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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Ueberantwortung Jesu an die Heiden.
Jesu, als sie einen gekreuzigten Heiland predigten, hier-
auf als auf eine Sache berufen, welche sowohl Heiden
als Juden bekannt seyn mußte. Sie konnten Jesum, den
Gekreuzigten, beyden Nationen als ihren Heiland vorstel-
len, weil beyde zu seiner Hinrichtung die Hände einan-
der geboten hatten.

Wäre Jesus unter den Händen der Juden gestorben,
so würde er nicht den Kreuzestod haben leiden können, wel-
cher eine Todesstrafe unter den Römern war. Jesus
sollte aber nach dem Rathe Gottes gerade diese Todesart
ausstehen, die mit so ausserordentlicher Schmach, und be-
sonders heftigen Schmerzen verbunden war. Sein Tod
würde zwar versohnend gewesen seyn, wenn er wie der
Täufer Johannes enthauptet, oder wie Stephanus gestei-
niget worden wäre. Allein wie konnten alsdann die Vor-
bilder erfüllt werden, die Jesus selbst auf seine Todesart
deutet? Joh. 3, 13. Wie konnte die Weissagung Da-
vids in Erfüllung gehen, da er so viele Jahrhunderte zu-
vor weissagte: daß sich die Heideu wider den Meßiam
auflehnen, und zu Haufe sammlen würden, daß
man ihm seine Hände und Füsse durchgraben, und
um seine Kleider das Loos werfen würde? Ps. 2,
2. Ps.
22, 17. 19. Schon um dieser Ursache willen war
es nothwendig, daß Jesus den Kreuzestod ausstehen, und
also unter den Heiden sterben mußte. Allein bey reiferm
Nachdenken finde ich noch andere Gründe, welche mich
auf die Absichten Gottes bey diesem besondern Leiden Jesu
führen können. Der Tod des Erlösers sollte ihn allen
Augen zum Schauspiel des Spottes darstellen. Es sollte
ein Tod seyn, durch welchen er alles sein Blut vergösse:
durch welchen er ein Fluch für uns würde: wobey sein
Leib unverstümmelt bliebe, und bey welchem er durch sein
Reden und durch sein ganzes Bezeigen die wichtigsten Leh-

ren
F 3

Ueberantwortung Jeſu an die Heiden.
Jeſu, als ſie einen gekreuzigten Heiland predigten, hier-
auf als auf eine Sache berufen, welche ſowohl Heiden
als Juden bekannt ſeyn mußte. Sie konnten Jeſum, den
Gekreuzigten, beyden Nationen als ihren Heiland vorſtel-
len, weil beyde zu ſeiner Hinrichtung die Hände einan-
der geboten hatten.

Wäre Jeſus unter den Händen der Juden geſtorben,
ſo würde er nicht den Kreuzestod haben leiden können, wel-
cher eine Todesſtrafe unter den Römern war. Jeſus
ſollte aber nach dem Rathe Gottes gerade dieſe Todesart
ausſtehen, die mit ſo auſſerordentlicher Schmach, und be-
ſonders heftigen Schmerzen verbunden war. Sein Tod
würde zwar verſohnend geweſen ſeyn, wenn er wie der
Täufer Johannes enthauptet, oder wie Stephanus geſtei-
niget worden wäre. Allein wie konnten alsdann die Vor-
bilder erfüllt werden, die Jeſus ſelbſt auf ſeine Todesart
deutet? Joh. 3, 13. Wie konnte die Weiſſagung Da-
vids in Erfüllung gehen, da er ſo viele Jahrhunderte zu-
vor weiſſagte: daß ſich die Heideu wider den Meßiam
auflehnen, und zu Haufe ſammlen würden, daß
man ihm ſeine Hände und Füſſe durchgraben, und
um ſeine Kleider das Loos werfen würde? Pſ. 2,
2. Pſ.
22, 17. 19. Schon um dieſer Urſache willen war
es nothwendig, daß Jeſus den Kreuzestod ausſtehen, und
alſo unter den Heiden ſterben mußte. Allein bey reiferm
Nachdenken finde ich noch andere Gründe, welche mich
auf die Abſichten Gottes bey dieſem beſondern Leiden Jeſu
führen können. Der Tod des Erlöſers ſollte ihn allen
Augen zum Schauſpiel des Spottes darſtellen. Es ſollte
ein Tod ſeyn, durch welchen er alles ſein Blut vergöſſe:
durch welchen er ein Fluch für uns würde: wobey ſein
Leib unverſtümmelt bliebe, und bey welchem er durch ſein
Reden und durch ſein ganzes Bezeigen die wichtigſten Leh-

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[85/0107] Ueberantwortung Jeſu an die Heiden. Jeſu, als ſie einen gekreuzigten Heiland predigten, hier- auf als auf eine Sache berufen, welche ſowohl Heiden als Juden bekannt ſeyn mußte. Sie konnten Jeſum, den Gekreuzigten, beyden Nationen als ihren Heiland vorſtel- len, weil beyde zu ſeiner Hinrichtung die Hände einan- der geboten hatten. Wäre Jeſus unter den Händen der Juden geſtorben, ſo würde er nicht den Kreuzestod haben leiden können, wel- cher eine Todesſtrafe unter den Römern war. Jeſus ſollte aber nach dem Rathe Gottes gerade dieſe Todesart ausſtehen, die mit ſo auſſerordentlicher Schmach, und be- ſonders heftigen Schmerzen verbunden war. Sein Tod würde zwar verſohnend geweſen ſeyn, wenn er wie der Täufer Johannes enthauptet, oder wie Stephanus geſtei- niget worden wäre. Allein wie konnten alsdann die Vor- bilder erfüllt werden, die Jeſus ſelbſt auf ſeine Todesart deutet? Joh. 3, 13. Wie konnte die Weiſſagung Da- vids in Erfüllung gehen, da er ſo viele Jahrhunderte zu- vor weiſſagte: daß ſich die Heideu wider den Meßiam auflehnen, und zu Haufe ſammlen würden, daß man ihm ſeine Hände und Füſſe durchgraben, und um ſeine Kleider das Loos werfen würde? Pſ. 2, 2. Pſ. 22, 17. 19. Schon um dieſer Urſache willen war es nothwendig, daß Jeſus den Kreuzestod ausſtehen, und alſo unter den Heiden ſterben mußte. Allein bey reiferm Nachdenken finde ich noch andere Gründe, welche mich auf die Abſichten Gottes bey dieſem beſondern Leiden Jeſu führen können. Der Tod des Erlöſers ſollte ihn allen Augen zum Schauſpiel des Spottes darſtellen. Es ſollte ein Tod ſeyn, durch welchen er alles ſein Blut vergöſſe: durch welchen er ein Fluch für uns würde: wobey ſein Leib unverſtümmelt bliebe, und bey welchem er durch ſein Reden und durch ſein ganzes Bezeigen die wichtigſten Leh- ren F 3

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/107>, abgerufen am 21.11.2024.