ther, der unter ihnen gegenwärtig war, und dessen ruch- lose Absicht er genau wußte.
Praktische Anmerkungen.
1. Es ist unsre Schuldigkeit, in welchen Stand uns auch die Vorsehung gesetzt haben mag, uns zu den aufrichtigsten Lie- besdiensten und Gefälligkeiten gegen unsre Mitbrüder herab- zulassen.
2. Bey der so sehr eingeschränkten Kraft unsers Verstandes, ist es nicht jederzeit möglich, die Absicht und den Ausgang der Führungen Gottes einzusehen.
3. Gott pfleget bisweilen sich geringscheinender Mittel bey seiner Regierung zu bedienen; allein wir können jederzeit ver- sichert seyn, daß er herrliche Absichten mit uns im Sinne habe.
4. Auch die redlichsten Seelen können in Zweifel und Unruhe über die Wege Gottes gerathen.
7. Erklärung des Fußwaschens.
Nachdem Jesus seinen Jüngern die Füsse gewaschen und sein Oberkleid wieder um sich geworfen hatte, so legte er sich wieder zu Tische nieder. Allein da er bemerkte, wie wenig seine Jünger die Absicht dieser Handlung einsahen, so suchte er auch in diesem Stücke sie von ihren Vorur- theilen zu befreyen und ihre Einsichten zu bessern. Habt ihr wohl, sprach er, die Absicht meiner Handlung be- griffen? Ihr seyd gewohnt, mich Lehrer und Herr zu nennen. Ich tadle es nicht: denn ich bin euer Lehrer, ich bin euer Herr. Allein lernet an meinem Beyspiele, was ihr als Schüler und Knechte zu thun schuldig seyd. Habe ich, als euer Herr und Lehrer, mich nicht geschämet, euch die Füsse zu wa- schen; wie könnet ihr es für eine Erniedrigung hal- ten, einander die Füsse zu waschen, ich will sagen,
euch
Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten
ther, der unter ihnen gegenwärtig war, und deſſen ruch- loſe Abſicht er genau wußte.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Es iſt unſre Schuldigkeit, in welchen Stand uns auch die Vorſehung geſetzt haben mag, uns zu den aufrichtigſten Lie- besdienſten und Gefälligkeiten gegen unſre Mitbrüder herab- zulaſſen.
2. Bey der ſo ſehr eingeſchränkten Kraft unſers Verſtandes, iſt es nicht jederzeit möglich, die Abſicht und den Ausgang der Führungen Gottes einzuſehen.
3. Gott pfleget bisweilen ſich geringſcheinender Mittel bey ſeiner Regierung zu bedienen; allein wir können jederzeit ver- ſichert ſeyn, daß er herrliche Abſichten mit uns im Sinne habe.
4. Auch die redlichſten Seelen können in Zweifel und Unruhe über die Wege Gottes gerathen.
7. Erklärung des Fußwaſchens.
Nachdem Jeſus ſeinen Jüngern die Füſſe gewaſchen und ſein Oberkleid wieder um ſich geworfen hatte, ſo legte er ſich wieder zu Tiſche nieder. Allein da er bemerkte, wie wenig ſeine Jünger die Abſicht dieſer Handlung einſahen, ſo ſuchte er auch in dieſem Stücke ſie von ihren Vorur- theilen zu befreyen und ihre Einſichten zu beſſern. Habt ihr wohl, ſprach er, die Abſicht meiner Handlung be- griffen? Ihr ſeyd gewohnt, mich Lehrer und Herr zu nennen. Ich tadle es nicht: denn ich bin euer Lehrer, ich bin euer Herr. Allein lernet an meinem Beyſpiele, was ihr als Schüler und Knechte zu thun ſchuldig ſeyd. Habe ich, als euer Herr und Lehrer, mich nicht geſchämet, euch die Füſſe zu wa- ſchen; wie könnet ihr es für eine Erniedrigung hal- ten, einander die Füſſe zu waſchen, ich will ſagen,
euch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0228"n="206"/><fwplace="top"type="header">Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten</fw><lb/>
ther, der unter ihnen gegenwärtig war, und deſſen ruch-<lb/>
loſe Abſicht er genau wußte.</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#fr">Praktiſche Anmerkungen.</hi></head><lb/><p>1. Es iſt unſre Schuldigkeit, in welchen Stand uns auch<lb/>
die Vorſehung geſetzt haben mag, uns zu den aufrichtigſten Lie-<lb/>
besdienſten und Gefälligkeiten gegen unſre Mitbrüder herab-<lb/>
zulaſſen.</p><lb/><p>2. Bey der ſo ſehr eingeſchränkten Kraft unſers Verſtandes,<lb/>
iſt es nicht jederzeit möglich, die Abſicht und den Ausgang der<lb/>
Führungen Gottes einzuſehen.</p><lb/><p>3. Gott pfleget bisweilen ſich geringſcheinender Mittel bey<lb/>ſeiner Regierung zu bedienen; allein wir können jederzeit ver-<lb/>ſichert ſeyn, daß er herrliche Abſichten mit uns im Sinne<lb/>
habe.</p><lb/><p>4. Auch die redlichſten Seelen können in Zweifel und Unruhe<lb/>
über die Wege Gottes gerathen.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>7. Erklärung des Fußwaſchens.</head><lb/><p>Nachdem Jeſus ſeinen Jüngern die Füſſe gewaſchen<lb/>
und ſein Oberkleid wieder um ſich geworfen hatte, ſo legte<lb/>
er ſich wieder zu Tiſche nieder. Allein da er bemerkte, wie<lb/>
wenig ſeine Jünger die Abſicht dieſer Handlung einſahen,<lb/>ſo ſuchte er auch in dieſem Stücke ſie von ihren Vorur-<lb/>
theilen zu befreyen und ihre Einſichten zu beſſern. <hirendition="#fr">Habt<lb/>
ihr wohl, ſprach er, die Abſicht meiner Handlung be-<lb/>
griffen? Ihr ſeyd gewohnt, mich Lehrer und Herr<lb/>
zu nennen. Ich tadle es nicht: denn ich bin euer<lb/>
Lehrer, ich bin euer Herr.</hi> Allein lernet an meinem<lb/>
Beyſpiele, was ihr als Schüler und Knechte zu<lb/>
thun ſchuldig ſeyd. Habe ich, als euer Herr und<lb/>
Lehrer, mich nicht geſchämet, euch die Füſſe zu wa-<lb/>ſchen; wie könnet ihr es für eine Erniedrigung hal-<lb/>
ten, einander die Füſſe zu waſchen, ich will ſagen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">euch</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[206/0228]
Erſt. Abſchn. Von einigen Begebenheiten
ther, der unter ihnen gegenwärtig war, und deſſen ruch-
loſe Abſicht er genau wußte.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Es iſt unſre Schuldigkeit, in welchen Stand uns auch
die Vorſehung geſetzt haben mag, uns zu den aufrichtigſten Lie-
besdienſten und Gefälligkeiten gegen unſre Mitbrüder herab-
zulaſſen.
2. Bey der ſo ſehr eingeſchränkten Kraft unſers Verſtandes,
iſt es nicht jederzeit möglich, die Abſicht und den Ausgang der
Führungen Gottes einzuſehen.
3. Gott pfleget bisweilen ſich geringſcheinender Mittel bey
ſeiner Regierung zu bedienen; allein wir können jederzeit ver-
ſichert ſeyn, daß er herrliche Abſichten mit uns im Sinne
habe.
4. Auch die redlichſten Seelen können in Zweifel und Unruhe
über die Wege Gottes gerathen.
7. Erklärung des Fußwaſchens.
Nachdem Jeſus ſeinen Jüngern die Füſſe gewaſchen
und ſein Oberkleid wieder um ſich geworfen hatte, ſo legte
er ſich wieder zu Tiſche nieder. Allein da er bemerkte, wie
wenig ſeine Jünger die Abſicht dieſer Handlung einſahen,
ſo ſuchte er auch in dieſem Stücke ſie von ihren Vorur-
theilen zu befreyen und ihre Einſichten zu beſſern. Habt
ihr wohl, ſprach er, die Abſicht meiner Handlung be-
griffen? Ihr ſeyd gewohnt, mich Lehrer und Herr
zu nennen. Ich tadle es nicht: denn ich bin euer
Lehrer, ich bin euer Herr. Allein lernet an meinem
Beyſpiele, was ihr als Schüler und Knechte zu
thun ſchuldig ſeyd. Habe ich, als euer Herr und
Lehrer, mich nicht geſchämet, euch die Füſſe zu wa-
ſchen; wie könnet ihr es für eine Erniedrigung hal-
ten, einander die Füſſe zu waſchen, ich will ſagen,
euch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/228>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.