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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zweyter Abschnitt.
Nacht es dreymal abläugnen, mein Jünger zu seyn.
Allein Petrus versicherte noch theurer: und wenn ich
auch mit dir zum Tode geführt werden sollte, so
will ich dennoch nicht dir untreu werden.

Praktische Anmerkungen.

1. Je näher die Zeit meiner Leiden heranrückt, desto mehr muß
ich mich durch die Handlungen der Religion zu stärken suchen.

2. Wie oft bin ich durch mein Gewissen oder durch einen recht-
schafnen Freund vor gewissen Fehltritten gewarnt worden. Al-
lein ich habe aus vermessenem Vertrauen auf mich selbst oft alle
Warnungen verachtet, und dadurch mein Elend beschleuniget.

3. Tröstlich ist die gnädige Aufsicht Jesu, welche er über die
Seelen der Menschen hat.

4. Wie veränderlich ist das menschliche Herz! Wie bald kann
es seiner gelobten Treue vergessen!

2. Seelenleiden Jesu.

Unter diesen Reden war Jesus mit seinen Jüngern
über den Bach Kidron zu einem Landgute, Nahmens
Gethsemane, gekommen. Daselbst war ein Garten, in
welchen er oft zu gehen gewohnt war, wenn er sein Gebet
in der Stille verrichten wollte. Als er in demselben an-
gelanget war, so befahl er seinen Jüngern, so lange hier
zu bleiben, bis er an einem entfernteren Ort, den er ihnen
zeigte, sein Gebet verrichtet hätte. Er nahm auch nur
drey Jünger mit sich, nemlich den Petrus und die beiden
Söhne Zebedäi, den Jacobus und Johannes. Sogleich
gerieth er in die größte Bestürzung und Traurigkeit, so
gar, daß auch seine Glieder erschüttert wurden. Da sagte
er zu ihnen: Meine Seele ist bis auf den Tod äus-
serst betrübt. Bleibt hier, und wachet mit mir.

Praktische Anmerkungen.

1. So oft ich Handlungen vorhabe, welche meine Seligkeit
betreffen, will ich mich aus der Gesellschaft der Welt, ja selbst
meiner besten Freunde entfernen, und die Einsamkeit suchen.

2. Der

Zweyter Abſchnitt.
Nacht es dreymal abläugnen, mein Jünger zu ſeyn.
Allein Petrus verſicherte noch theurer: und wenn ich
auch mit dir zum Tode geführt werden ſollte, ſo
will ich dennoch nicht dir untreu werden.

Praktiſche Anmerkungen.

1. Je näher die Zeit meiner Leiden heranrückt, deſto mehr muß
ich mich durch die Handlungen der Religion zu ſtärken ſuchen.

2. Wie oft bin ich durch mein Gewiſſen oder durch einen recht-
ſchafnen Freund vor gewiſſen Fehltritten gewarnt worden. Al-
lein ich habe aus vermeſſenem Vertrauen auf mich ſelbſt oft alle
Warnungen verachtet, und dadurch mein Elend beſchleuniget.

3. Tröſtlich iſt die gnädige Aufſicht Jeſu, welche er über die
Seelen der Menſchen hat.

4. Wie veränderlich iſt das menſchliche Herz! Wie bald kann
es ſeiner gelobten Treue vergeſſen!

2. Seelenleiden Jeſu.

Unter dieſen Reden war Jeſus mit ſeinen Jüngern
über den Bach Kidron zu einem Landgute, Nahmens
Gethſemane, gekommen. Daſelbſt war ein Garten, in
welchen er oft zu gehen gewohnt war, wenn er ſein Gebet
in der Stille verrichten wollte. Als er in demſelben an-
gelanget war, ſo befahl er ſeinen Jüngern, ſo lange hier
zu bleiben, bis er an einem entfernteren Ort, den er ihnen
zeigte, ſein Gebet verrichtet hätte. Er nahm auch nur
drey Jünger mit ſich, nemlich den Petrus und die beiden
Söhne Zebedäi, den Jacobus und Johannes. Sogleich
gerieth er in die größte Beſtürzung und Traurigkeit, ſo
gar, daß auch ſeine Glieder erſchüttert wurden. Da ſagte
er zu ihnen: Meine Seele iſt bis auf den Tod äuſ-
ſerſt betrübt. Bleibt hier, und wachet mit mir.

Praktiſche Anmerkungen.

1. So oft ich Handlungen vorhabe, welche meine Seligkeit
betreffen, will ich mich aus der Geſellſchaft der Welt, ja ſelbſt
meiner beſten Freunde entfernen, und die Einſamkeit ſuchen.

2. Der
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[222/0244] Zweyter Abſchnitt. Nacht es dreymal abläugnen, mein Jünger zu ſeyn. Allein Petrus verſicherte noch theurer: und wenn ich auch mit dir zum Tode geführt werden ſollte, ſo will ich dennoch nicht dir untreu werden. Praktiſche Anmerkungen. 1. Je näher die Zeit meiner Leiden heranrückt, deſto mehr muß ich mich durch die Handlungen der Religion zu ſtärken ſuchen. 2. Wie oft bin ich durch mein Gewiſſen oder durch einen recht- ſchafnen Freund vor gewiſſen Fehltritten gewarnt worden. Al- lein ich habe aus vermeſſenem Vertrauen auf mich ſelbſt oft alle Warnungen verachtet, und dadurch mein Elend beſchleuniget. 3. Tröſtlich iſt die gnädige Aufſicht Jeſu, welche er über die Seelen der Menſchen hat. 4. Wie veränderlich iſt das menſchliche Herz! Wie bald kann es ſeiner gelobten Treue vergeſſen! 2. Seelenleiden Jeſu. Unter dieſen Reden war Jeſus mit ſeinen Jüngern über den Bach Kidron zu einem Landgute, Nahmens Gethſemane, gekommen. Daſelbſt war ein Garten, in welchen er oft zu gehen gewohnt war, wenn er ſein Gebet in der Stille verrichten wollte. Als er in demſelben an- gelanget war, ſo befahl er ſeinen Jüngern, ſo lange hier zu bleiben, bis er an einem entfernteren Ort, den er ihnen zeigte, ſein Gebet verrichtet hätte. Er nahm auch nur drey Jünger mit ſich, nemlich den Petrus und die beiden Söhne Zebedäi, den Jacobus und Johannes. Sogleich gerieth er in die größte Beſtürzung und Traurigkeit, ſo gar, daß auch ſeine Glieder erſchüttert wurden. Da ſagte er zu ihnen: Meine Seele iſt bis auf den Tod äuſ- ſerſt betrübt. Bleibt hier, und wachet mit mir. Praktiſche Anmerkungen. 1. So oft ich Handlungen vorhabe, welche meine Seligkeit betreffen, will ich mich aus der Geſellſchaft der Welt, ja ſelbſt meiner beſten Freunde entfernen, und die Einſamkeit ſuchen. 2. Der

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/244>, abgerufen am 18.06.2024.