Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. Da nun aber zwischen dem bis V. 28. Erzählten und demvon V. 29. an Folgenden nur die Zwischenzeit eines epaurion gesetzt ist, die Versuchung aber einen Zeitraum von 40 Ta- gen erfordert: so glaubten die Ausleger dem epaurion den weiteren Sinn von useron geben zu müssen, was jedoch schon desswegen unzulässig ist, weil im Zusammenhang mit jenem Worte hier te emera te trite vorkommt, im Un- terschied von welchem epaurion nur den zweiten, unmittel- bar folgenden Tag bedeuten kann 2). Daher könnte man mit Kuinöl 3) sich versucht finden, Taufe und Versuchung zu trennen, und jene zwar nach V. 28. zu setzen, das Tags darauf erfolgte Zusammentreffen Jesu mit Johannes aber (V. 29.) als einen dem Letzteren vom Ersteren gemach- ten Abschiedsbesuch anzusehen, und nach diesem erst den Gang in die Wüste und die Versuchung einzufügen. Allein, auch abgesehen davon, dass die drei ersten Evangelisten zwischen der Taufe Jesu und seinem Abgang in die Wü- ste auch eine solche Zwischenzeit von nur Einem Tage nicht zuzulassen scheinen, so weiss man auch später ebensowe- nig, wo man jene 40 Tage unterbringen soll. Denn zwi- schen diesen seinsollenden Abschiedsbesuch und die Hin- weisung zweier Jünger zu Jesus, d. h. zwischen V. 34 und 35., wie Kuinöl will, kann jener Aufenthalt ebensowenig gesetzt werden, wie zwischen V. 28 und 29, da jene Verse so gut wie diese durch te epaurion verbunden sind. Man müsste daher noch weiter herabsteigen und es zwischen V. 43 und 44. versuchen; aber auch hier ist nur die Zwi- schenzeit eines epaurion, und selbst 2, 1. nur eine emera trite: so dass man, auf diesem Wege fortgehend, die Ver- suchung am Ende in den galiläischen Aufenthalt Jesu hin- einbrächte, ganz gegen die Darstellung der Synoptiker, ne- ben dem, dass man sie, in einem weiteren Widerspruch 2) s. Lücke, a. a. O. S. 343. 3) Comm. in Joh. z. d. St.
Zweiter Abschnitt. Da nun aber zwischen dem bis V. 28. Erzählten und demvon V. 29. an Folgenden nur die Zwischenzeit eines ἐπαύριον gesetzt ist, die Versuchung aber einen Zeitraum von 40 Ta- gen erfordert: so glaubten die Ausleger dem ἐπαύριον den weiteren Sinn von ὕςερον geben zu müssen, was jedoch schon deſswegen unzulässig ist, weil im Zusammenhang mit jenem Worte hier τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ vorkommt, im Un- terschied von welchem ἐπαύριον nur den zweiten, unmittel- bar folgenden Tag bedeuten kann 2). Daher könnte man mit Kuinöl 3) sich versucht finden, Taufe und Versuchung zu trennen, und jene zwar nach V. 28. zu setzen, das Tags darauf erfolgte Zusammentreffen Jesu mit Johannes aber (V. 29.) als einen dem Letzteren vom Ersteren gemach- ten Abschiedsbesuch anzusehen, und nach diesem erst den Gang in die Wüste und die Versuchung einzufügen. Allein, auch abgesehen davon, daſs die drei ersten Evangelisten zwischen der Taufe Jesu und seinem Abgang in die Wü- ste auch eine solche Zwischenzeit von nur Einem Tage nicht zuzulassen scheinen, so weiſs man auch später ebensowe- nig, wo man jene 40 Tage unterbringen soll. Denn zwi- schen diesen seinsollenden Abschiedsbesuch und die Hin- weisung zweier Jünger zu Jesus, d. h. zwischen V. 34 und 35., wie Kuinöl will, kann jener Aufenthalt ebensowenig gesetzt werden, wie zwischen V. 28 und 29, da jene Verse so gut wie diese durch τῇ ἐπαύριον verbunden sind. Man müſste daher noch weiter herabsteigen und es zwischen V. 43 und 44. versuchen; aber auch hier ist nur die Zwi- schenzeit eines ἐπαύριον, und selbst 2, 1. nur eine ἡμέρα τρίτη: so daſs man, auf diesem Wege fortgehend, die Ver- suchung am Ende in den galiläischen Aufenthalt Jesu hin- einbrächte, ganz gegen die Darstellung der Synoptiker, ne- ben dem, daſs man sie, in einem weiteren Widerspruch 2) s. Lücke, a. a. O. S. 343. 3) Comm. in Joh. z. d. St.
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Zweiter Abschnitt.
Da nun aber zwischen dem bis V. 28. Erzählten und dem
von V. 29. an Folgenden nur die Zwischenzeit eines ἐπαύριον
gesetzt ist, die Versuchung aber einen Zeitraum von 40 Ta-
gen erfordert: so glaubten die Ausleger dem ἐπαύριον den
weiteren Sinn von ὕςερον geben zu müssen, was jedoch
schon deſswegen unzulässig ist, weil im Zusammenhang
mit jenem Worte hier τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ vorkommt, im Un-
terschied von welchem ἐπαύριον nur den zweiten, unmittel-
bar folgenden Tag bedeuten kann 2). Daher könnte man
mit Kuinöl 3) sich versucht finden, Taufe und Versuchung
zu trennen, und jene zwar nach V. 28. zu setzen, das
Tags darauf erfolgte Zusammentreffen Jesu mit Johannes
aber (V. 29.) als einen dem Letzteren vom Ersteren gemach-
ten Abschiedsbesuch anzusehen, und nach diesem erst den
Gang in die Wüste und die Versuchung einzufügen. Allein,
auch abgesehen davon, daſs die drei ersten Evangelisten
zwischen der Taufe Jesu und seinem Abgang in die Wü-
ste auch eine solche Zwischenzeit von nur Einem Tage nicht
zuzulassen scheinen, so weiſs man auch später ebensowe-
nig, wo man jene 40 Tage unterbringen soll. Denn zwi-
schen diesen seinsollenden Abschiedsbesuch und die Hin-
weisung zweier Jünger zu Jesus, d. h. zwischen V. 34 und
35., wie Kuinöl will, kann jener Aufenthalt ebensowenig
gesetzt werden, wie zwischen V. 28 und 29, da jene Verse
so gut wie diese durch τῇ ἐπαύριον verbunden sind. Man
müſste daher noch weiter herabsteigen und es zwischen
V. 43 und 44. versuchen; aber auch hier ist nur die Zwi-
schenzeit eines ἐπαύριον, und selbst 2, 1. nur eine ἡμέρα
τρίτη: so daſs man, auf diesem Wege fortgehend, die Ver-
suchung am Ende in den galiläischen Aufenthalt Jesu hin-
einbrächte, ganz gegen die Darstellung der Synoptiker, ne-
ben dem, daſs man sie, in einem weiteren Widerspruch
2) s. Lücke, a. a. O. S. 343.
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