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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
auch nur gleich; Johannes musste, wenn es ihm um Ver-
meidung des doketisch Scheinenden zu thun war, in jeder
Hinsicht vor Allem jene erste Geschichte unterdrücken:
da er es nicht gethan hat, so kann er auch jenes Princip
nicht gehabt haben, welches daher nie als Grund der ab-
sichtlichen Auslassung einer Geschichte im vierten Evan-
gelium gebraucht werden darf, sondern es bleibt, was na-
mentlich diese Begebenheit betrifft, dabei, dass sein Ver-
fasser nichts oder doch nichts Genaues von derselben ge-
wusst haben kann. Freilich kann dieses Ergebniss nur
denen eine Instanz gegen den historischen Charakter der
Verklärungsgeschichte sein, welche das vierte Evangelium
als Werk eines Apostels betrachten, so dass also wir aus
diesem Stillschweigen nicht gegen die Wahrheit der Er-
zählung argumentiren können: aber uns beweist auch
umgekehrt die Übereinstimmung der Synoptiker nichts für
dieselbe, indem wir schon mehr als Eine Erzählung, in
welcher drei, ja alle vier Evangelien zusammenstimmen,
für unhistorisch haben erklären müssen. -- Was endlich
das angebliche Zeugniss des Petrus betrifft, so ist wegen
der mehr als zweifelhaften Ächtheit des zweiten Briefs
Petri die allerdings auf unsre Verklärungsgeschichte be-
zügliche Stelle als Beweis für die historische Wahrheit
derselben jezt auch von orthodoxen Theologen aufgegeben
worden 4).

Dagegen haben wir ausser den oben angezeigten Schwie-
rigkeiten, welche in dem wunderhaften Inhalt der Er-
zählung liegen, noch einen weiteren Grund gegen die
historische Geltung der Verklärungsgeschichte, die Un-
terredung nämlich, welche den beiden ersten Evangelisten
zufolge die Jünger unmittelbar nachher mit Jesu geführt
haben sollen. Wenn nämlich im Herabsteigen vom Verklä-
rungsberge die Jünger Jesum fragen: ti oun oi grammateis

4) Olshausen, S. 533. Anm.

Zweiter Abschnitt.
auch nur gleich; Johannes muſste, wenn es ihm um Ver-
meidung des doketisch Scheinenden zu thun war, in jeder
Hinsicht vor Allem jene erste Geschichte unterdrücken:
da er es nicht gethan hat, so kann er auch jenes Princip
nicht gehabt haben, welches daher nie als Grund der ab-
sichtlichen Auslassung einer Geschichte im vierten Evan-
gelium gebraucht werden darf, sondern es bleibt, was na-
mentlich diese Begebenheit betrifft, dabei, daſs sein Ver-
fasser nichts oder doch nichts Genaues von derselben ge-
wuſst haben kann. Freilich kann dieses Ergebniſs nur
denen eine Instanz gegen den historischen Charakter der
Verklärungsgeschichte sein, welche das vierte Evangelium
als Werk eines Apostels betrachten, so daſs also wir aus
diesem Stillschweigen nicht gegen die Wahrheit der Er-
zählung argumentiren können: aber uns beweist auch
umgekehrt die Übereinstimmung der Synoptiker nichts für
dieselbe, indem wir schon mehr als Eine Erzählung, in
welcher drei, ja alle vier Evangelien zusammenstimmen,
für unhistorisch haben erklären müssen. — Was endlich
das angebliche Zeugniſs des Petrus betrifft, so ist wegen
der mehr als zweifelhaften Ächtheit des zweiten Briefs
Petri die allerdings auf unsre Verklärungsgeschichte be-
zügliche Stelle als Beweis für die historische Wahrheit
derselben jezt auch von orthodoxen Theologen aufgegeben
worden 4).

Dagegen haben wir ausser den oben angezeigten Schwie-
rigkeiten, welche in dem wunderhaften Inhalt der Er-
zählung liegen, noch einen weiteren Grund gegen die
historische Geltung der Verklärungsgeschichte, die Un-
terredung nämlich, welche den beiden ersten Evangelisten
zufolge die Jünger unmittelbar nachher mit Jesu geführt
haben sollen. Wenn nämlich im Herabsteigen vom Verklä-
rungsberge die Jünger Jesum fragen: τί ου͑͂ν οἱ γραμματεῖς

4) Olshausen, S. 533. Anm.
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[266/0285] Zweiter Abschnitt. auch nur gleich; Johannes muſste, wenn es ihm um Ver- meidung des doketisch Scheinenden zu thun war, in jeder Hinsicht vor Allem jene erste Geschichte unterdrücken: da er es nicht gethan hat, so kann er auch jenes Princip nicht gehabt haben, welches daher nie als Grund der ab- sichtlichen Auslassung einer Geschichte im vierten Evan- gelium gebraucht werden darf, sondern es bleibt, was na- mentlich diese Begebenheit betrifft, dabei, daſs sein Ver- fasser nichts oder doch nichts Genaues von derselben ge- wuſst haben kann. Freilich kann dieses Ergebniſs nur denen eine Instanz gegen den historischen Charakter der Verklärungsgeschichte sein, welche das vierte Evangelium als Werk eines Apostels betrachten, so daſs also wir aus diesem Stillschweigen nicht gegen die Wahrheit der Er- zählung argumentiren können: aber uns beweist auch umgekehrt die Übereinstimmung der Synoptiker nichts für dieselbe, indem wir schon mehr als Eine Erzählung, in welcher drei, ja alle vier Evangelien zusammenstimmen, für unhistorisch haben erklären müssen. — Was endlich das angebliche Zeugniſs des Petrus betrifft, so ist wegen der mehr als zweifelhaften Ächtheit des zweiten Briefs Petri die allerdings auf unsre Verklärungsgeschichte be- zügliche Stelle als Beweis für die historische Wahrheit derselben jezt auch von orthodoxen Theologen aufgegeben worden 4). Dagegen haben wir ausser den oben angezeigten Schwie- rigkeiten, welche in dem wunderhaften Inhalt der Er- zählung liegen, noch einen weiteren Grund gegen die historische Geltung der Verklärungsgeschichte, die Un- terredung nämlich, welche den beiden ersten Evangelisten zufolge die Jünger unmittelbar nachher mit Jesu geführt haben sollen. Wenn nämlich im Herabsteigen vom Verklä- rungsberge die Jünger Jesum fragen: τί ου͑͂ν οἱ γραμματεῖς 4) Olshausen, S. 533. Anm.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/285>, abgerufen am 22.11.2024.