Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. heit in Folge derselben 3), bald jeden aus Schwermuth undVerzweiflung gewählten Tod bedeuten sollte 4), wozu dann erst das prenes genomenos k. t. l. der Apostelgeschichte das Genauere nachbringe, dass die Todesart, zu welcher den Judas das böse Gewissen und die Verzweiflung trieb, der Sturz von steiler Höhe herunter gewesen sei. Andere haben umgekehrt das prenes genomenos dem apegxato an- zupassen gesucht, in der Art, dass es nichts Anderes aus- drücken sollte, als dasjenige als Zustand, was das apegxato als Handlung: wenn dieses durch se suspendit, so sollte jenes durch suspensus übersezt werden 5). -- Der offenba- ren Gewaltsamkeit dieser Versuche gegenüber haben An- dere mit Schonung der natürlichen Bedeutung der beider- seitigen Ausdrücke die abweichenden Berichte durch die Annahme vereinigt, dass Matthäus einen früheren, die A. G. einen späteren Moment in dem Hergang bei dem Ende des Judas berichte. Und zwar hielten einige der älteren Er- klärer beide Momente so weit auseinander, dass sie in dem apegxato nur einen misslungenen Versuch zum Selbstmord sahen, welchen Judas, indem der Baumast, an den er sich hängen wollte, sich bog, oder aus sonst einer Ursa- che, überlebte, bis später die Strafe des Himmels durch das prenes genomenos ihn ereilte 6). Allein, da Matthäus sein apegxato offenbar in der Meinung und Absicht sezt, von dem Verräther das Lezte zu berichten: so hat man in neuerer Zeit die beiden Momente, in deren Bericht sich das erste Evangelium und die A. G. theilen sollen, näher zusammengezogen, und angenommen, Judas habe sich auf 3) Heinsius. 4) Perizonius. 5) So die Vulgata und Erasmus. S. gegen alle diese Deutungen Kuinöl, in Matth. p. 743 ff. 6) Oekumenius zu A. G. 1: o Ioudas ouk enapethane te agkhone,
allepebio, katenekhtheis pro tou apopnigenai. Vgl. Theophy- lakt zu Matth. 27, und ein Schol. Apolinariou bei Matthaki. Dritter Abschnitt. heit in Folge derselben 3), bald jeden aus Schwermuth undVerzweiflung gewählten Tod bedeuten sollte 4), wozu dann erst das πρηνὴς γενόμενος κ. τ. λ. der Apostelgeschichte das Genauere nachbringe, daſs die Todesart, zu welcher den Judas das böse Gewissen und die Verzweiflung trieb, der Sturz von steiler Höhe herunter gewesen sei. Andere haben umgekehrt das πρηνὴς γενόμενος dem ἀπήγξατο an- zupassen gesucht, in der Art, daſs es nichts Anderes aus- drücken sollte, als dasjenige als Zustand, was das ἀπήγξατο als Handlung: wenn dieses durch se suspendit, so sollte jenes durch suspensus übersezt werden 5). — Der offenba- ren Gewaltsamkeit dieser Versuche gegenüber haben An- dere mit Schonung der natürlichen Bedeutung der beider- seitigen Ausdrücke die abweichenden Berichte durch die Annahme vereinigt, daſs Matthäus einen früheren, die A. G. einen späteren Moment in dem Hergang bei dem Ende des Judas berichte. Und zwar hielten einige der älteren Er- klärer beide Momente so weit auseinander, daſs sie in dem ἀπήγξατο nur einen miſslungenen Versuch zum Selbstmord sahen, welchen Judas, indem der Baumast, an den er sich hängen wollte, sich bog, oder aus sonst einer Ursa- che, überlebte, bis später die Strafe des Himmels durch das πρηνὴς γενόμενος ihn ereilte 6). Allein, da Matthäus sein ἀπήγξατο offenbar in der Meinung und Absicht sezt, von dem Verräther das Lezte zu berichten: so hat man in neuerer Zeit die beiden Momente, in deren Bericht sich das erste Evangelium und die A. G. theilen sollen, näher zusammengezogen, und angenommen, Judas habe sich auf 3) Heinsius. 4) Perizonius. 5) So die Vulgata und Erasmus. S. gegen alle diese Deutungen Kuinöl, in Matth. p. 743 ff. 6) Oekumenius zu A. G. 1: ὁ Ἰουδας ουκ ἐναπέϑανε τῇ ἀγχόνῃ,
ἀλλ̕ἐπεβίω, κατενεχϑεὶς πρὸ τοῦ ἀποπνιγῆναι. Vgl. Theophy- lakt zu Matth. 27, und ein Schol. Ἀπολιναρίου bei Matthaki. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0519" n="500"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> heit in Folge derselben <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#k">Heinsius</hi>.</note>, bald jeden aus Schwermuth und<lb/> Verzweiflung gewählten Tod bedeuten sollte <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#k">Perizonius</hi>.</note>, wozu dann<lb/> erst das <foreign xml:lang="ell">πρηνὴς γενόμενος κ. τ. λ.</foreign> der Apostelgeschichte das<lb/> Genauere nachbringe, daſs die Todesart, zu welcher den<lb/> Judas das böse Gewissen und die Verzweiflung trieb, der<lb/> Sturz von steiler Höhe herunter gewesen sei. Andere<lb/> haben umgekehrt das <foreign xml:lang="ell">πρηνὴς γενόμενος</foreign> dem <foreign xml:lang="ell">ἀπήγξατο</foreign> an-<lb/> zupassen gesucht, in der Art, daſs es nichts Anderes aus-<lb/> drücken sollte, als dasjenige als Zustand, was das <foreign xml:lang="ell">ἀπήγξατο</foreign><lb/> als Handlung: wenn dieses durch <hi rendition="#i">se suspendit</hi>, so sollte<lb/> jenes durch <hi rendition="#i">suspensus</hi> übersezt werden <note place="foot" n="5)">So die Vulgata und <hi rendition="#k">Erasmus</hi>. S. gegen alle diese Deutungen<lb/><hi rendition="#k">Kuinöl</hi>, in Matth. p. 743 ff.</note>. — Der offenba-<lb/> ren Gewaltsamkeit dieser Versuche gegenüber haben An-<lb/> dere mit Schonung der natürlichen Bedeutung der beider-<lb/> seitigen Ausdrücke die abweichenden Berichte durch die<lb/> Annahme vereinigt, daſs Matthäus einen früheren, die A. G.<lb/> einen späteren Moment in dem Hergang bei dem Ende des<lb/> Judas berichte. Und zwar hielten einige der älteren Er-<lb/> klärer beide Momente so weit auseinander, daſs sie in dem<lb/><foreign xml:lang="ell">ἀπήγξατο</foreign> nur einen miſslungenen Versuch zum Selbstmord<lb/> sahen, welchen Judas, indem der Baumast, an den er<lb/> sich hängen wollte, sich bog, oder aus sonst einer Ursa-<lb/> che, überlebte, bis später die Strafe des Himmels durch<lb/> das <foreign xml:lang="ell">πρηνὴς γενόμενος</foreign> ihn ereilte <note place="foot" n="6)">Oekumenius zu A. G. 1: <foreign xml:lang="ell">ὁ Ἰουδας ουκ ἐναπέϑανε τῇ ἀγχόνῃ,<lb/> ἀλλ̕ἐπεβίω, κατενεχϑεὶς πρὸ τοῦ ἀποπνιγῆναι.</foreign> Vgl. Theophy-<lb/> lakt zu Matth. 27, und ein Schol. Ἀπολιναρίου bei <hi rendition="#k">Matthaki</hi>.</note>. Allein, da Matthäus<lb/> sein <foreign xml:lang="ell">ἀπήγξατο</foreign> offenbar in der Meinung und Absicht sezt,<lb/> von dem Verräther das Lezte zu berichten: so hat man in<lb/> neuerer Zeit die beiden Momente, in deren Bericht sich<lb/> das erste Evangelium und die A. G. theilen sollen, näher<lb/> zusammengezogen, und angenommen, Judas habe sich auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [500/0519]
Dritter Abschnitt.
heit in Folge derselben 3), bald jeden aus Schwermuth und
Verzweiflung gewählten Tod bedeuten sollte 4), wozu dann
erst das πρηνὴς γενόμενος κ. τ. λ. der Apostelgeschichte das
Genauere nachbringe, daſs die Todesart, zu welcher den
Judas das böse Gewissen und die Verzweiflung trieb, der
Sturz von steiler Höhe herunter gewesen sei. Andere
haben umgekehrt das πρηνὴς γενόμενος dem ἀπήγξατο an-
zupassen gesucht, in der Art, daſs es nichts Anderes aus-
drücken sollte, als dasjenige als Zustand, was das ἀπήγξατο
als Handlung: wenn dieses durch se suspendit, so sollte
jenes durch suspensus übersezt werden 5). — Der offenba-
ren Gewaltsamkeit dieser Versuche gegenüber haben An-
dere mit Schonung der natürlichen Bedeutung der beider-
seitigen Ausdrücke die abweichenden Berichte durch die
Annahme vereinigt, daſs Matthäus einen früheren, die A. G.
einen späteren Moment in dem Hergang bei dem Ende des
Judas berichte. Und zwar hielten einige der älteren Er-
klärer beide Momente so weit auseinander, daſs sie in dem
ἀπήγξατο nur einen miſslungenen Versuch zum Selbstmord
sahen, welchen Judas, indem der Baumast, an den er
sich hängen wollte, sich bog, oder aus sonst einer Ursa-
che, überlebte, bis später die Strafe des Himmels durch
das πρηνὴς γενόμενος ihn ereilte 6). Allein, da Matthäus
sein ἀπήγξατο offenbar in der Meinung und Absicht sezt,
von dem Verräther das Lezte zu berichten: so hat man in
neuerer Zeit die beiden Momente, in deren Bericht sich
das erste Evangelium und die A. G. theilen sollen, näher
zusammengezogen, und angenommen, Judas habe sich auf
3) Heinsius.
4) Perizonius.
5) So die Vulgata und Erasmus. S. gegen alle diese Deutungen
Kuinöl, in Matth. p. 743 ff.
6) Oekumenius zu A. G. 1: ὁ Ἰουδας ουκ ἐναπέϑανε τῇ ἀγχόνῃ,
ἀλλ̕ἐπεβίω, κατενεχϑεὶς πρὸ τοῦ ἀποπνιγῆναι. Vgl. Theophy-
lakt zu Matth. 27, und ein Schol. Ἀπολιναρίου bei Matthaki.
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