Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. ursachte, leicht auf die natürlichste Weise unbemerkt ent-ziehen können, was dann von ihnen, denen die ganze Sache mit Jesu Wiederbelebung ein Wunder war, für ein überirdisches Verschwinden gehalten worden sei 5). Auch in dem ese en meso auton oder eis to meson liege, zumal bei Johannes, wo das ordentliche elthen und erkhetai dabeistehe, nichts Übernatürliches, sondern nur die über- raschende Ankunft eines Solchen, von dem man gerade ge- sprochen hat, ohne ihn zu erwarten, und für ein pneuma haben ihn die Versammelten gehalten, nicht weil er auf wunderbare Weise eingetreten war, sondern weil sie an die wirkliche Wiederbelebung des Gestorbenen nicht glau- ben konnten 6). Selbst der Zug endlich, von welchem man meinen sollte, er sei gegen die Ansicht von dem Le- ben des Auferstandenen als einem natürlich menschlichen entscheidend, das erkhesthai thuron kekleismenon bei Johan- nes, ist längst sogar von orthodoxen Theologen so gedeutet worden, dass es jener Ansicht nicht mehr entgegen ist. Abgesehen von Erklärungen, wie die Heumann'sche, die thurai seinen nicht die des Versammlungshauses der Jün- ger, sondern überhaupt die Thüren in Jerusalem, und die Angabe, dass sie verschlossen gewesen, sei eine Bezeich- nung derjenigen Stunde in der Nacht, in welcher man die Thüren zu schliessen gepflegt habe, der phobos ton Ioudaion aber gebe nicht den Grund des Thürschliessens, sondern des Zusammenseins der Jünger an, -- so bezeichnet selbst Calvin die Meinung, dass der Leib des Auferstandenen per medium ferrum et asseres hindurchgedrungen sei, als pueriles argutiae, zu welchen der Text keine Veranlas- sung gebe, welcher nicht sage, Jesus sei per januas clau- sas eingedrungen, sondern nur, er sei plözlich unter seine Jünger getreten, cum clausae essent januae 7). Dennoch 5) Paulus, a. a. O., S. 882. 6) Paulus, a. a. O., S. 883. 93. Lücke, 2, S. 684 f. 7) Calvin, Comm. in Joh. z. d. St. p. 363 f. ed. Tholuck.
Dritter Abschnitt. ursachte, leicht auf die natürlichste Weise unbemerkt ent-ziehen können, was dann von ihnen, denen die ganze Sache mit Jesu Wiederbelebung ein Wunder war, für ein überirdisches Verschwinden gehalten worden sei 5). Auch in dem ἔςη ἐν μέσῳ αὐτῶν oder εἰς τὸ μέσον liege, zumal bei Johannes, wo das ordentliche ἦλϑεν und ἔρχεται dabeistehe, nichts Übernatürliches, sondern nur die über- raschende Ankunft eines Solchen, von dem man gerade ge- sprochen hat, ohne ihn zu erwarten, und für ein πνεῦμα haben ihn die Versammelten gehalten, nicht weil er auf wunderbare Weise eingetreten war, sondern weil sie an die wirkliche Wiederbelebung des Gestorbenen nicht glau- ben konnten 6). Selbst der Zug endlich, von welchem man meinen sollte, er sei gegen die Ansicht von dem Le- ben des Auferstandenen als einem natürlich menschlichen entscheidend, das ἔρχεσϑαι ϑυρῶν κεκλεισμένων bei Johan- nes, ist längst sogar von orthodoxen Theologen so gedeutet worden, daſs es jener Ansicht nicht mehr entgegen ist. Abgesehen von Erklärungen, wie die Heumann'sche, die ϑῦραι seinen nicht die des Versammlungshauses der Jün- ger, sondern überhaupt die Thüren in Jerusalem, und die Angabe, daſs sie verschlossen gewesen, sei eine Bezeich- nung derjenigen Stunde in der Nacht, in welcher man die Thüren zu schlieſsen gepflegt habe, der φόβος τῶν Ἰουδαίων aber gebe nicht den Grund des Thürschlieſsens, sondern des Zusammenseins der Jünger an, — so bezeichnet selbst Calvin die Meinung, daſs der Leib des Auferstandenen per medium ferrum et asseres hindurchgedrungen sei, als pueriles argutiae, zu welchen der Text keine Veranlas- sung gebe, welcher nicht sage, Jesus sei per januas clau- sas eingedrungen, sondern nur, er sei plözlich unter seine Jünger getreten, cum clausae essent januae 7). Dennoch 5) Paulus, a. a. O., S. 882. 6) Paulus, a. a. O., S. 883. 93. Lücke, 2, S. 684 f. 7) Calvin, Comm. in Joh. z. d. St. p. 363 f. ed. Tholuck.
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Dritter Abschnitt.
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Auch in dem ἔςη ἐν μέσῳ αὐτῶν oder εἰς τὸ μέσον liege,
zumal bei Johannes, wo das ordentliche ἦλϑεν und ἔρχεται
dabeistehe, nichts Übernatürliches, sondern nur die über-
raschende Ankunft eines Solchen, von dem man gerade ge-
sprochen hat, ohne ihn zu erwarten, und für ein πνεῦμα
haben ihn die Versammelten gehalten, nicht weil er auf
wunderbare Weise eingetreten war, sondern weil sie an
die wirkliche Wiederbelebung des Gestorbenen nicht glau-
ben konnten 6). Selbst der Zug endlich, von welchem
man meinen sollte, er sei gegen die Ansicht von dem Le-
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entscheidend, das ἔρχεσϑαι ϑυρῶν κεκλεισμένων bei Johan-
nes, ist längst sogar von orthodoxen Theologen so gedeutet
worden, daſs es jener Ansicht nicht mehr entgegen ist.
Abgesehen von Erklärungen, wie die Heumann'sche, die
ϑῦραι seinen nicht die des Versammlungshauses der Jün-
ger, sondern überhaupt die Thüren in Jerusalem, und die
Angabe, daſs sie verschlossen gewesen, sei eine Bezeich-
nung derjenigen Stunde in der Nacht, in welcher man die
Thüren zu schlieſsen gepflegt habe, der φόβος τῶν Ἰουδαίων
aber gebe nicht den Grund des Thürschlieſsens, sondern
des Zusammenseins der Jünger an, — so bezeichnet selbst
Calvin die Meinung, daſs der Leib des Auferstandenen
per medium ferrum et asseres hindurchgedrungen sei, als
pueriles argutiae, zu welchen der Text keine Veranlas-
sung gebe, welcher nicht sage, Jesus sei per januas clau-
sas eingedrungen, sondern nur, er sei plözlich unter seine
Jünger getreten, cum clausae essent januae 7). Dennoch
5) Paulus, a. a. O., S. 882.
6) Paulus, a. a. O., S. 883. 93. Lücke, 2, S. 684 f.
7) Calvin, Comm. in Joh. z. d. St. p. 363 f. ed. Tholuck.
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