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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Gnade Jesu gegen den bußfertigen Schächer.
der Veschaffenheit der zukünftigen Welt noch so dunkel und
unvollständig seyn: genug, daß ich weis, daß es meiner
Seele wohl ergehen wird; genug, daß ich versichert seyn
kann, der Ort, in welchen ich versetzt werde, werde ein
angenehmer, ein unendlich seliger Aufenthalt für mich seyn.
Ja, dis weis ich; und ohne Bekümmernis will ich den
letzten Augenblick erwarten. Ich habe Lust abzuscheiden
und bey Christo zu seyn.



Acht und dreyßigste Betrachtung.
Klage des gekreuzigten Jesu.
Matth. 27, 46.
Um die neunte Stunde rief Jesus laut, und sprach: Eli,
Eli, lama asabthani? das ist: mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen?

Diese Klage in dem Munde des Sohnes Gottes
hat etwas in sich, was uns in Verwunderung und
Erstaunen setzen muß. Aber desto mehr haben
wir Ursache, dieselbe zu beherzigen und sie zum Glauben
und zur Gottseligkeit anzuwenden. Auch dieser Umstand
kann uns überführen, daß der Tod Jesu Christi nicht der
Tod eines Unschuldigen, eines Patrioten, oder eines
Märtyrers war. Dergleichen Personen äuserten bey den
Quaalen des Todes eine unerschütterte Standhaftigkeit.
Man hörte aus ihrem Munde keine Klage. -- Sie
schätzten sich vielmehr glücklich, um Jesu Christi willen zu
leiden. Sie schienen bey den größten Schmerzen ruhig
und vergnügt zu seyn, und ohne sich über die Grausamkeit
ihres Schicksals zu beklagen, duldeten sie mit bewunderns-

wür-

Gnade Jeſu gegen den bußfertigen Schächer.
der Veſchaffenheit der zukünftigen Welt noch ſo dunkel und
unvollſtändig ſeyn: genug, daß ich weis, daß es meiner
Seele wohl ergehen wird; genug, daß ich verſichert ſeyn
kann, der Ort, in welchen ich verſetzt werde, werde ein
angenehmer, ein unendlich ſeliger Aufenthalt für mich ſeyn.
Ja, dis weis ich; und ohne Bekümmernis will ich den
letzten Augenblick erwarten. Ich habe Luſt abzuſcheiden
und bey Chriſto zu ſeyn.



Acht und dreyßigſte Betrachtung.
Klage des gekreuzigten Jeſu.
Matth. 27, 46.
Um die neunte Stunde rief Jeſus laut, und ſprach: Eli,
Eli, lama aſabthani? das iſt: mein Gott, mein Gott,
warum haſt du mich verlaſſen?

Dieſe Klage in dem Munde des Sohnes Gottes
hat etwas in ſich, was uns in Verwunderung und
Erſtaunen ſetzen muß. Aber deſto mehr haben
wir Urſache, dieſelbe zu beherzigen und ſie zum Glauben
und zur Gottſeligkeit anzuwenden. Auch dieſer Umſtand
kann uns überführen, daß der Tod Jeſu Chriſti nicht der
Tod eines Unſchuldigen, eines Patrioten, oder eines
Märtyrers war. Dergleichen Perſonen äuſerten bey den
Quaalen des Todes eine unerſchütterte Standhaftigkeit.
Man hörte aus ihrem Munde keine Klage. — Sie
ſchätzten ſich vielmehr glücklich, um Jeſu Chriſti willen zu
leiden. Sie ſchienen bey den größten Schmerzen ruhig
und vergnügt zu ſeyn, und ohne ſich über die Grauſamkeit
ihres Schickſals zu beklagen, duldeten ſie mit bewunderns-

wür-
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[171/0193] Gnade Jeſu gegen den bußfertigen Schächer. der Veſchaffenheit der zukünftigen Welt noch ſo dunkel und unvollſtändig ſeyn: genug, daß ich weis, daß es meiner Seele wohl ergehen wird; genug, daß ich verſichert ſeyn kann, der Ort, in welchen ich verſetzt werde, werde ein angenehmer, ein unendlich ſeliger Aufenthalt für mich ſeyn. Ja, dis weis ich; und ohne Bekümmernis will ich den letzten Augenblick erwarten. Ich habe Luſt abzuſcheiden und bey Chriſto zu ſeyn. Acht und dreyßigſte Betrachtung. Klage des gekreuzigten Jeſu. Matth. 27, 46. Um die neunte Stunde rief Jeſus laut, und ſprach: Eli, Eli, lama aſabthani? das iſt: mein Gott, mein Gott, warum haſt du mich verlaſſen? Dieſe Klage in dem Munde des Sohnes Gottes hat etwas in ſich, was uns in Verwunderung und Erſtaunen ſetzen muß. Aber deſto mehr haben wir Urſache, dieſelbe zu beherzigen und ſie zum Glauben und zur Gottſeligkeit anzuwenden. Auch dieſer Umſtand kann uns überführen, daß der Tod Jeſu Chriſti nicht der Tod eines Unſchuldigen, eines Patrioten, oder eines Märtyrers war. Dergleichen Perſonen äuſerten bey den Quaalen des Todes eine unerſchütterte Standhaftigkeit. Man hörte aus ihrem Munde keine Klage. — Sie ſchätzten ſich vielmehr glücklich, um Jeſu Chriſti willen zu leiden. Sie ſchienen bey den größten Schmerzen ruhig und vergnügt zu ſeyn, und ohne ſich über die Grauſamkeit ihres Schickſals zu beklagen, duldeten ſie mit bewunderns- wür-

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/193>, abgerufen am 18.06.2024.