gegen dieselben, immer mehr von der Taufe entfernen wür- de. Wenn also auf diese Weise weder bei noch unterhalb des V. 29. sich die Spalte findet, in welche sich der vier- zigtägige Aufenthalt Jesu in der Wüste mit der Versuchung einschieben liesse: so muss man es mit Lücke4) u. A. ober- halb jener Stelle versuchen, und diess wäre nur vor V. 19. möglich, wo sich insofern einschieben lässt, so viel man will, als hier erst das vierte Evangelium seine Geschichts- erzählung anfängt. Zwar ist nun auch das von da an bis V. 28. Folgende nicht von der Art, dass es die Taufe und Versuchung Jesu als schon früher geschehen, geradezu aus- schlösse: doch bleibt immer unwahrscheinlich, dass der vierte Evangelist die den übrigen so wichtige Versuchungs- geschichte blos zufällig übergangen haben sollte. Sondern entweder war sie ihm dogmatisch anstössig, so dass er sie absichtlich weggelassen hat; oder sie war in dem Überlie- ferungskreise, aus welchem er schöpfte, gar nicht vor- handen.
Stehend ist bei allen drei Synoptikern die Zeitbestim- mung von 40 Tagen für Jesu Aufenthalt in der Wüste: aber hieran knüpft sich sogleich die nicht unerhebliche Ab- weichung, dass dem Matthäus zufolge die Versuchung des Teufels erst nach Ablauf der 40 Tage eingetreten, den übri- gen zufolge auch schon während dieses Zeitraums vor sich gegangen zu sein scheint; denn des Markus en-en te eremo emeras tessarakonta peirazomenos upo tou satana (1, 13.) und die ähnliche Wendung bei Lukas (4, 1. 2.) kann nichts anders als diess aussagen. Wozu noch zwischen den beiden zulezt ge- nannten Evangelisten die Differenz kommt, dass bei Markus das Versuchtwerden rein nur in die Dauer der 40 Tage verlegt ist, ohne dass die einzelnen Versuchungsakte, wel- che dem Matthäus zufolge nach jenen 40 Tagen fielen, namhaft gemacht wären; bei Lukas dagegen Beides, so-
4) S. 344.
Zweites Kapitel. §. 49.
gegen dieselben, immer mehr von der Taufe entfernen wür- de. Wenn also auf diese Weise weder bei noch unterhalb des V. 29. sich die Spalte findet, in welche sich der vier- zigtägige Aufenthalt Jesu in der Wüste mit der Versuchung einschieben lieſse: so muſs man es mit Lücke4) u. A. ober- halb jener Stelle versuchen, und dieſs wäre nur vor V. 19. möglich, wo sich insofern einschieben läſst, so viel man will, als hier erst das vierte Evangelium seine Geschichts- erzählung anfängt. Zwar ist nun auch das von da an bis V. 28. Folgende nicht von der Art, daſs es die Taufe und Versuchung Jesu als schon früher geschehen, geradezu aus- schlösse: doch bleibt immer unwahrscheinlich, daſs der vierte Evangelist die den übrigen so wichtige Versuchungs- geschichte blos zufällig übergangen haben sollte. Sondern entweder war sie ihm dogmatisch anstössig, so daſs er sie absichtlich weggelassen hat; oder sie war in dem Überlie- ferungskreise, aus welchem er schöpfte, gar nicht vor- handen.
Stehend ist bei allen drei Synoptikern die Zeitbestim- mung von 40 Tagen für Jesu Aufenthalt in der Wüste: aber hieran knüpft sich sogleich die nicht unerhebliche Ab- weichung, daſs dem Matthäus zufolge die Versuchung des Teufels erst nach Ablauf der 40 Tage eingetreten, den übri- gen zufolge auch schon während dieses Zeitraums vor sich gegangen zu sein scheint; denn des Markus ἦν-ἐν τῇ ἐρήμῳ ἡμέρας τεσσαράκοντα πειραζόμενος ὑπὸ τοῦ σατανᾶ (1, 13.) und die ähnliche Wendung bei Lukas (4, 1. 2.) kann nichts anders als dieſs aussagen. Wozu noch zwischen den beiden zulezt ge- nannten Evangelisten die Differenz kommt, daſs bei Markus das Versuchtwerden rein nur in die Dauer der 40 Tage verlegt ist, ohne daſs die einzelnen Versuchungsakte, wel- che dem Matthäus zufolge nach jenen 40 Tagen fielen, namhaft gemacht wären; bei Lukas dagegen Beides, so-
4) S. 344.
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Zweites Kapitel. §. 49.
gegen dieselben, immer mehr von der Taufe entfernen wür-
de. Wenn also auf diese Weise weder bei noch unterhalb
des V. 29. sich die Spalte findet, in welche sich der vier-
zigtägige Aufenthalt Jesu in der Wüste mit der Versuchung
einschieben lieſse: so muſs man es mit Lücke 4) u. A. ober-
halb jener Stelle versuchen, und dieſs wäre nur vor V. 19.
möglich, wo sich insofern einschieben läſst, so viel man
will, als hier erst das vierte Evangelium seine Geschichts-
erzählung anfängt. Zwar ist nun auch das von da an bis
V. 28. Folgende nicht von der Art, daſs es die Taufe und
Versuchung Jesu als schon früher geschehen, geradezu aus-
schlösse: doch bleibt immer unwahrscheinlich, daſs der
vierte Evangelist die den übrigen so wichtige Versuchungs-
geschichte blos zufällig übergangen haben sollte. Sondern
entweder war sie ihm dogmatisch anstössig, so daſs er sie
absichtlich weggelassen hat; oder sie war in dem Überlie-
ferungskreise, aus welchem er schöpfte, gar nicht vor-
handen.
Stehend ist bei allen drei Synoptikern die Zeitbestim-
mung von 40 Tagen für Jesu Aufenthalt in der Wüste:
aber hieran knüpft sich sogleich die nicht unerhebliche Ab-
weichung, daſs dem Matthäus zufolge die Versuchung des
Teufels erst nach Ablauf der 40 Tage eingetreten, den übri-
gen zufolge auch schon während dieses Zeitraums vor sich
gegangen zu sein scheint; denn des Markus ἦν-ἐν τῇ ἐρήμῳ
ἡμέρας τεσσαράκοντα πειραζόμενος ὑπὸ τοῦ σατανᾶ (1, 13.) und
die ähnliche Wendung bei Lukas (4, 1. 2.) kann nichts anders
als dieſs aussagen. Wozu noch zwischen den beiden zulezt ge-
nannten Evangelisten die Differenz kommt, daſs bei Markus
das Versuchtwerden rein nur in die Dauer der 40 Tage
verlegt ist, ohne daſs die einzelnen Versuchungsakte, wel-
che dem Matthäus zufolge nach jenen 40 Tagen fielen,
namhaft gemacht wären; bei Lukas dagegen Beides, so-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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