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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
hör bei Kaiphas zu verstehen sei. Gleich von Anfang näm-
lich, nachdem von Annas, als dem pentheros tou Kaiapha,
die Rede gewesen, fand man es sonderbar, dass nun eine
nähere Bezeichnung des lezteren, als Urhebers von jenem
verhängnissvollen Rath, Joh. 11, 50, folge, wenn doch so-
fort nicht ein von ihm, sondern von dem ersteren vorge-
nommenes Verhör erzählt werden sollte. Dann sei auch
in der Beschreibung des Verhörs selbst durchaus vom Pa-
laste und von Fragen tou arkhiereos die Rede, wie doch
Johannes sonst nirgends den Annas, sondern nur den Kai-
phas nenne. Dass aber auf diese Weise schon von V. 15.
an von etwas bei Kaiphas Vorgegangenem die Rede sein
sollte, scheint wegen V. 24. unmöglich, weil es hier erst
heisst, Annas habe Jesum zu Kaiphas geschickt, so dass er
also bis dahin bei Annas gewesen sein muss. Schnell be-
sonnen sezte man daher den 24ten Vers dahin, wo man ihn
brauchte, nämlich hinter V. 13, und schob die Schuld,
dass er jezt weit später gelesen wird, auf die Nachläs-
sigkeit der Abschreiber 2). Da diese Umstellung, in ihrer
Verlassenheit von kritischen Auctoritäten, als die willkühr-
lichste Gewalthülfe erscheinen musste, so hat man sofort
versucht, ob sich nicht der Notiz V. 24, ohne sie wirk-
lich aus ihrem Orte zu rücken, doch eine solche Deutung
geben liesse, dass sie dem Sinne nach hinter V. 13. zu ste-
hen käme, d. h. man nahm das apeseilen als Plusquamper-
fekt, und stellte sich vor, Johannes wolle hier nachholen,
was er bei V. 13. zu bemerken vergessen, dass nämlich
Annas Jesum alsbald zu Kaiphas geschickt habe, folglich
das beschriebene Verhör von diesem vorgenommen worden
sei 3). Hiebei muss man die allgemeine Möglichkeit einer
solchen enallage temporum zugeben, aber ebenso muss
darauf beharrt werden, dass dieselbe nicht ohne Andeu-

2) So z. B. Erasmus z. d. St.
3) So Tholuck, Lücke z. d. St.

Dritter Abschnitt.
hör bei Kaiphas zu verstehen sei. Gleich von Anfang näm-
lich, nachdem von Annas, als dem πενϑερὸς τοῦ Καΐάφα,
die Rede gewesen, fand man es sonderbar, daſs nun eine
nähere Bezeichnung des lezteren, als Urhebers von jenem
verhängniſsvollen Rath, Joh. 11, 50, folge, wenn doch so-
fort nicht ein von ihm, sondern von dem ersteren vorge-
nommenes Verhör erzählt werden sollte. Dann sei auch
in der Beschreibung des Verhörs selbst durchaus vom Pa-
laste und von Fragen τοῦ ἀρχιερέως die Rede, wie doch
Johannes sonst nirgends den Annas, sondern nur den Kai-
phas nenne. Daſs aber auf diese Weise schon von V. 15.
an von etwas bei Kaiphas Vorgegangenem die Rede sein
sollte, scheint wegen V. 24. unmöglich, weil es hier erst
heiſst, Annas habe Jesum zu Kaiphas geschickt, so daſs er
also bis dahin bei Annas gewesen sein muſs. Schnell be-
sonnen sezte man daher den 24ten Vers dahin, wo man ihn
brauchte, nämlich hinter V. 13, und schob die Schuld,
daſs er jezt weit später gelesen wird, auf die Nachläs-
sigkeit der Abschreiber 2). Da diese Umstellung, in ihrer
Verlassenheit von kritischen Auctoritäten, als die willkühr-
lichste Gewalthülfe erscheinen muſste, so hat man sofort
versucht, ob sich nicht der Notiz V. 24, ohne sie wirk-
lich aus ihrem Orte zu rücken, doch eine solche Deutung
geben lieſse, daſs sie dem Sinne nach hinter V. 13. zu ste-
hen käme, d. h. man nahm das ἀπέςειλεν als Plusquamper-
fekt, und stellte sich vor, Johannes wolle hier nachholen,
was er bei V. 13. zu bemerken vergessen, daſs nämlich
Annas Jesum alsbald zu Kaiphas geschickt habe, folglich
das beschriebene Verhör von diesem vorgenommen worden
sei 3). Hiebei muſs man die allgemeine Möglichkeit einer
solchen enallage temporum zugeben, aber ebenso muſs
darauf beharrt werden, daſs dieselbe nicht ohne Andeu-

2) So z. B. Erasmus z. d. St.
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[482/0501] Dritter Abschnitt. hör bei Kaiphas zu verstehen sei. Gleich von Anfang näm- lich, nachdem von Annas, als dem πενϑερὸς τοῦ Καΐάφα, die Rede gewesen, fand man es sonderbar, daſs nun eine nähere Bezeichnung des lezteren, als Urhebers von jenem verhängniſsvollen Rath, Joh. 11, 50, folge, wenn doch so- fort nicht ein von ihm, sondern von dem ersteren vorge- nommenes Verhör erzählt werden sollte. Dann sei auch in der Beschreibung des Verhörs selbst durchaus vom Pa- laste und von Fragen τοῦ ἀρχιερέως die Rede, wie doch Johannes sonst nirgends den Annas, sondern nur den Kai- phas nenne. Daſs aber auf diese Weise schon von V. 15. an von etwas bei Kaiphas Vorgegangenem die Rede sein sollte, scheint wegen V. 24. unmöglich, weil es hier erst heiſst, Annas habe Jesum zu Kaiphas geschickt, so daſs er also bis dahin bei Annas gewesen sein muſs. Schnell be- sonnen sezte man daher den 24ten Vers dahin, wo man ihn brauchte, nämlich hinter V. 13, und schob die Schuld, daſs er jezt weit später gelesen wird, auf die Nachläs- sigkeit der Abschreiber 2). Da diese Umstellung, in ihrer Verlassenheit von kritischen Auctoritäten, als die willkühr- lichste Gewalthülfe erscheinen muſste, so hat man sofort versucht, ob sich nicht der Notiz V. 24, ohne sie wirk- lich aus ihrem Orte zu rücken, doch eine solche Deutung geben lieſse, daſs sie dem Sinne nach hinter V. 13. zu ste- hen käme, d. h. man nahm das ἀπέςειλεν als Plusquamper- fekt, und stellte sich vor, Johannes wolle hier nachholen, was er bei V. 13. zu bemerken vergessen, daſs nämlich Annas Jesum alsbald zu Kaiphas geschickt habe, folglich das beschriebene Verhör von diesem vorgenommen worden sei 3). Hiebei muſs man die allgemeine Möglichkeit einer solchen enallage temporum zugeben, aber ebenso muſs darauf beharrt werden, daſs dieselbe nicht ohne Andeu- 2) So z. B. Erasmus z. d. St. 3) So Tholuck, Lücke z. d. St.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/501>, abgerufen am 22.11.2024.