es ist nicht zu entscheiden, ob mit oder ohne geschichtli- chen Grund, den Simon anknüpft.
Auf dem Hinweg zum Richtplaz, meldet Lukas, sei eine grosse Volksmasse, namentlich auch Weiber, wehkla- gend Jesu nachgefolgt, deren Klagen er aber auf sie selbst und ihre Kinder verwiesen habe, mit Hinsicht auf die schrecklichen Zeiten, welche bald über sie hereinbrechen würden (23, 27 ff.). Die Züge sind theils aus der Rede über die Parusie, Luc. 21, 23, entlehnt, da, wie dort den Schwangeren und Säugenden in jener Zeit Wehe gerufen war, so hier gesagt wird, es kommen emerai, in welchen ai seirai, kai koiliai ai ouk egennesan, kai masoi oi ouk ethe- lasan, werden glücklich gepriesen werden; theils ist aus Hosea 10, 8. geborgt, denn das tote arxontai legein tois oresi k. t. l. ist beinahe wörtlich die alexandrinische Über- setzung jener Stelle.
Den Plaz der Hinrichtung nennen sämmtliche Evange- listen Golgatha, das chaldäische n'ul@n'al@t'a, und erklären diese Bezeichnung durch kraniou topos oder kranion (Matth. V. 33. parall.). Der letzteren Bezeichnung nach könnte es schei- nen, der Ort sei von seiner schädelförmigen Figur so ge- nannt gewesen; wogegen die erstere Erklärung und wohl auch die Natur der Sache wahrscheinlicher macht, dass er seiner Bestimmung als Richtplaz und den daselbst be- findlichen Gerippen und Schädeln der Hingerichteten seine Benennung verdankte. Wo dieser Plaz gelegen habe, ist nicht bekannt, doch ohne Zweifel ausserhalb der Stadt; auch dass er ein Hügel gewesen, wird nur vermuthet 6).
Den Hergang nach der Ankunft Jesu auf dem Richt- plaz erzählt Matthäus (V. 34 ff.) in etwas sonderbarer Fol- ge. Zuerst erwähnt er des Jesu angebotenen Tranks; dann, dass, nachdem sie ihn an das Kreuz geschlagen, die Sol-
6) s. Paulus und Fritzsche z. d. Abschn. Winer, b. Realw. d. A. Golgatha.
Das Leben Jesu II. Band. 34
Drittes Kapitel. §. 128.
es ist nicht zu entscheiden, ob mit oder ohne geschichtli- chen Grund, den Simon anknüpft.
Auf dem Hinweg zum Richtplaz, meldet Lukas, sei eine groſse Volksmasse, namentlich auch Weiber, wehkla- gend Jesu nachgefolgt, deren Klagen er aber auf sie selbst und ihre Kinder verwiesen habe, mit Hinsicht auf die schrecklichen Zeiten, welche bald über sie hereinbrechen würden (23, 27 ff.). Die Züge sind theils aus der Rede über die Parusie, Luc. 21, 23, entlehnt, da, wie dort den Schwangeren und Säugenden in jener Zeit Wehe gerufen war, so hier gesagt wird, es kommen ἡμέραι, in welchen αἱ ςεῖραι, καὶ κοιλίαι αἳ οὐκ ἐγέννησαν, καὶ μαςοὶ οἳ οὐκ ἐϑή- λασαν, werden glücklich gepriesen werden; theils ist aus Hosea 10, 8. geborgt, denn das τότε ἄρξονται λέγειν τοῖς ὄρεσι κ. τ. λ. ist beinahe wörtlich die alexandrinische Über- setzung jener Stelle.
Den Plaz der Hinrichtung nennen sämmtliche Evange- listen Golgatha, das chaldäische נֻּלְנַּלְתָּא, und erklären diese Bezeichnung durch κρανίου τόπος oder κρανίον (Matth. V. 33. parall.). Der letzteren Bezeichnung nach könnte es schei- nen, der Ort sei von seiner schädelförmigen Figur so ge- nannt gewesen; wogegen die erstere Erklärung und wohl auch die Natur der Sache wahrscheinlicher macht, daſs er seiner Bestimmung als Richtplaz und den daselbst be- findlichen Gerippen und Schädeln der Hingerichteten seine Benennung verdankte. Wo dieser Plaz gelegen habe, ist nicht bekannt, doch ohne Zweifel ausserhalb der Stadt; auch daſs er ein Hügel gewesen, wird nur vermuthet 6).
Den Hergang nach der Ankunft Jesu auf dem Richt- plaz erzählt Matthäus (V. 34 ff.) in etwas sonderbarer Fol- ge. Zuerst erwähnt er des Jesu angebotenen Tranks; dann, daſs, nachdem sie ihn an das Kreuz geschlagen, die Sol-
6) s. Paulus und Fritzsche z. d. Abschn. Winer, b. Realw. d. A. Golgatha.
Das Leben Jesu II. Band. 34
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Drittes Kapitel. §. 128.
es ist nicht zu entscheiden, ob mit oder ohne geschichtli-
chen Grund, den Simon anknüpft.
Auf dem Hinweg zum Richtplaz, meldet Lukas, sei
eine groſse Volksmasse, namentlich auch Weiber, wehkla-
gend Jesu nachgefolgt, deren Klagen er aber auf sie selbst
und ihre Kinder verwiesen habe, mit Hinsicht auf die
schrecklichen Zeiten, welche bald über sie hereinbrechen
würden (23, 27 ff.). Die Züge sind theils aus der Rede
über die Parusie, Luc. 21, 23, entlehnt, da, wie dort den
Schwangeren und Säugenden in jener Zeit Wehe gerufen
war, so hier gesagt wird, es kommen ἡμέραι, in welchen
αἱ ςεῖραι, καὶ κοιλίαι αἳ οὐκ ἐγέννησαν, καὶ μαςοὶ οἳ οὐκ ἐϑή-
λασαν, werden glücklich gepriesen werden; theils ist aus
Hosea 10, 8. geborgt, denn das τότε ἄρξονται λέγειν τοῖς
ὄρεσι κ. τ. λ. ist beinahe wörtlich die alexandrinische Über-
setzung jener Stelle.
Den Plaz der Hinrichtung nennen sämmtliche Evange-
listen Golgatha, das chaldäische נֻּלְנַּלְתָּא, und erklären diese
Bezeichnung durch κρανίου τόπος oder κρανίον (Matth. V. 33.
parall.). Der letzteren Bezeichnung nach könnte es schei-
nen, der Ort sei von seiner schädelförmigen Figur so ge-
nannt gewesen; wogegen die erstere Erklärung und wohl
auch die Natur der Sache wahrscheinlicher macht, daſs
er seiner Bestimmung als Richtplaz und den daselbst be-
findlichen Gerippen und Schädeln der Hingerichteten seine
Benennung verdankte. Wo dieser Plaz gelegen habe, ist
nicht bekannt, doch ohne Zweifel ausserhalb der Stadt;
auch daſs er ein Hügel gewesen, wird nur vermuthet 6).
Den Hergang nach der Ankunft Jesu auf dem Richt-
plaz erzählt Matthäus (V. 34 ff.) in etwas sonderbarer Fol-
ge. Zuerst erwähnt er des Jesu angebotenen Tranks; dann,
daſs, nachdem sie ihn an das Kreuz geschlagen, die Sol-
6) s. Paulus und Fritzsche z. d. Abschn. Winer, b. Realw.
d. A. Golgatha.
Das Leben Jesu II. Band. 34
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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