Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. zaretaner, sich über die Weisheit ihres Landsmannes ver-wundernd, um seine ihnen wohlbekannte Herkunft zu be- zeichnen, unmittelbar hinter dem tekton als seinem Vater und seiner Mutter Maria seine adelphous, Namens Jako- bus, Joses, Simon und Judas, nebst seinen ungenann- ten Schwestern 22) aufführen; ferner Matth. 12, 46. Luc. 8, 19., wo die Brüder mit der Mutter Jesu ihn besuchen; Joh. 2, 12., wo Jesus mit ihnen und seiner Mutter nach Kapernaum reist; A.G. 1, 14., wo sie gleichfalls mit Ma- ria zusammen genannt werden: so würden wir keinen Au- genblick anstehen, an leibliche Geschwister Jesu wenig- stens von mütterlicher Seite, an Kinder Josephs und der Maria zu denken, nicht nur wegen der nächsten Wortbe- deutung von adelphos, sondern namentlich auch wegen der stehenden Verbindung, in welcher sie mit Joseph und Ma- ria erscheinen. Auch Stellen, wie Joh. 7, 5., wo bemerkt wird, auch seine adelphoi haben nicht an Jesum geglaubt, und Marc. 3, 21. vergl. mit 31., wo der wahrscheinlich- sten Erklärung zufolge die Brüder Jesu mit seiner Mutter ausgehen, um seiner, als eines von Sinnen Gekommenen sich zu bemächtigen, enthalten keinen hinreichenden Grund, die unmittelbarste Wortbedeutung von adelphos zu verlas- sen. Denn dass wirkliche Söhne der Maria auch sogleich an Jesum geglaubt haben müssten, wesswegen manche Theo- logen auch schon mit Rücksicht auf die zulezt angeführten Stellen die adelphous Iesou für seine Stiefbrüder und Söhne des Joseph aus einer früheren Ehe erklärt haben, lässt sich nur aus Vorurtheilen beweisen. Schwieriger scheint sich die Sache zu stellen, wenn man Joh. 19, 26. f. liest, dass Jesus am Kreuze seine Mutter dem Johannes, Soh- nesstelle an ihr zu vertreten, empfohlen habe, was man nicht schicklich finden zu können glaubt, wenn Maria noch 22) Wie sie die Legende verschiedentlich benannt hat, s. bei
Thilo, Codex apocryphus N. Ti 1, S. 363. not. Erster Abschnitt. zaretaner, sich über die Weisheit ihres Landsmannes ver-wundernd, um seine ihnen wohlbekannte Herkunft zu be- zeichnen, unmittelbar hinter dem τέκτων als seinem Vater und seiner Mutter Maria seine ἀδελφοὺς, Namens Jako- bus, Joses, Simon und Judas, nebst seinen ungenann- ten Schwestern 22) aufführen; ferner Matth. 12, 46. Luc. 8, 19., wo die Brüder mit der Mutter Jesu ihn besuchen; Joh. 2, 12., wo Jesus mit ihnen und seiner Mutter nach Kapernaum reist; A.G. 1, 14., wo sie gleichfalls mit Ma- ria zusammen genannt werden: so würden wir keinen Au- genblick anstehen, an leibliche Geschwister Jesu wenig- stens von mütterlicher Seite, an Kinder Josephs und der Maria zu denken, nicht nur wegen der nächsten Wortbe- deutung von ἀδελφὸς, sondern namentlich auch wegen der stehenden Verbindung, in welcher sie mit Joseph und Ma- ria erscheinen. Auch Stellen, wie Joh. 7, 5., wo bemerkt wird, auch seine ἀδελφοὶ haben nicht an Jesum geglaubt, und Marc. 3, 21. vergl. mit 31., wo der wahrscheinlich- sten Erklärung zufolge die Brüder Jesu mit seiner Mutter ausgehen, um seiner, als eines von Sinnen Gekommenen sich zu bemächtigen, enthalten keinen hinreichenden Grund, die unmittelbarste Wortbedeutung von ἀδελφὸς zu verlas- sen. Denn daſs wirkliche Söhne der Maria auch sogleich an Jesum geglaubt haben müſsten, weſswegen manche Theo- logen auch schon mit Rücksicht auf die zulezt angeführten Stellen die ἀδελφοὺς Ιησοῦ für seine Stiefbrüder und Söhne des Joseph aus einer früheren Ehe erklärt haben, läſst sich nur aus Vorurtheilen beweisen. Schwieriger scheint sich die Sache zu stellen, wenn man Joh. 19, 26. f. liest, daſs Jesus am Kreuze seine Mutter dem Johannes, Soh- nesstelle an ihr zu vertreten, empfohlen habe, was man nicht schicklich finden zu können glaubt, wenn Maria noch 22) Wie sie die Legende verschiedentlich benannt hat, s. bei
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Erster Abschnitt.
zaretaner, sich über die Weisheit ihres Landsmannes ver-
wundernd, um seine ihnen wohlbekannte Herkunft zu be-
zeichnen, unmittelbar hinter dem τέκτων als seinem Vater
und seiner Mutter Maria seine ἀδελφοὺς, Namens Jako-
bus, Joses, Simon und Judas, nebst seinen ungenann-
ten Schwestern 22) aufführen; ferner Matth. 12, 46. Luc.
8, 19., wo die Brüder mit der Mutter Jesu ihn besuchen;
Joh. 2, 12., wo Jesus mit ihnen und seiner Mutter nach
Kapernaum reist; A.G. 1, 14., wo sie gleichfalls mit Ma-
ria zusammen genannt werden: so würden wir keinen Au-
genblick anstehen, an leibliche Geschwister Jesu wenig-
stens von mütterlicher Seite, an Kinder Josephs und der
Maria zu denken, nicht nur wegen der nächsten Wortbe-
deutung von ἀδελφὸς, sondern namentlich auch wegen der
stehenden Verbindung, in welcher sie mit Joseph und Ma-
ria erscheinen. Auch Stellen, wie Joh. 7, 5., wo bemerkt
wird, auch seine ἀδελφοὶ haben nicht an Jesum geglaubt,
und Marc. 3, 21. vergl. mit 31., wo der wahrscheinlich-
sten Erklärung zufolge die Brüder Jesu mit seiner Mutter
ausgehen, um seiner, als eines von Sinnen Gekommenen
sich zu bemächtigen, enthalten keinen hinreichenden Grund,
die unmittelbarste Wortbedeutung von ἀδελφὸς zu verlas-
sen. Denn daſs wirkliche Söhne der Maria auch sogleich
an Jesum geglaubt haben müſsten, weſswegen manche Theo-
logen auch schon mit Rücksicht auf die zulezt angeführten
Stellen die ἀδελφοὺς Ιησοῦ für seine Stiefbrüder und Söhne
des Joseph aus einer früheren Ehe erklärt haben, läſst
sich nur aus Vorurtheilen beweisen. Schwieriger scheint
sich die Sache zu stellen, wenn man Joh. 19, 26. f. liest,
daſs Jesus am Kreuze seine Mutter dem Johannes, Soh-
nesstelle an ihr zu vertreten, empfohlen habe, was man
nicht schicklich finden zu können glaubt, wenn Maria noch
22) Wie sie die Legende verschiedentlich benannt hat, s. bei
Thilo, Codex apocryphus N. Ti 1, S. 363. not.
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