Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.
Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschre- was
Sollte ſich doch der Himmel davor entſetzen, erſchre- was
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Drey und zwanzigſte Betrachtung.
loß gebe; wollt ihr nun, daß ich euch der Jüden König loß
gebe? Da ſchrieen ſie wieder alleſamt, und ſprachen: nicht
dieſen: ſondern Barrabam. Barrabas aber war ein Mörder.
Sollte ſich doch der Himmel davor entſetzen, erſchre-
cken und ſehr erbeben. Iſrael thut eine zwiefache
Sünde. Es errettet einen Böſewicht vom Tode,
und giebt den unſchuldigen Jeſum zum Tode dahin. Dem,
der Menſchenblut vergoſſen hatte, wird das Leben gerettet,
und dem, der ſo viele Kranke vom Tode befreyet hatte, wird
das Leben genommen. Der Böſewicht wird geduldet, und
der Unſchuldige wird vertilget. Man mag ſich dieſen
Fall ſo ſchrecklich gedenken, als es möglich iſt, ſo wird
man doch nicht im Stande ſeyn, das Verabſcheuungswür-
dige dieſer verruchten Handlung völlig einzuſehen. Es
bleibt allezeit eine Unmenſchlichkeit, wenn man die Unſchuld
der Bosheit ihrer Verfolger Preiß giebt; es iſt unter allen
Umſtänden eine himmelſchreyende Ungerechtigkeit, wenn
diejenigen, welche Beſchützer und Vertheidiger der Un-
ſchuld ſeyn ſollen, Werkzeuge ihrer Mißhandlungen wer-
den. Allein wenn der Frevel ſo weit getrieben wird, daß
man alle Geſetze der Billigkeit übertritt, um nur einem
Unſchuldigen ſchaden zu können: wenn man lieber die
Laſter begünſtigen, als der Tugend beyſpringen will: das
überſteigt alles, was von Grauſamkeit und Bosheit ge-
dacht werden kann. Und ſo handelten die Jüden gegen
den unſchuldigen Jeſum. Sie waren damit noch nicht
zufrieden, daß ſie ihn allen Mißhandlungen der Bosheit
überlieſſen, und die Werkzeuge ſeiner Verfolgung wur-
den. Sie giengen in ihrer Wuth noch weiter. Als es
darauf ankam, entweder einen Mörder oder einen Wohl-
thäter aus der Geſellſchaft der Menſchen zu vertilgen, ent-
weder Barrabam oder Jeſum aus dem Wege zu räumen:
was
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