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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Sechstes Kapitel. §. 72.
zu stellenden Lichte angehängt ist. Da aber der lukhnos
auf dem Leuchter etwas ganz Anderes bezeichnet, als die
Vergleichung des Augs mit einem lukhnos besagen will: so
bleibt für die Verbindung der Sätze bei Lukas nur das lee-
re Wort lukhnos übrig, ein lexikalischer Zusammenhang,
welcher schlimmer als gar keiner ist. Folgt sodann (V. 24.)
wieder ohne nachweisbaren Zusammenhang die Gnome von
den zwei Herren, bei Lukas 16, 13. in der schon erwähn-
ten Fuge zwischen den Parabeln vom Haushalter und vom
reichen Mann, an das Vorhergehende wahrscheinlich blos
ad vocem mamonas angeschlossen. Nun kommt bei Mat-
thäus V. 25--34. eine Abmahnung von irdischen Sorgen
durch Hinweisung auf das harmlose Gedeihen von Natur-
gegenständen, von Lukas 12, 22 ff. passend an eine ihm
eigenthümliche Parabel von dem Manne angehängt, welchen
mitten unter dem Anhäufen irdischer Schätze der Tod ab-
fordert. Das folgende Verbot des Richtens (7, 1--5.) hat
auch Lukas wieder in seiner Bergrede (V. 37 f. 41 f.), und
es schliesst sich hier zwar zufällig besser an die vorange-
gangene Ermahnung zur Barmherzigkeit an, ist aber V. 39.
40. und zum Theil auch 38. durch fremdartige Dinge auf
das Gewaltsamste unterbrochen. Ganz unpassend hat die
darin vorkommende Phrasis vom Messen Markus 4, 24. ein-
gefügt, in einer Stelle, welche ganz den mehrbesproche-
nen Fugen bei Lukas gleicht. Ist sofort V. 6. bei Matthäus
gleichsehr ohne Zusammenhang wie ohne Parallele, so fin-
det sich die folgende Ausführung über den Nutzen des
Gebets (V. 7--11.) bei Lukas 11, 9. sehr passend an eine
ihm gleichfalls eigenthümliche Gleichnissrede von dem aus
dem Schlaf gepochten Freunde angeschlossen; wogegen das
bei Matthäus zusammenhanglose: was ihr wollt, dass euch
die Leute thun sollen u. s. f. in der Bergrede des Lukas
6, 31. auch nur einen ungefähren Zusammenhang hat. Was
sofort (V. 13 f.) von der sene pule u. s. w. gesagt wird,
leitet Lukas (13, 23.) durch die an Jesum gestellte Frage:

Sechstes Kapitel. §. 72.
zu stellenden Lichte angehängt ist. Da aber der λύχνος
auf dem Leuchter etwas ganz Anderes bezeichnet, als die
Vergleichung des Augs mit einem λύχνος besagen will: so
bleibt für die Verbindung der Sätze bei Lukas nur das lee-
re Wort λύχνος übrig, ein lexikalischer Zusammenhang,
welcher schlimmer als gar keiner ist. Folgt sodann (V. 24.)
wieder ohne nachweisbaren Zusammenhang die Gnome von
den zwei Herren, bei Lukas 16, 13. in der schon erwähn-
ten Fuge zwischen den Parabeln vom Haushalter und vom
reichen Mann, an das Vorhergehende wahrscheinlich blos
ad vocem μαμωνᾶς angeschlossen. Nun kommt bei Mat-
thäus V. 25—34. eine Abmahnung von irdischen Sorgen
durch Hinweisung auf das harmlose Gedeihen von Natur-
gegenständen, von Lukas 12, 22 ff. passend an eine ihm
eigenthümliche Parabel von dem Manne angehängt, welchen
mitten unter dem Anhäufen irdischer Schätze der Tod ab-
fordert. Das folgende Verbot des Richtens (7, 1—5.) hat
auch Lukas wieder in seiner Bergrede (V. 37 f. 41 f.), und
es schlieſst sich hier zwar zufällig besser an die vorange-
gangene Ermahnung zur Barmherzigkeit an, ist aber V. 39.
40. und zum Theil auch 38. durch fremdartige Dinge auf
das Gewaltsamste unterbrochen. Ganz unpassend hat die
darin vorkommende Phrasis vom Messen Markus 4, 24. ein-
gefügt, in einer Stelle, welche ganz den mehrbesproche-
nen Fugen bei Lukas gleicht. Ist sofort V. 6. bei Matthäus
gleichsehr ohne Zusammenhang wie ohne Parallele, so fin-
det sich die folgende Ausführung über den Nutzen des
Gebets (V. 7—11.) bei Lukas 11, 9. sehr passend an eine
ihm gleichfalls eigenthümliche Gleichniſsrede von dem aus
dem Schlaf gepochten Freunde angeschlossen; wogegen das
bei Matthäus zusammenhanglose: was ihr wollt, daſs euch
die Leute thun sollen u. s. f. in der Bergrede des Lukas
6, 31. auch nur einen ungefähren Zusammenhang hat. Was
sofort (V. 13 f.) von der ςενὴ πύλη u. s. w. gesagt wird,
leitet Lukas (13, 23.) durch die an Jesum gestellte Frage:

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[585/0609] Sechstes Kapitel. §. 72. zu stellenden Lichte angehängt ist. Da aber der λύχνος auf dem Leuchter etwas ganz Anderes bezeichnet, als die Vergleichung des Augs mit einem λύχνος besagen will: so bleibt für die Verbindung der Sätze bei Lukas nur das lee- re Wort λύχνος übrig, ein lexikalischer Zusammenhang, welcher schlimmer als gar keiner ist. Folgt sodann (V. 24.) wieder ohne nachweisbaren Zusammenhang die Gnome von den zwei Herren, bei Lukas 16, 13. in der schon erwähn- ten Fuge zwischen den Parabeln vom Haushalter und vom reichen Mann, an das Vorhergehende wahrscheinlich blos ad vocem μαμωνᾶς angeschlossen. Nun kommt bei Mat- thäus V. 25—34. eine Abmahnung von irdischen Sorgen durch Hinweisung auf das harmlose Gedeihen von Natur- gegenständen, von Lukas 12, 22 ff. passend an eine ihm eigenthümliche Parabel von dem Manne angehängt, welchen mitten unter dem Anhäufen irdischer Schätze der Tod ab- fordert. Das folgende Verbot des Richtens (7, 1—5.) hat auch Lukas wieder in seiner Bergrede (V. 37 f. 41 f.), und es schlieſst sich hier zwar zufällig besser an die vorange- gangene Ermahnung zur Barmherzigkeit an, ist aber V. 39. 40. und zum Theil auch 38. durch fremdartige Dinge auf das Gewaltsamste unterbrochen. Ganz unpassend hat die darin vorkommende Phrasis vom Messen Markus 4, 24. ein- gefügt, in einer Stelle, welche ganz den mehrbesproche- nen Fugen bei Lukas gleicht. Ist sofort V. 6. bei Matthäus gleichsehr ohne Zusammenhang wie ohne Parallele, so fin- det sich die folgende Ausführung über den Nutzen des Gebets (V. 7—11.) bei Lukas 11, 9. sehr passend an eine ihm gleichfalls eigenthümliche Gleichniſsrede von dem aus dem Schlaf gepochten Freunde angeschlossen; wogegen das bei Matthäus zusammenhanglose: was ihr wollt, daſs euch die Leute thun sollen u. s. f. in der Bergrede des Lukas 6, 31. auch nur einen ungefähren Zusammenhang hat. Was sofort (V. 13 f.) von der ςενὴ πύλη u. s. w. gesagt wird, leitet Lukas (13, 23.) durch die an Jesum gestellte Frage:

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/609>, abgerufen am 24.11.2024.