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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Neunzehnte Betr. Erweis der gerechten etc.
zween Tage zuvor hatte Jesus gegen die Schüler der Pha-
risäer, und und gegen die Anhänger Herodis das Gegen-
theil von demjenigen bezeuget, was sie ihm hier zur Last
legten. Auf die Frage, obs auch recht sey, dem Kayser
Zins zu geben, hatte er ihnen eine solche Entscheidung ge-
geben, welche seine patriotische Gesinnung völlig offen-
bahrte. Gebet, sprach er, dem Kayser, was des
Kaysers ist, und Gotte, was Gottes ist.
Und nun
erfrechen sie sich das Gegentheil von demjenigen, was Je-
sus gesagt hatte, als eines seiner vornehmsten Verbrechen
vorzustellen.

Aber in welchem hellen Glanze strahlet hier die göttli-
che Unschuld meines Erlösers! So giftig die Lästerungen
seiner Feinde waren, so ist doch keine einzige, die seinen heili-
gen Lebenswandel betroffen hätte. Es war von der Bos-
heit seiner Feinde nicht zu erwarten, daß sie nur ein einzi-
ges Vergehen verschwiegen hätten, wodurch er sein Leben
befleckt hätte. Jetzt, da ihnen der Satan alles ins Herz
gab, wodurch sie die Unschuld Jesu kränken konnten, wür-
den sie unstreitig jeden Fehltritt, jede Uebereilung Jesu be-
gierig ergriffen, und sie sich zu Nutze gemacht haben. Al-
lein sein reines unbeflecktes Leben nöthigte sie, zu Lügen ihre
Zuflucht zu nehmen, und unerwiesene Lästerungen zum
Grund seiner Verurtheilung zu legen. Einen solchen Ho-
henpriester, der da wäre heilig, unschuldig, unbefleckt,
und von den Sündern abgesondert, mußte ich haben,
wenn ich von meiner Verschuldung loßgesprochen werden
sollte. Der Bürge meiner Missethaten mußte von keiner
einzigen Sünde befleckt seyn, wenn ich im Gerichte Got-
tes bestehen sollte. O wie freue ich mich deiner Unschuld,
mein leidender Mittler! Verzagen, ewig verzagen müßte
ich, wenn ich bey den Anklagen meines Gewissens nicht den
Trost wüßte, daß du vor Gott und Menschen unschuldig
befunden worden.

Zwanzigste

Neunzehnte Betr. Erweis der gerechten ꝛc.
zween Tage zuvor hatte Jeſus gegen die Schüler der Pha-
riſäer, und und gegen die Anhänger Herodis das Gegen-
theil von demjenigen bezeuget, was ſie ihm hier zur Laſt
legten. Auf die Frage, obs auch recht ſey, dem Kayſer
Zins zu geben, hatte er ihnen eine ſolche Entſcheidung ge-
geben, welche ſeine patriotiſche Geſinnung völlig offen-
bahrte. Gebet, ſprach er, dem Kayſer, was des
Kayſers iſt, und Gotte, was Gottes iſt.
Und nun
erfrechen ſie ſich das Gegentheil von demjenigen, was Je-
ſus geſagt hatte, als eines ſeiner vornehmſten Verbrechen
vorzuſtellen.

Aber in welchem hellen Glanze ſtrahlet hier die göttli-
che Unſchuld meines Erlöſers! So giftig die Läſterungen
ſeiner Feinde waren, ſo iſt doch keine einzige, die ſeinen heili-
gen Lebenswandel betroffen hätte. Es war von der Bos-
heit ſeiner Feinde nicht zu erwarten, daß ſie nur ein einzi-
ges Vergehen verſchwiegen hätten, wodurch er ſein Leben
befleckt hätte. Jetzt, da ihnen der Satan alles ins Herz
gab, wodurch ſie die Unſchuld Jeſu kränken konnten, wür-
den ſie unſtreitig jeden Fehltritt, jede Uebereilung Jeſu be-
gierig ergriffen, und ſie ſich zu Nutze gemacht haben. Al-
lein ſein reines unbeflecktes Leben nöthigte ſie, zu Lügen ihre
Zuflucht zu nehmen, und unerwieſene Läſterungen zum
Grund ſeiner Verurtheilung zu legen. Einen ſolchen Ho-
henprieſter, der da wäre heilig, unſchuldig, unbefleckt,
und von den Sündern abgeſondert, mußte ich haben,
wenn ich von meiner Verſchuldung loßgeſprochen werden
ſollte. Der Bürge meiner Miſſethaten mußte von keiner
einzigen Sünde befleckt ſeyn, wenn ich im Gerichte Got-
tes beſtehen ſollte. O wie freue ich mich deiner Unſchuld,
mein leidender Mittler! Verzagen, ewig verzagen müßte
ich, wenn ich bey den Anklagen meines Gewiſſens nicht den
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befunden worden.

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[90/0112] Neunzehnte Betr. Erweis der gerechten ꝛc. zween Tage zuvor hatte Jeſus gegen die Schüler der Pha- riſäer, und und gegen die Anhänger Herodis das Gegen- theil von demjenigen bezeuget, was ſie ihm hier zur Laſt legten. Auf die Frage, obs auch recht ſey, dem Kayſer Zins zu geben, hatte er ihnen eine ſolche Entſcheidung ge- geben, welche ſeine patriotiſche Geſinnung völlig offen- bahrte. Gebet, ſprach er, dem Kayſer, was des Kayſers iſt, und Gotte, was Gottes iſt. Und nun erfrechen ſie ſich das Gegentheil von demjenigen, was Je- ſus geſagt hatte, als eines ſeiner vornehmſten Verbrechen vorzuſtellen. Aber in welchem hellen Glanze ſtrahlet hier die göttli- che Unſchuld meines Erlöſers! So giftig die Läſterungen ſeiner Feinde waren, ſo iſt doch keine einzige, die ſeinen heili- gen Lebenswandel betroffen hätte. Es war von der Bos- heit ſeiner Feinde nicht zu erwarten, daß ſie nur ein einzi- ges Vergehen verſchwiegen hätten, wodurch er ſein Leben befleckt hätte. Jetzt, da ihnen der Satan alles ins Herz gab, wodurch ſie die Unſchuld Jeſu kränken konnten, wür- den ſie unſtreitig jeden Fehltritt, jede Uebereilung Jeſu be- gierig ergriffen, und ſie ſich zu Nutze gemacht haben. Al- lein ſein reines unbeflecktes Leben nöthigte ſie, zu Lügen ihre Zuflucht zu nehmen, und unerwieſene Läſterungen zum Grund ſeiner Verurtheilung zu legen. Einen ſolchen Ho- henprieſter, der da wäre heilig, unſchuldig, unbefleckt, und von den Sündern abgeſondert, mußte ich haben, wenn ich von meiner Verſchuldung loßgeſprochen werden ſollte. Der Bürge meiner Miſſethaten mußte von keiner einzigen Sünde befleckt ſeyn, wenn ich im Gerichte Got- tes beſtehen ſollte. O wie freue ich mich deiner Unſchuld, mein leidender Mittler! Verzagen, ewig verzagen müßte ich, wenn ich bey den Anklagen meines Gewiſſens nicht den Troſt wüßte, daß du vor Gott und Menſchen unſchuldig befunden worden. Zwanzigſte

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/112>, abgerufen am 21.11.2024.