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Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741.

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und ihrer Verhältniß
hierinn angedeyen lässet? Haben aber die Frauens
wohl Ursach sich durch eine ängstliche Furcht die
Sache schwehrer zu machen als sie ist? Die Ein-
bildungs-Kraft ist freylich oft etwas groß, und die
Vorstellungen lebhaft, aber undeutlich, wenn nun
eine schwangere Frau höret, daß es einer das Leben
gekostet, so stellet sie sich gar leicht ein gleiches Schick-
saal vor, weinet, ängstiget sich, setzt sich und die
Frucht in Gefahr, und will sich durch nichts ihre
höchst unwahrscheinliche Furcht lassen aus dem Sinn
reden. Es ist wahr, sie ist nicht ohne alle Gefahr,
aber die Gefahr ist lange nicht so groß als sie glau-
bet und fürchtet. Was würde man von einem
Menschen dencken, der sich halb todt freuen
und der schon Schlösser bauen wolte auf die
Hofnung die er hat, daß er in einem Spiel unter
70 den Gewinst ziehen würde? Das ist aber
eben der Fall bey Gebährerinnen, da unter 70
nur eine dem Tode zu Theile wird, den sie sich doch
aber wohl alle 70 mit gleicher Bangigkeit vorstellen.
Die gröste Furcht pflegen die Frauens vor der Ent-
bindung zu haben, in der Schwangerschaft dencken sie
so sehr nicht an die Gefahr, und nach der Entbindung
ist der Stein meist vom Hertzen weg, der sie gedrucket.
Allein sie haben noch weniger Ursach sich davor zu
fürchten. In der Wiener Liste sind die besonders
bemercket, die in der Arbeit der Geburth geblieben,
welches in denen andern Listen nicht geschehen, so
doch wegen eines nützlichen Schlusses auf die Ge-
schicklichkeit der Hebammen zu wünschen wäre. In
beiden Jahren 1738 und 39 sind in Wien in
schwehrer Geburth 27 gestorben, gebohren und ge-
tauft sind 11686, man könte für die unzeitig gebohr-

ne

und ihrer Verhaͤltniß
hierinn angedeyen laͤſſet? Haben aber die Frauens
wohl Urſach ſich durch eine aͤngſtliche Furcht die
Sache ſchwehrer zu machen als ſie iſt? Die Ein-
bildungs-Kraft iſt freylich oft etwas groß, und die
Vorſtellungen lebhaft, aber undeutlich, wenn nun
eine ſchwangere Frau hoͤret, daß es einer das Leben
gekoſtet, ſo ſtellet ſie ſich gar leicht ein gleiches Schick-
ſaal vor, weinet, aͤngſtiget ſich, ſetzt ſich und die
Frucht in Gefahr, und will ſich durch nichts ihre
hoͤchſt unwahrſcheinliche Furcht laſſen aus dem Sinn
reden. Es iſt wahr, ſie iſt nicht ohne alle Gefahr,
aber die Gefahr iſt lange nicht ſo groß als ſie glau-
bet und fuͤrchtet. Was wuͤrde man von einem
Menſchen dencken, der ſich halb todt freuen
und der ſchon Schloͤſſer bauen wolte auf die
Hofnung die er hat, daß er in einem Spiel unter
70 den Gewinſt ziehen wuͤrde? Das iſt aber
eben der Fall bey Gebaͤhrerinnen, da unter 70
nur eine dem Tode zu Theile wird, den ſie ſich doch
aber wohl alle 70 mit gleicher Bangigkeit vorſtellen.
Die groͤſte Furcht pflegen die Frauens vor der Ent-
bindung zu haben, in der Schwangerſchaft dencken ſie
ſo ſehr nicht an die Gefahr, und nach der Entbindung
iſt der Stein meiſt vom Hertzen weg, der ſie gedrucket.
Allein ſie haben noch weniger Urſach ſich davor zu
fuͤrchten. In der Wiener Liſte ſind die beſonders
bemercket, die in der Arbeit der Geburth geblieben,
welches in denen andern Liſten nicht geſchehen, ſo
doch wegen eines nuͤtzlichen Schluſſes auf die Ge-
ſchicklichkeit der Hebammen zu wuͤnſchen waͤre. In
beiden Jahren 1738 und 39 ſind in Wien in
ſchwehrer Geburth 27 geſtorben, gebohren und ge-
tauft ſind 11686, man koͤnte fuͤr die unzeitig gebohr-

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[303/0351] und ihrer Verhaͤltniß hierinn angedeyen laͤſſet? Haben aber die Frauens wohl Urſach ſich durch eine aͤngſtliche Furcht die Sache ſchwehrer zu machen als ſie iſt? Die Ein- bildungs-Kraft iſt freylich oft etwas groß, und die Vorſtellungen lebhaft, aber undeutlich, wenn nun eine ſchwangere Frau hoͤret, daß es einer das Leben gekoſtet, ſo ſtellet ſie ſich gar leicht ein gleiches Schick- ſaal vor, weinet, aͤngſtiget ſich, ſetzt ſich und die Frucht in Gefahr, und will ſich durch nichts ihre hoͤchſt unwahrſcheinliche Furcht laſſen aus dem Sinn reden. Es iſt wahr, ſie iſt nicht ohne alle Gefahr, aber die Gefahr iſt lange nicht ſo groß als ſie glau- bet und fuͤrchtet. Was wuͤrde man von einem Menſchen dencken, der ſich halb todt freuen und der ſchon Schloͤſſer bauen wolte auf die Hofnung die er hat, daß er in einem Spiel unter 70 den Gewinſt ziehen wuͤrde? Das iſt aber eben der Fall bey Gebaͤhrerinnen, da unter 70 nur eine dem Tode zu Theile wird, den ſie ſich doch aber wohl alle 70 mit gleicher Bangigkeit vorſtellen. Die groͤſte Furcht pflegen die Frauens vor der Ent- bindung zu haben, in der Schwangerſchaft dencken ſie ſo ſehr nicht an die Gefahr, und nach der Entbindung iſt der Stein meiſt vom Hertzen weg, der ſie gedrucket. Allein ſie haben noch weniger Urſach ſich davor zu fuͤrchten. In der Wiener Liſte ſind die beſonders bemercket, die in der Arbeit der Geburth geblieben, welches in denen andern Liſten nicht geſchehen, ſo doch wegen eines nuͤtzlichen Schluſſes auf die Ge- ſchicklichkeit der Hebammen zu wuͤnſchen waͤre. In beiden Jahren 1738 und 39 ſind in Wien in ſchwehrer Geburth 27 geſtorben, gebohren und ge- tauft ſind 11686, man koͤnte fuͤr die unzeitig gebohr- ne

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Zitationshilfe: Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/351>, abgerufen am 22.11.2024.