Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Einleitung. §. 12. legt 23): so trifft die erstere Angabe, dass Markus nach denVorträgen des Petrus, also nach einer eigenthümlichen Quelle gearbeitet habe, bei unsrem jetzigen zweiten Evangelium durchaus nicht zu, welches augenscheinlich aus Matthäus und Lukas zusammengeschrieben ist 24); abgesehen davon, dass das ou taxei, welches Papias von der Schrift des Markus prädicirt, auf die uns vorliegende in keiner Hinsicht An- wendung finden kann, so dass auch hier der anfängliche Schein verschwindet, als rede Papias von unsrem jetzigen Markus-Evangelium 25). -- Das Lukas-Evangelium hat ein starkes Zeugniss seiner Abkunft von einem Apostel- schüler in der Apostelgeschichte desselben Verfassers, in welcher er einigemale als Begleiter des Paulus nament- lich auch auf seiner Reise nach Rom, erscheint. Und zwar hat man aus dem abgebrochenen Schluss der Apostel- geschichte, welcher nur noch eines zweijährigen Aufent- halts Pauli zu Rom, aber keines Ausgangs seiner Sache Meldung thut, folgern zu dürfen geglaubt, dass Lukas die Apostelgeschichte eben während seines Zusammenseins mit Paulus in Rom, in den Jahren 63--65 geschrieben, folg- lich sein Evangelium, welches er im Eingang der Apostel- geschichte als den proton logon bezeichnet, etwas früher, also zu einer Zeit verfasst habe, in welcher er bei Paulus und andern Aposteln die genauesten Erkundigungen über das Leben Jesu einziehen konnte. Allein aus dem Schwei- gen der Apostelgeschichte über den weiteren Verlauf und das Ende der Gefangenschaft des Paulus ihre Abfassung während der Dauer von dieser zu schliessen, ist ein un- 23) Derselbe ebendaselbst 6, 14. Vgl. de Wette, Einleitung in das N. T. §. 99. 24) Dies ist zur Evidenz erhoben durch Griesbach in der Com- mentatio, qua Marci Evangelium totum e Matthaei et Lucae commentariis decerptum esse demonstratur. In dessen opus- cula acad. ed. Gabler Vol. 2. No. XXII. Vgl. Saunier, über die Quellen des Evangeliums des Markus, 1825. 25) Vgl. Schleiermacher a. a. O. Das Leben Jesu I. Band. 5
Einleitung. §. 12. legt 23): so trifft die erstere Angabe, daſs Markus nach denVorträgen des Petrus, also nach einer eigenthümlichen Quelle gearbeitet habe, bei unsrem jetzigen zweiten Evangelium durchaus nicht zu, welches augenscheinlich aus Matthäus und Lukas zusammengeschrieben ist 24); abgesehen davon, daſs das οὐ τάξει, welches Papias von der Schrift des Markus prädicirt, auf die uns vorliegende in keiner Hinsicht An- wendung finden kann, so daſs auch hier der anfängliche Schein verschwindet, als rede Papias von unsrem jetzigen Markus-Evangelium 25). — Das Lukas-Evangelium hat ein starkes Zeugniſs seiner Abkunft von einem Apostel- schüler in der Apostelgeschichte desselben Verfassers, in welcher er einigemale als Begleiter des Paulus nament- lich auch auf seiner Reise nach Rom, erscheint. Und zwar hat man aus dem abgebrochenen Schluſs der Apostel- geschichte, welcher nur noch eines zweijährigen Aufent- halts Pauli zu Rom, aber keines Ausgangs seiner Sache Meldung thut, folgern zu dürfen geglaubt, daſs Lukas die Apostelgeschichte eben während seines Zusammenseins mit Paulus in Rom, in den Jahren 63—65 geschrieben, folg- lich sein Evangelium, welches er im Eingang der Apostel- geschichte als den πρῶτον λόγον bezeichnet, etwas früher, also zu einer Zeit verfaſst habe, in welcher er bei Paulus und andern Aposteln die genauesten Erkundigungen über das Leben Jesu einziehen konnte. Allein aus dem Schwei- gen der Apostelgeschichte über den weiteren Verlauf und das Ende der Gefangenschaft des Paulus ihre Abfassung während der Dauer von dieser zu schlieſsen, ist ein un- 23) Derselbe ebendaselbst 6, 14. Vgl. de Wette, Einleitung in das N. T. §. 99. 24) Dies ist zur Evidenz erhoben durch Griesbach in der Com- mentatio, qua Marci Evangelium totum e Matthaei et Lucae commentariis decerptum esse demonstratur. In dessen opus- cula acad. ed. Gabler Vol. 2. No. XXII. Vgl. Saunier, über die Quellen des Evangeliums des Markus, 1825. 25) Vgl. Schleiermacher a. a. O. Das Leben Jesu I. Band. 5
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Einleitung. §. 12.
legt 23): so trifft die erstere Angabe, daſs Markus nach den
Vorträgen des Petrus, also nach einer eigenthümlichen Quelle
gearbeitet habe, bei unsrem jetzigen zweiten Evangelium
durchaus nicht zu, welches augenscheinlich aus Matthäus und
Lukas zusammengeschrieben ist 24); abgesehen davon, daſs
das οὐ τάξει, welches Papias von der Schrift des Markus
prädicirt, auf die uns vorliegende in keiner Hinsicht An-
wendung finden kann, so daſs auch hier der anfängliche
Schein verschwindet, als rede Papias von unsrem jetzigen
Markus-Evangelium 25). — Das Lukas-Evangelium hat
ein starkes Zeugniſs seiner Abkunft von einem Apostel-
schüler in der Apostelgeschichte desselben Verfassers, in
welcher er einigemale als Begleiter des Paulus nament-
lich auch auf seiner Reise nach Rom, erscheint. Und
zwar hat man aus dem abgebrochenen Schluſs der Apostel-
geschichte, welcher nur noch eines zweijährigen Aufent-
halts Pauli zu Rom, aber keines Ausgangs seiner Sache
Meldung thut, folgern zu dürfen geglaubt, daſs Lukas die
Apostelgeschichte eben während seines Zusammenseins mit
Paulus in Rom, in den Jahren 63—65 geschrieben, folg-
lich sein Evangelium, welches er im Eingang der Apostel-
geschichte als den πρῶτον λόγον bezeichnet, etwas früher,
also zu einer Zeit verfaſst habe, in welcher er bei Paulus
und andern Aposteln die genauesten Erkundigungen über
das Leben Jesu einziehen konnte. Allein aus dem Schwei-
gen der Apostelgeschichte über den weiteren Verlauf und
das Ende der Gefangenschaft des Paulus ihre Abfassung
während der Dauer von dieser zu schlieſsen, ist ein un-
23) Derselbe ebendaselbst 6, 14. Vgl. de Wette, Einleitung in
das N. T. §. 99.
24) Dies ist zur Evidenz erhoben durch Griesbach in der Com-
mentatio, qua Marci Evangelium totum e Matthaei et Lucae
commentariis decerptum esse demonstratur. In dessen opus-
cula acad. ed. Gabler Vol. 2. No. XXII. Vgl. Saunier, über
die Quellen des Evangeliums des Markus, 1825.
25) Vgl. Schleiermacher a. a. O.
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