Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Neuntes Kapitel. §. 100. gesezt sein soll, sondern noch eine andere, die man baldSynchysis, bald Hyperbaton nennt, muss bei dieser Erklä- rung angenommen werden. Denn als Angabe, dass damals die Feigen noch auf den Bäumen gewesen, giebt der in Rede stehende Zusaz nicht den Grund, warum Jesus auf jenem Baume keine fand, sondern, warum er welche er- wartete, er sollte also nicht hinter ouden euren k. t. l., sondern nach elthen, ei ara euresei k. t. l. stehen, eine Versetzung, welche aber nur beweist, dass diese ganze Erklärung gegen den Text läuft. Überzeugt einerseits, dass der Zusaz des Markus das Obwalten günstiger Umstände für das Vorhandensein von Feigen auf jenem Baume ver- neine, aber andrerseits doch bemüht, Jesu Erwartung zu rechtfertigen, suchten andre Erklärer jener Verneinung statt des allgemeinen Sinns, dass es überhaupt nicht an der Jahrs- zeit gewesen sei, wovon Jesus nothwendig hätte Notiz ha- ben müssen, den particulären zu geben, dass nur besondre Umstände, welche Jesu nicht nothwendig bekannt sein muss- ten, der Fruchtbarkeit des Feigenbaums entgegengestanden haben. Ein ganz specielles Hinderniss wäre es gewesen, wenn etwa der Boden, in welchem der Baum wurzelte, ein unfruchtbarer gewesen wäre, und wirklich soll nach Einigen kairos sukon einen für Feigen günstigen Boden be- zeichnen 10); Andere, mit mehr Achtung vor der Wortbe- deutung von kairos, bleiben zwar bei der Erklärung von günstiger Zeit, nur dass sie diese nicht universell von ei- ner stehend und alljährlich der Feigen ermangelnden Jah- reszeit, sondern nur von einem einzelnen, zufällig den Fei- gen ungünstigen Jahrgang verstehen 11). Allein kairos ist zunächst die rechte Zeit im Gegensaz zur Unzeit, nicht eine günstige gegenüber einer ungünstigen; nun aber kann, wenn 10) s. bei Kuinöl, z. d. St. 11) Paulus, ex. Handb. 3, a, S. 175. Olshausen, b. Comm. 1, S. 782 f. 16 *
Neuntes Kapitel. §. 100. gesezt sein soll, sondern noch eine andere, die man baldSynchysis, bald Hyperbaton nennt, muſs bei dieser Erklä- rung angenommen werden. Denn als Angabe, daſs damals die Feigen noch auf den Bäumen gewesen, giebt der in Rede stehende Zusaz nicht den Grund, warum Jesus auf jenem Baume keine fand, sondern, warum er welche er- wartete, er sollte also nicht hinter ουδὲν εῦρεν κ. τ. λ., sondern nach ἦλϑεν, εἰ ἄρα εὑρήσει κ. τ. λ. stehen, eine Versetzung, welche aber nur beweist, daſs diese ganze Erklärung gegen den Text läuft. Überzeugt einerseits, daſs der Zusaz des Markus das Obwalten günstiger Umstände für das Vorhandensein von Feigen auf jenem Baume ver- neine, aber andrerseits doch bemüht, Jesu Erwartung zu rechtfertigen, suchten andre Erklärer jener Verneinung statt des allgemeinen Sinns, daſs es überhaupt nicht an der Jahrs- zeit gewesen sei, wovon Jesus nothwendig hätte Notiz ha- ben müssen, den particulären zu geben, daſs nur besondre Umstände, welche Jesu nicht nothwendig bekannt sein muſs- ten, der Fruchtbarkeit des Feigenbaums entgegengestanden haben. Ein ganz specielles Hinderniſs wäre es gewesen, wenn etwa der Boden, in welchem der Baum wurzelte, ein unfruchtbarer gewesen wäre, und wirklich soll nach Einigen καιρὸς σύκων einen für Feigen günstigen Boden be- zeichnen 10); Andere, mit mehr Achtung vor der Wortbe- deutung von καιρὸς, bleiben zwar bei der Erklärung von günstiger Zeit, nur daſs sie diese nicht universell von ei- ner stehend und alljährlich der Feigen ermangelnden Jah- reszeit, sondern nur von einem einzelnen, zufällig den Fei- gen ungünstigen Jahrgang verstehen 11). Allein καιρὸς ist zunächst die rechte Zeit im Gegensaz zur Unzeit, nicht eine günstige gegenüber einer ungünstigen; nun aber kann, wenn 10) s. bei Kuinöl, z. d. St. 11) Paulus, ex. Handb. 3, a, S. 175. Olshausen, b. Comm. 1, S. 782 f. 16 *
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Neuntes Kapitel. §. 100.
gesezt sein soll, sondern noch eine andere, die man bald
Synchysis, bald Hyperbaton nennt, muſs bei dieser Erklä-
rung angenommen werden. Denn als Angabe, daſs damals
die Feigen noch auf den Bäumen gewesen, giebt der in
Rede stehende Zusaz nicht den Grund, warum Jesus auf
jenem Baume keine fand, sondern, warum er welche er-
wartete, er sollte also nicht hinter ουδὲν εῦρεν κ. τ. λ.,
sondern nach ἦλϑεν, εἰ ἄρα εὑρήσει κ. τ. λ. stehen, eine
Versetzung, welche aber nur beweist, daſs diese ganze
Erklärung gegen den Text läuft. Überzeugt einerseits, daſs
der Zusaz des Markus das Obwalten günstiger Umstände
für das Vorhandensein von Feigen auf jenem Baume ver-
neine, aber andrerseits doch bemüht, Jesu Erwartung zu
rechtfertigen, suchten andre Erklärer jener Verneinung statt
des allgemeinen Sinns, daſs es überhaupt nicht an der Jahrs-
zeit gewesen sei, wovon Jesus nothwendig hätte Notiz ha-
ben müssen, den particulären zu geben, daſs nur besondre
Umstände, welche Jesu nicht nothwendig bekannt sein muſs-
ten, der Fruchtbarkeit des Feigenbaums entgegengestanden
haben. Ein ganz specielles Hinderniſs wäre es gewesen,
wenn etwa der Boden, in welchem der Baum wurzelte,
ein unfruchtbarer gewesen wäre, und wirklich soll nach
Einigen καιρὸς σύκων einen für Feigen günstigen Boden be-
zeichnen 10); Andere, mit mehr Achtung vor der Wortbe-
deutung von καιρὸς, bleiben zwar bei der Erklärung von
günstiger Zeit, nur daſs sie diese nicht universell von ei-
ner stehend und alljährlich der Feigen ermangelnden Jah-
reszeit, sondern nur von einem einzelnen, zufällig den Fei-
gen ungünstigen Jahrgang verstehen 11). Allein καιρὸς ist
zunächst die rechte Zeit im Gegensaz zur Unzeit, nicht eine
günstige gegenüber einer ungünstigen; nun aber kann, wenn
10) s. bei Kuinöl, z. d. St.
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