Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Acht und zwanzigste Betrachtung. Seele verschmachtet? Was kann mich schadlos halten,wenn alle Güter von mir genommen werden? Ja, an diese Veränderung will ich besonders denken. So lange ich gesund und glücklich bin, so schätze ich deine Gegenwart so hoch nicht, als ich sie schätzen sollte. Aber es wird ein Augenblick kommen, wo ich alles vermissen kann, wo ich alles entbehren muß, nur dich nicht, nur den Trost dei- nes Verdienstes nicht. Ach, wie werde ich alsdann so sehnlich nach dir verlangen, wie werde ich deine Gnade so ängstlich suchen! Und wenn ich dann vergeblich sie such- te? Ach Jesu, wie elend würde ich seyn! Doch ich kehre zu meinem Jesu zurück. Dis ist also Ich
Acht und zwanzigſte Betrachtung. Seele verſchmachtet? Was kann mich ſchadlos halten,wenn alle Güter von mir genommen werden? Ja, an dieſe Veränderung will ich beſonders denken. So lange ich geſund und glücklich bin, ſo ſchätze ich deine Gegenwart ſo hoch nicht, als ich ſie ſchätzen ſollte. Aber es wird ein Augenblick kommen, wo ich alles vermiſſen kann, wo ich alles entbehren muß, nur dich nicht, nur den Troſt dei- nes Verdienſtes nicht. Ach, wie werde ich alsdann ſo ſehnlich nach dir verlangen, wie werde ich deine Gnade ſo ängſtlich ſuchen! Und wenn ich dann vergeblich ſie ſuch- te? Ach Jeſu, wie elend würde ich ſeyn! Doch ich kehre zu meinem Jeſu zurück. Dis iſt alſo Ich
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Acht und zwanzigſte Betrachtung.
Seele verſchmachtet? Was kann mich ſchadlos halten,
wenn alle Güter von mir genommen werden? Ja, an
dieſe Veränderung will ich beſonders denken. So lange
ich geſund und glücklich bin, ſo ſchätze ich deine Gegenwart
ſo hoch nicht, als ich ſie ſchätzen ſollte. Aber es wird ein
Augenblick kommen, wo ich alles vermiſſen kann, wo ich
alles entbehren muß, nur dich nicht, nur den Troſt dei-
nes Verdienſtes nicht. Ach, wie werde ich alsdann ſo
ſehnlich nach dir verlangen, wie werde ich deine Gnade ſo
ängſtlich ſuchen! Und wenn ich dann vergeblich ſie ſuch-
te? Ach Jeſu, wie elend würde ich ſeyn!
Doch ich kehre zu meinem Jeſu zurück. Dis iſt alſo
ſein letzter Gang, den er in ſeiner Niedrigkeit thut. Wie
viel ſaure Gänge muſte er während ſeiner Pilgerſchaft auf
der Welt übernehmen! Wie viel ſaure Reiſen hatten ihn
in ſeinem dreyßigjährigen Aufenthalte auf der Erde ermüdet!
Dieſer Gang war für ihn ohnſtreitig der allerbeſchwerlich-
ſte. Er war ganz ermattet von ſo vielen ausgeſtandnen
Plagen, und der Weg, den er gehen mußte, führte ihn
an den Ort des ſchmählichſten und ſchmerzlichſten Todes. —
Dieſes wird auch einmahl mein Schickſal ſeyn. Nach vie-
len mühſeligen Wegen, die ich auf der Welt zurückgelegt
habe, bleibt mir noch ein Gang übrig, welcher für mein
Fleiſch ſehr beſchwerlich ſeyn wird. Ich werde an den Ort
der Verweſung gehen müſſen, und welches noch wichtiger
iſt, vor den Richterſtuhl meines Gottes. Ich wünſchte,
daß ich mit ſo gelaſſenem Herzen aus der Welt gehen könn-
te, als Jeſus aus Jeruſalem gieng. Durch dich, kann ich
es thun, o Herzog der Seligkeit. Der Glaube an dich,
wird mich auf meinem letzten Wege ſtärken, daß ich nicht
zu Grunde gehe. Durch deinen Todesgang haſt du allen
denen Erleichterung erworben, welche, wie du, den Weg
durch das Todesthal thun müſſen.
Ich
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