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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Viertes Kapitel. §. 33.
Reinigung einer Mutter, d. h. also, nach 3. Mos. 12, 2--4.,
40 Tage nach der Geburt des Kindes, vorgegangen sei (Luc.
2, 22.). Die Zeit der andern Begebenheit ist nicht so be-
stimmt festgesezt: es heisst nur, die Magier seien angekom-
men tou Iesou gennethentos en Bethleem (Matth. 2, 1.), un-
bestimmt wie lange hernach. Da aber durch dieses Par-
ticip der Besuch der Magier unmittelbar, wenigstens wie
wenn nichts Bedeutendes dazwischen vorgefallen wäre, an
die Geburt des Kindes angeknüpft zu werden scheint: so
hat diess einige Ausleger auf die Ansicht geführt, dass je-
ner Besuch vor die Darstellung im Tempel zu setzen sei 1).
Dabei bleibt noch die doppelte Möglichkeit offen, entwe-
der auch noch die Flucht nach Ägypten der Darstellung im
Tempel vorzusetzen, oder den Besuch der Magier zwar
dieser voranzustellen, die F[l]ucht aber erst auf die Darstel-
lung folgen zu lassen. Nimmt man das Leztere an, und
klemmt die Darstellung im Tempel zwischen den Magier-
besuch und die Flucht ein: so verwickelt man sich in einen
schlimmen Zwiespalt sowohl mit den Worten des Matthäus
als mit dem Zusammenhang der Sachen. Da nämlich mit
derselben Participialconstruktion der Evangelist hier an die
Umkehr der Magier die Aufforderung zur Flucht knüpft
(anakhoresanton auton idou aggelos k. t. l. V. 13.), mit
welcher er V. 1. die Ankunft der Morgenländer an die Ge-
burt Jesu angeschlossen hatte: so muss doch gewiss derje-
nige, welchen diese Construktion oben bewogen hatte, die
durch sie verbundenen Begebenheiten ohne Dazwischen-
kunft eines andern bedeutenden Vorfalls aufeinander fol-
gen zu lassen, auch hier sich durch dieselbe abgehalten
finden, zwischen die durch sie verknüpften Ereignisse des
Besuchs und der Flucht ein drittes einzuschieben. Was
aber die Sache betrifft, so wird man doch nicht wahrschein-

1) So z. B. Augustin de consensu evangelistarum 2, 5. Storr,
opusc. acad. 3, S. 96 ff.

Viertes Kapitel. §. 33.
Reinigung einer Mutter, d. h. also, nach 3. Mos. 12, 2—4.,
40 Tage nach der Geburt des Kindes, vorgegangen sei (Luc.
2, 22.). Die Zeit der andern Begebenheit ist nicht so be-
stimmt festgesezt: es heiſst nur, die Magier seien angekom-
men τοῦ Ἰησοῦ γεννηϑέντος ἐν Βηϑλεὲμ (Matth. 2, 1.), un-
bestimmt wie lange hernach. Da aber durch dieses Par-
ticip der Besuch der Magier unmittelbar, wenigstens wie
wenn nichts Bedeutendes dazwischen vorgefallen wäre, an
die Geburt des Kindes angeknüpft zu werden scheint: so
hat dieſs einige Ausleger auf die Ansicht geführt, daſs je-
ner Besuch vor die Darstellung im Tempel zu setzen sei 1).
Dabei bleibt noch die doppelte Möglichkeit offen, entwe-
der auch noch die Flucht nach Ägypten der Darstellung im
Tempel vorzusetzen, oder den Besuch der Magier zwar
dieser voranzustellen, die F[l]ucht aber erst auf die Darstel-
lung folgen zu lassen. Nimmt man das Leztere an, und
klemmt die Darstellung im Tempel zwischen den Magier-
besuch und die Flucht ein: so verwickelt man sich in einen
schlimmen Zwiespalt sowohl mit den Worten des Matthäus
als mit dem Zusammenhang der Sachen. Da nämlich mit
derselben Participialconstruktion der Evangelist hier an die
Umkehr der Magier die Aufforderung zur Flucht knüpft
(ἀναχωρησάντων αὐτῶν ἰδοὺ ἄγγελος κ. τ. λ. V. 13.), mit
welcher er V. 1. die Ankunft der Morgenländer an die Ge-
burt Jesu angeschlossen hatte: so muſs doch gewiſs derje-
nige, welchen diese Construktion oben bewogen hatte, die
durch sie verbundenen Begebenheiten ohne Dazwischen-
kunft eines andern bedeutenden Vorfalls aufeinander fol-
gen zu lassen, auch hier sich durch dieselbe abgehalten
finden, zwischen die durch sie verknüpften Ereignisse des
Besuchs und der Flucht ein drittes einzuschieben. Was
aber die Sache betrifft, so wird man doch nicht wahrschein-

1) So z. B. Augustin de consensu evangelistarum 2, 5. Storr,
opusc. acad. 3, S. 96 ff.
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[255/0279] Viertes Kapitel. §. 33. Reinigung einer Mutter, d. h. also, nach 3. Mos. 12, 2—4., 40 Tage nach der Geburt des Kindes, vorgegangen sei (Luc. 2, 22.). Die Zeit der andern Begebenheit ist nicht so be- stimmt festgesezt: es heiſst nur, die Magier seien angekom- men τοῦ Ἰησοῦ γεννηϑέντος ἐν Βηϑλεὲμ (Matth. 2, 1.), un- bestimmt wie lange hernach. Da aber durch dieses Par- ticip der Besuch der Magier unmittelbar, wenigstens wie wenn nichts Bedeutendes dazwischen vorgefallen wäre, an die Geburt des Kindes angeknüpft zu werden scheint: so hat dieſs einige Ausleger auf die Ansicht geführt, daſs je- ner Besuch vor die Darstellung im Tempel zu setzen sei 1). Dabei bleibt noch die doppelte Möglichkeit offen, entwe- der auch noch die Flucht nach Ägypten der Darstellung im Tempel vorzusetzen, oder den Besuch der Magier zwar dieser voranzustellen, die Flucht aber erst auf die Darstel- lung folgen zu lassen. Nimmt man das Leztere an, und klemmt die Darstellung im Tempel zwischen den Magier- besuch und die Flucht ein: so verwickelt man sich in einen schlimmen Zwiespalt sowohl mit den Worten des Matthäus als mit dem Zusammenhang der Sachen. Da nämlich mit derselben Participialconstruktion der Evangelist hier an die Umkehr der Magier die Aufforderung zur Flucht knüpft (ἀναχωρησάντων αὐτῶν ἰδοὺ ἄγγελος κ. τ. λ. V. 13.), mit welcher er V. 1. die Ankunft der Morgenländer an die Ge- burt Jesu angeschlossen hatte: so muſs doch gewiſs derje- nige, welchen diese Construktion oben bewogen hatte, die durch sie verbundenen Begebenheiten ohne Dazwischen- kunft eines andern bedeutenden Vorfalls aufeinander fol- gen zu lassen, auch hier sich durch dieselbe abgehalten finden, zwischen die durch sie verknüpften Ereignisse des Besuchs und der Flucht ein drittes einzuschieben. Was aber die Sache betrifft, so wird man doch nicht wahrschein- 1) So z. B. Augustin de consensu evangelistarum 2, 5. Storr, opusc. acad. 3, S. 96 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/279>, abgerufen am 21.11.2024.