehem, wohin er nach eingegangenem Verlöbniſs sich noch
einmal begab, und erst nach drei Monaten zurückkam, wo
er dann die in der Zwischenzeit eingetretene Schwanger-
schaft der Maria entdeckte. Allein die angenommene Ver-
schiedenheit des Wohnorts von Maria und Joseph ist, wie
wir unten sehen werden, ohne allen Grund in den kano-
nischen Evangelien, und damit wird diese ganze Auskunft
zu nichte. — Ohne eine solche Voraussetzung könnte man
von demselben Standpunkt natürlicher Erklärung aus das
Stillschweigen der Maria gegen Joseph vielleicht dadurch
begreiflich machen wollen, daſs man sie durch Verschämt-
heit abgehalten dächte, einen so leicht dem Verdacht aus-

7) Bibl. Comment. 1, S. 149.
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[138/0162] Erster Abschnitt. dürfte es dann?); ferner: es ist die Sache Gottes, ihm habe ich es also zu überlassen, auch den Joseph zu über- zeugen (Grundsatz der Trägheit). Dem stimmt auch Ols- hausen bei und setzt nur noch seine allgemeine Lieblings- bemerkung hinzu, daſs bei so ausserordentlichen Ereignis- sen der Maſsstab der gemeinen Weltverhältnisse nicht an- wendbar sei 7). Allein wenn Maria diese sogenannten Ge- setze des Alltagslebens, unter welche Kategorie aber hier wesentliche Rücksichten der Zartheit und Schicklichkeit geworfen werden, verachtete: so dachte sie nicht im Geiste ihres Sohnes, welcher als γενόμενος ὑπὸ νόμον (Gal. 4, 4.) solche Rücksichten nie verletzt hat, und ebensowenig ist es in seinem Geiste, der Maria deſswegen Lob zu erthei- len. — Mehr vom Standpunkt der natürlichen Erklärung aus sucht das Evangelium de nativitate Mariae (c. 8—10.), und nach ihm unter den Neueren z. B. der Verfasser der natürlichen Geschichte des groſsen Propheten von Nazaret das Stillschweigen der Maria durch die Voraussetzung ei- ner Entfernung des Joseph von dem Wohnorte seiner Braut zur Zeit der himmlischen Botschaft zu erklären. Ihnen zu- folge ist nämlich Maria von Nazaret, Joseph aber von Beth- lehem, wohin er nach eingegangenem Verlöbniſs sich noch einmal begab, und erst nach drei Monaten zurückkam, wo er dann die in der Zwischenzeit eingetretene Schwanger- schaft der Maria entdeckte. Allein die angenommene Ver- schiedenheit des Wohnorts von Maria und Joseph ist, wie wir unten sehen werden, ohne allen Grund in den kano- nischen Evangelien, und damit wird diese ganze Auskunft zu nichte. — Ohne eine solche Voraussetzung könnte man von demselben Standpunkt natürlicher Erklärung aus das Stillschweigen der Maria gegen Joseph vielleicht dadurch begreiflich machen wollen, daſs man sie durch Verschämt- heit abgehalten dächte, einen so leicht dem Verdacht aus- 7) Bibl. Comment. 1, S. 149.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/162>, abgerufen am 21.11.2024.