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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Achtzehnte Betrachtung.
Die Absichten Gottes bey der Ueber-
antwortung Jesu in die Hände
der Heiden.
Joh. 18, 28 - 32.
Da führten sie Jesum von Caipha vor das Richthaus. Und
es war frühe. Und Sie giengen nicht in das Richthaus:
auf daß sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen
möchten. Da gieng Pilatus zu ihnen heraus und sprach:
Was bringet ihr für Klage wieder diesen Menschen? Sie
antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein
Uebelthäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. Da
sprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ihr ihn hin, und rich-
tet ihn nach eurem Gesetze. Da sprachen die Juden: wir
dürfen niemand tödten: auf daß erfullet würde das Wort
Jesu, welches er sagte, da er deutete, welches Todes er ster-
ben würde.

Das Leiden Jesu enthält einen Beytrag zu der Ge-
schichte der verborgensten Regierung Gottes, oder
es ist vielmehr ein Zusammenhang von den wunder-
barsten Fügungen, welche sich je auf unsrer Erde ereignet
haben. So wenig es die Heiligkeit Gottes erlaubte, daß
er auf einige Art zu dem Frevel der Menschen in der Hin-
richtung seines Sohnes mitwirkte, so ist es doch unläug-
bar, daß wir in allen Theilen des Leidens Jesu die aus-
nehmendsten Spuren der Vorsehung Gottes entdecken
können. Es war ein Werk seiner Vorsehung, daß er
blos durch Zulassung und durch die wunderbarste Vereini-
gung verschiedener ganz zufälliger Umstände, seine Absich-

ten
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Achtzehnte Betrachtung.
Die Abſichten Gottes bey der Ueber-
antwortung Jeſu in die Hände
der Heiden.
Joh. 18, 28 – 32.
Da führten ſie Jeſum von Caipha vor das Richthaus. Und
es war frühe. Und Sie giengen nicht in das Richthaus:
auf daß ſie nicht unrein würden, ſondern Oſtern eſſen
möchten. Da gieng Pilatus zu ihnen heraus und ſprach:
Was bringet ihr für Klage wieder dieſen Menſchen? Sie
antworteten und ſprachen zu ihm: Wäre dieſer nicht ein
Uebelthäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. Da
ſprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ihr ihn hin, und rich-
tet ihn nach eurem Geſetze. Da ſprachen die Juden: wir
dürfen niemand tödten: auf daß erfullet würde das Wort
Jeſu, welches er ſagte, da er deutete, welches Todes er ſter-
ben würde.

Das Leiden Jeſu enthält einen Beytrag zu der Ge-
ſchichte der verborgenſten Regierung Gottes, oder
es iſt vielmehr ein Zuſammenhang von den wunder-
barſten Fügungen, welche ſich je auf unſrer Erde ereignet
haben. So wenig es die Heiligkeit Gottes erlaubte, daß
er auf einige Art zu dem Frevel der Menſchen in der Hin-
richtung ſeines Sohnes mitwirkte, ſo iſt es doch unläug-
bar, daß wir in allen Theilen des Leidens Jeſu die aus-
nehmendſten Spuren der Vorſehung Gottes entdecken
können. Es war ein Werk ſeiner Vorſehung, daß er
blos durch Zulaſſung und durch die wunderbarſte Vereini-
gung verſchiedener ganz zufälliger Umſtände, ſeine Abſich-

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[83/0105] Achtzehnte Betrachtung. Die Abſichten Gottes bey der Ueber- antwortung Jeſu in die Hände der Heiden. Joh. 18, 28 – 32. Da führten ſie Jeſum von Caipha vor das Richthaus. Und es war frühe. Und Sie giengen nicht in das Richthaus: auf daß ſie nicht unrein würden, ſondern Oſtern eſſen möchten. Da gieng Pilatus zu ihnen heraus und ſprach: Was bringet ihr für Klage wieder dieſen Menſchen? Sie antworteten und ſprachen zu ihm: Wäre dieſer nicht ein Uebelthäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet. Da ſprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ihr ihn hin, und rich- tet ihn nach eurem Geſetze. Da ſprachen die Juden: wir dürfen niemand tödten: auf daß erfullet würde das Wort Jeſu, welches er ſagte, da er deutete, welches Todes er ſter- ben würde. Das Leiden Jeſu enthält einen Beytrag zu der Ge- ſchichte der verborgenſten Regierung Gottes, oder es iſt vielmehr ein Zuſammenhang von den wunder- barſten Fügungen, welche ſich je auf unſrer Erde ereignet haben. So wenig es die Heiligkeit Gottes erlaubte, daß er auf einige Art zu dem Frevel der Menſchen in der Hin- richtung ſeines Sohnes mitwirkte, ſo iſt es doch unläug- bar, daß wir in allen Theilen des Leidens Jeſu die aus- nehmendſten Spuren der Vorſehung Gottes entdecken können. Es war ein Werk ſeiner Vorſehung, daß er blos durch Zulaſſung und durch die wunderbarſte Vereini- gung verſchiedener ganz zufälliger Umſtände, ſeine Abſich- ten F 2

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/105>, abgerufen am 26.06.2024.