mehrere leibliche Kinder hatte, sondern nur wenn die über- lebenden Geschwister ältere, ihm abgeneigte, Stiefbrüder waren. Allein immerhin konnten theils in äusseren, theils in inneren gemüthlichen Verhältnissen Gründe liegen, war- um Jesus seine Mutter lieber dem Johannes übergeben mochte, als den Brüdern, von welchen dadurch, dass sie nach der Himmelfahrt (A.G. 1, 14.) in der Gesellschaft der Apostel erscheinen, noch keineswegs bewiesen ist, dass sie auch bei Jesu Tod schon geglaubt haben müssen.
Das eigentlich Missliche in dieser Sache fängt erst da- mit an, dass ausser dem Jakobus und Joses, welche als Brüder Jesu aufgeführt werden, noch zwei Männer gleiches Namens als Söhne einer andern Maria vorkommen (Marc. 15, 40,47. 16, 1. Matth. 27, 56.), ohne Zweifel derselben, welche Joh. 19, 25. als Schwester der Mutter Jesu und Gattin eines Klopas bezeichnet ist, so dass wir sowohl un- ter den Söhnen der Maria, Mutter Jesu, als auch unter ihrer Schwester Kindern beidemale einen Jakobus und Jo- ses hätten. Diese Gleichnamigkeit in dem nächsten Kreise Jesu vermehrt sich, wenn wir erwägen, dass wir in den Apostelverzeichnissen (Matth. 10, 2 ff. Luc. 6, 14 ff.) noch zwei Jakobus, also mit dem Bruder und Vetter Jesu 4; ferner 2 Judas, also mit dem Bruder Jesu 3; ebenso 2 Simon, also mit Jesu Bruder gleichfalls 3 haben, wobei sich der Gedanke aufdringt, ob nicht mitunter identische Personen hier als verschiedene genommen seien? Dieser Verdacht scheint zunächst bei dem Namen Jakobus entstehen zu müssen. Nämlich, wie der Jakobus Alphäi Sohn im Apo- stelkatalog als der zweite, vielleicht jüngere, nach dem Zebedaiden aufgeführt ist, so heisst auch der Jakobus, Jesu Vetter Marc. 15, 40. o mikros, und wenn dieser Lez- tere bei Vergleichung von Joh. 19, 25. als Sohn eines Klo- pas erscheint, so könnten die Namen Klopas, wie der Mann von Maria's Schwester, und [A]lphaios, wie der Va- ter des Apostels genannt wird, gar leicht nur verschiedene
Drittes Kapitel. §. 26.
mehrere leibliche Kinder hatte, sondern nur wenn die über- lebenden Geschwister ältere, ihm abgeneigte, Stiefbrüder waren. Allein immerhin konnten theils in äusseren, theils in inneren gemüthlichen Verhältnissen Gründe liegen, war- um Jesus seine Mutter lieber dem Johannes übergeben mochte, als den Brüdern, von welchen dadurch, daſs sie nach der Himmelfahrt (A.G. 1, 14.) in der Gesellschaft der Apostel erscheinen, noch keineswegs bewiesen ist, daſs sie auch bei Jesu Tod schon geglaubt haben müssen.
Das eigentlich Miſsliche in dieser Sache fängt erst da- mit an, daſs ausser dem Jakobus und Joses, welche als Brüder Jesu aufgeführt werden, noch zwei Männer gleiches Namens als Söhne einer andern Maria vorkommen (Marc. 15, 40,47. 16, 1. Matth. 27, 56.), ohne Zweifel derselben, welche Joh. 19, 25. als Schwester der Mutter Jesu und Gattin eines Klopas bezeichnet ist, so daſs wir sowohl un- ter den Söhnen der Maria, Mutter Jesu, als auch unter ihrer Schwester Kindern beidemale einen Jakobus und Jo- ses hätten. Diese Gleichnamigkeit in dem nächsten Kreise Jesu vermehrt sich, wenn wir erwägen, daſs wir in den Apostelverzeichnissen (Matth. 10, 2 ff. Luc. 6, 14 ff.) noch zwei Jakobus, also mit dem Bruder und Vetter Jesu 4; ferner 2 Judas, also mit dem Bruder Jesu 3; ebenso 2 Simon, also mit Jesu Bruder gleichfalls 3 haben, wobei sich der Gedanke aufdringt, ob nicht mitunter identische Personen hier als verschiedene genommen seien? Dieser Verdacht scheint zunächst bei dem Namen Jakobus entstehen zu müssen. Nämlich, wie der Jakobus Alphäi Sohn im Apo- stelkatalog als der zweite, vielleicht jüngere, nach dem Zebedaiden aufgeführt ist, so heiſst auch der Jakobus, Jesu Vetter Marc. 15, 40. ὁ μικρὸς, und wenn dieser Lez- tere bei Vergleichung von Joh. 19, 25. als Sohn eines Klo- pas erscheint, so könnten die Namen Κλωπᾶς, wie der Mann von Maria's Schwester, und [Ἀ]λφαῖος, wie der Va- ter des Apostels genannt wird, gar leicht nur verschiedene
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Drittes Kapitel. §. 26.
mehrere leibliche Kinder hatte, sondern nur wenn die über-
lebenden Geschwister ältere, ihm abgeneigte, Stiefbrüder
waren. Allein immerhin konnten theils in äusseren, theils
in inneren gemüthlichen Verhältnissen Gründe liegen, war-
um Jesus seine Mutter lieber dem Johannes übergeben
mochte, als den Brüdern, von welchen dadurch, daſs sie
nach der Himmelfahrt (A.G. 1, 14.) in der Gesellschaft
der Apostel erscheinen, noch keineswegs bewiesen ist, daſs
sie auch bei Jesu Tod schon geglaubt haben müssen.
Das eigentlich Miſsliche in dieser Sache fängt erst da-
mit an, daſs ausser dem Jakobus und Joses, welche als
Brüder Jesu aufgeführt werden, noch zwei Männer gleiches
Namens als Söhne einer andern Maria vorkommen (Marc.
15, 40,47. 16, 1. Matth. 27, 56.), ohne Zweifel derselben,
welche Joh. 19, 25. als Schwester der Mutter Jesu und
Gattin eines Klopas bezeichnet ist, so daſs wir sowohl un-
ter den Söhnen der Maria, Mutter Jesu, als auch unter
ihrer Schwester Kindern beidemale einen Jakobus und Jo-
ses hätten. Diese Gleichnamigkeit in dem nächsten Kreise
Jesu vermehrt sich, wenn wir erwägen, daſs wir in den
Apostelverzeichnissen (Matth. 10, 2 ff. Luc. 6, 14 ff.) noch zwei
Jakobus, also mit dem Bruder und Vetter Jesu 4; ferner
2 Judas, also mit dem Bruder Jesu 3; ebenso 2 Simon,
also mit Jesu Bruder gleichfalls 3 haben, wobei sich der
Gedanke aufdringt, ob nicht mitunter identische Personen
hier als verschiedene genommen seien? Dieser Verdacht
scheint zunächst bei dem Namen Jakobus entstehen zu
müssen. Nämlich, wie der Jakobus Alphäi Sohn im Apo-
stelkatalog als der zweite, vielleicht jüngere, nach dem
Zebedaiden aufgeführt ist, so heiſst auch der Jakobus,
Jesu Vetter Marc. 15, 40. ὁ μικρὸς, und wenn dieser Lez-
tere bei Vergleichung von Joh. 19, 25. als Sohn eines Klo-
pas erscheint, so könnten die Namen Κλωπᾶς, wie der
Mann von Maria's Schwester, und Ἀλφαῖος, wie der Va-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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