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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Wunder bey dem Tode Jesu.

Dir danke ich es, o Fürst des Lebens, daß du dem
Tode die Macht genommen, und den Gräbern ihren Raub
entrissen hast. Dir danke ich es, daß, weil ich ein Glied
deines Leibes bin, ich auch dort mit dir und allen meinen
Brüdern in die süsseste Verbindung versetzt werden soll.



Drey und vierzigste Betrachtung.
Wirkung dieser Wunder bey den
Zuschauern.
Matth. 27, 54.
Aber der Hauptmann und die bey ihm waren, bewahrten Jesum.
Da sie sahen das Erdbeben, und was da geschah, erschracken
sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn
gewesen.

Und wie war es auch möglich, unter solchen Umstän-
den ungerührt zu bleiben? Wenn ich den schönen
Tod dieses Unschuldigen, und die Wunder, die auf
denselben folgten, bemerkt hätte, vielleicht würde ich noch
mehr empfunden, und grössere Zeichen der Rührung ent-
deckt haben. Was würde mich abgehalten haben, daß ich
mich nicht öffentlich für einen Jünger dieses Jesu erklärt
und andre ermuntert hätte, seine Jünger zu werden? --
Aber kenne ich mich recht? Ich sehe viererley Arten von
Zuschauern um das Kreuz Jesu stehen. Einige betrachten
ihn aus einer Neigung zur Grausamkeit; noch mehrere aus
Neugier. Wenige geben den Trieben des Mitleidens und

der
Wunder bey dem Tode Jeſu.

Dir danke ich es, o Fürſt des Lebens, daß du dem
Tode die Macht genommen, und den Gräbern ihren Raub
entriſſen haſt. Dir danke ich es, daß, weil ich ein Glied
deines Leibes bin, ich auch dort mit dir und allen meinen
Brüdern in die ſüſſeſte Verbindung verſetzt werden ſoll.



Drey und vierzigſte Betrachtung.
Wirkung dieſer Wunder bey den
Zuſchauern.
Matth. 27, 54.
Aber der Hauptmann und die bey ihm waren, bewahrten Jeſum.
Da ſie ſahen das Erdbeben, und was da geſchah, erſchracken
ſie ſehr und ſprachen: Wahrlich, dieſer iſt Gottes Sohn
geweſen.

Und wie war es auch möglich, unter ſolchen Umſtän-
den ungerührt zu bleiben? Wenn ich den ſchönen
Tod dieſes Unſchuldigen, und die Wunder, die auf
denſelben folgten, bemerkt hätte, vielleicht würde ich noch
mehr empfunden, und gröſſere Zeichen der Rührung ent-
deckt haben. Was würde mich abgehalten haben, daß ich
mich nicht öffentlich für einen Jünger dieſes Jeſu erklärt
und andre ermuntert hätte, ſeine Jünger zu werden? —
Aber kenne ich mich recht? Ich ſehe viererley Arten von
Zuſchauern um das Kreuz Jeſu ſtehen. Einige betrachten
ihn aus einer Neigung zur Grauſamkeit; noch mehrere aus
Neugier. Wenige geben den Trieben des Mitleidens und

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[191/0213] Wunder bey dem Tode Jeſu. Dir danke ich es, o Fürſt des Lebens, daß du dem Tode die Macht genommen, und den Gräbern ihren Raub entriſſen haſt. Dir danke ich es, daß, weil ich ein Glied deines Leibes bin, ich auch dort mit dir und allen meinen Brüdern in die ſüſſeſte Verbindung verſetzt werden ſoll. Drey und vierzigſte Betrachtung. Wirkung dieſer Wunder bey den Zuſchauern. Matth. 27, 54. Aber der Hauptmann und die bey ihm waren, bewahrten Jeſum. Da ſie ſahen das Erdbeben, und was da geſchah, erſchracken ſie ſehr und ſprachen: Wahrlich, dieſer iſt Gottes Sohn geweſen. Und wie war es auch möglich, unter ſolchen Umſtän- den ungerührt zu bleiben? Wenn ich den ſchönen Tod dieſes Unſchuldigen, und die Wunder, die auf denſelben folgten, bemerkt hätte, vielleicht würde ich noch mehr empfunden, und gröſſere Zeichen der Rührung ent- deckt haben. Was würde mich abgehalten haben, daß ich mich nicht öffentlich für einen Jünger dieſes Jeſu erklärt und andre ermuntert hätte, ſeine Jünger zu werden? — Aber kenne ich mich recht? Ich ſehe viererley Arten von Zuſchauern um das Kreuz Jeſu ſtehen. Einige betrachten ihn aus einer Neigung zur Grauſamkeit; noch mehrere aus Neugier. Wenige geben den Trieben des Mitleidens und der

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/213>, abgerufen am 18.06.2024.