Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Einleitung. §. 4. biblischen Erzählungen, dass durch dieselben uns nichtalte Mähren berichtet, sondern Anweisung, recht zu leben, ertheilt werden solle 4); stumpfsinnig müsste nach ihm sein, wer nicht von selbst bemerkte, dass Vieles in der Schrift als geschehen dargestellt sich finde, was nicht wirk- lich so sich ereignet habe 5); ja Manches, buchstäblich aufgefasst, könnte ihm zufolge nur zum Ruin der christli- chen Religion dienen 6), wesswegen er den Spruch: der Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig -- auf den Unterschied der buchstäblichen und der allegorischen Schrift- auslegung bezieht 7). Zu solchen, nur allegorisch zu ver- stehenden Erzählungen rechnete Origenes ausser denjeni- gen, welche Gott zu sehr zu vermenschlichen schienen 8), namentlich auch solche, in welchen von Personen, die sonst in ein genaues Verhältniss zu Gott gesezt waren, anstössi- ge Handlungen berichtet wurden 9). Doch nicht allein vom A. T. wich die christliche Bil- genomenon, pe men me dunaton genesthai, pe de dunaton men genesthai, ou men gegenemenon. 4) Homil. in Exod. 2, 3: Nolite putare, ut saepe jam diximus, veterum vobis fabulas recitari, sed doceri vos per haec, ut agnoscatis ordinem vitae. 5) De principp. 4, 16: kai ti dei pleio legein; ton me panu ambleon muria osa toiauta dunamenon sunagagein, ge- grammena men os gegonota, ou gegenemena de kata ten lexin. 6) Homil. 5. in Levit. §. 1: Haec omnia, nisi alio sensu acci- piamus quam literae textus ostendit, obstaculum magis et subversionem christianae religioni, quam hortationem aedi- sicationemque praestabunt. 7) contra Cels. 6, 70. 8) De principp. 4, 16. 9) Homil. in Genes. 6, 3: Haec (dass Abraham gelogen; sein
Weib preisgegeben) Judaei putent, et si qui cum eis sunt literae amici non spiritus. Einleitung. §. 4. biblischen Erzählungen, daſs durch dieselben uns nichtalte Mähren berichtet, sondern Anweisung, recht zu leben, ertheilt werden solle 4); stumpfsinnig müſste nach ihm sein, wer nicht von selbst bemerkte, daſs Vieles in der Schrift als geschehen dargestellt sich finde, was nicht wirk- lich so sich ereignet habe 5); ja Manches, buchstäblich aufgefaſst, könnte ihm zufolge nur zum Ruin der christli- chen Religion dienen 6), weſswegen er den Spruch: der Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig — auf den Unterschied der buchstäblichen und der allegorischen Schrift- auslegung bezieht 7). Zu solchen, nur allegorisch zu ver- stehenden Erzählungen rechnete Origenes ausser denjeni- gen, welche Gott zu sehr zu vermenschlichen schienen 8), namentlich auch solche, in welchen von Personen, die sonst in ein genaues Verhältniſs zu Gott gesezt waren, anstössi- ge Handlungen berichtet wurden 9). Doch nicht allein vom A. T. wich die christliche Bil- γενόμενον, πῇ μὲν μὴ δυνατὸν γενέσϑαι, πῇ δὲ δυνατὸν μὲν γενέσϑαι, οὐ μὴν γεγενημένον. 4) Homil. in Exod. 2, 3: Nolite putare, ut saepe jam diximus, veterum vobis fabulas recitari, sed doceri vos per haec, ut agnoscatis ordinem vitae. 5) De principp. 4, 16: καὶ τί δεῖ πλείω λέγειν; τῶν μὴ πάνυ άμβλέων μυρία ὅσα τοιαῦτα δυναμἐνων συναγαγεῖν, γε- γραμμένα μὲν ὡς γεγονότα, οὐ γεγενημένα δὲ κατὰ τὴν λέξιν. 6) Homil. 5. in Levit. §. 1: Haec omnia, nisi alio sensu acci- piamus quam literae textus ostendit, obstaculum magis et subversionem christianae religioni, quam hortationem aedi- sicationemque praestabunt. 7) contra Cels. 6, 70. 8) De principp. 4, 16. 9) Homil. in Genes. 6, 3: Haec (dass Abraham gelogen; sein
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Einleitung. §. 4.
biblischen Erzählungen, daſs durch dieselben uns nicht
alte Mähren berichtet, sondern Anweisung, recht zu leben,
ertheilt werden solle 4); stumpfsinnig müſste nach ihm
sein, wer nicht von selbst bemerkte, daſs Vieles in der
Schrift als geschehen dargestellt sich finde, was nicht wirk-
lich so sich ereignet habe 5); ja Manches, buchstäblich
aufgefaſst, könnte ihm zufolge nur zum Ruin der christli-
chen Religion dienen 6), weſswegen er den Spruch: der
Buchstabe tödtet, aber der Geist macht lebendig — auf den
Unterschied der buchstäblichen und der allegorischen Schrift-
auslegung bezieht 7). Zu solchen, nur allegorisch zu ver-
stehenden Erzählungen rechnete Origenes ausser denjeni-
gen, welche Gott zu sehr zu vermenschlichen schienen 8),
namentlich auch solche, in welchen von Personen, die sonst
in ein genaues Verhältniſs zu Gott gesezt waren, anstössi-
ge Handlungen berichtet wurden 9).
Doch nicht allein vom A. T. wich die christliche Bil-
dung des Origenes so weit ab, daſs er, um die Achtung
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4) Homil. in Exod. 2, 3: Nolite putare, ut saepe jam diximus,
veterum vobis fabulas recitari, sed doceri vos per haec, ut
agnoscatis ordinem vitae.
5) De principp. 4, 16: καὶ τί δεῖ πλείω λέγειν; τῶν μὴ πάνυ
άμβλέων μυρία ὅσα τοιαῦτα δυναμἐνων συναγαγεῖν, γε-
γραμμένα μὲν ὡς γεγονότα, οὐ γεγενημένα δὲ κατὰ τὴν
λέξιν.
6) Homil. 5. in Levit. §. 1: Haec omnia, nisi alio sensu acci-
piamus quam literae textus ostendit, obstaculum magis et
subversionem christianae religioni, quam hortationem aedi-
sicationemque praestabunt.
7) contra Cels. 6, 70.
8) De principp. 4, 16.
9) Homil. in Genes. 6, 3: Haec (dass Abraham gelogen; sein
Weib preisgegeben) Judaei putent, et si qui cum eis sunt
literae amici non spiritus.
3) γενόμενον, πῇ μὲν μὴ δυνατὸν γενέσϑαι, πῇ δὲ δυνατὸν
μὲν γενέσϑαι, οὐ μὴν γεγενημένον.
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