Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. der nicht ein Kaufmann ist, von dem Volke für einenEngländer gehalten. Nach der Vorstellung des Pöbels sind sie alle Mylords. Hiebey fällt mir ein, daß mein Postillon einsmals in einem Gespräch mit einem Wirth eines englischen Lords erwähnte, den er auch durch diese Straße geführt habe. Der Wirth, der nur von Mylords wußte, fragte den Postillon, was denn ein Lord für ein Herr sey. Dieser schien über diese Frage erst etwas verlegen zu seyn, sagte aber doch endlich ganz zuversichtlich, ein Lord sey ein vornehmer Herr, etwas mehr als ein Mylord, und der vornehmste in England. Den 31 October. Reise von Marseille nach Hieres. Das kalte Wetter trieb mich von Marseille weg, Von Marseille aus fährt man eine gute MeileWeg von gütern
gethanen Reiſe. der nicht ein Kaufmann iſt, von dem Volke fuͤr einenEnglaͤnder gehalten. Nach der Vorſtellung des Poͤbels ſind ſie alle Mylords. Hiebey faͤllt mir ein, daß mein Poſtillon einsmals in einem Geſpraͤch mit einem Wirth eines engliſchen Lords erwaͤhnte, den er auch durch dieſe Straße gefuͤhrt habe. Der Wirth, der nur von Mylords wußte, fragte den Poſtillon, was denn ein Lord fuͤr ein Herr ſey. Dieſer ſchien uͤber dieſe Frage erſt etwas verlegen zu ſeyn, ſagte aber doch endlich ganz zuverſichtlich, ein Lord ſey ein vornehmer Herr, etwas mehr als ein Mylord, und der vornehmſte in England. Den 31 October. Reiſe von Marſeille nach Hieres. Das kalte Wetter trieb mich von Marſeille weg, Von Marſeille aus faͤhrt man eine gute MeileWeg von guͤtern
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/> der nicht ein Kaufmann iſt, von dem Volke fuͤr einen<lb/> Englaͤnder gehalten. Nach der Vorſtellung des<lb/> Poͤbels ſind ſie alle Mylords. Hiebey faͤllt mir ein,<lb/> daß mein Poſtillon einsmals in einem Geſpraͤch mit<lb/> einem Wirth eines engliſchen Lords erwaͤhnte, den er<lb/> auch durch dieſe Straße gefuͤhrt habe. Der Wirth,<lb/> der nur von Mylords wußte, fragte den Poſtillon,<lb/> was denn ein Lord fuͤr ein Herr ſey. Dieſer ſchien<lb/> uͤber dieſe Frage erſt etwas verlegen zu ſeyn, ſagte<lb/> aber doch endlich ganz zuverſichtlich, ein Lord ſey ein<lb/> vornehmer Herr, etwas mehr als ein Mylord, und<lb/> der vornehmſte in England.</p> </div><lb/> <div type="diaryEntry" n="2"> <head>Den 31 October. Reiſe von <hi rendition="#fr">Marſeille</hi> nach<lb/><hi rendition="#fr">Hieres.</hi></head><lb/> <p>Das kalte Wetter trieb mich von <hi rendition="#fr">Marſeille</hi> weg,<lb/> und ich ſehnte mich doch auch nach der Ruhe in einer<lb/> warmen Gegend. Jch miethete einen Kutſcher, der<lb/> mich in einem Tage nach <hi rendition="#fr">Hieres</hi> bringen ſollte; da<lb/> man gewoͤhnlich anderthalb Tage dazu nimmt, und<lb/> die Nacht in <hi rendition="#fr">Toulon</hi> bleibet. Weil ich mir aber<lb/> vorgenommen hatte, dieſe Stadt von <hi rendition="#fr">Hieres</hi> aus<lb/> zu beſuchen, ſo wollte ich ſie diesmal vorbeygehen.</p><lb/> <p>Von <hi rendition="#fr">Marſeille</hi> aus faͤhrt man eine gute Meile<note place="right">Weg von<lb/> Marſeille<lb/> nach Toulon<lb/> und Hieres.</note><lb/> weit zwiſchen ziemlich hohen Gartenmauern, die keine<lb/> Ausſicht verſtatten. Die Anzahl der kleinern und<lb/> groͤßern Landhaͤuſer, oder <hi rendition="#fr">Baſtides,</hi> um <hi rendition="#fr">Marſeille</hi><lb/> herum, iſt erſtaunlich groß, und belaͤuft ſich auf viele<lb/> Tauſende. Die meiſten davon ſind nicht groß, ha-<lb/> ben auch nur kleine Gaͤrten ohne Schatten, und noch<lb/> etwa ein wenig Weinland mit Olivenbaͤumen beſetzt.<lb/> Nur zur Seltenheit ſiehet man in dieſen kleinen Land-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">guͤtern</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0143]
gethanen Reiſe.
der nicht ein Kaufmann iſt, von dem Volke fuͤr einen
Englaͤnder gehalten. Nach der Vorſtellung des
Poͤbels ſind ſie alle Mylords. Hiebey faͤllt mir ein,
daß mein Poſtillon einsmals in einem Geſpraͤch mit
einem Wirth eines engliſchen Lords erwaͤhnte, den er
auch durch dieſe Straße gefuͤhrt habe. Der Wirth,
der nur von Mylords wußte, fragte den Poſtillon,
was denn ein Lord fuͤr ein Herr ſey. Dieſer ſchien
uͤber dieſe Frage erſt etwas verlegen zu ſeyn, ſagte
aber doch endlich ganz zuverſichtlich, ein Lord ſey ein
vornehmer Herr, etwas mehr als ein Mylord, und
der vornehmſte in England.
Den 31 October. Reiſe von Marſeille nach
Hieres.
Das kalte Wetter trieb mich von Marſeille weg,
und ich ſehnte mich doch auch nach der Ruhe in einer
warmen Gegend. Jch miethete einen Kutſcher, der
mich in einem Tage nach Hieres bringen ſollte; da
man gewoͤhnlich anderthalb Tage dazu nimmt, und
die Nacht in Toulon bleibet. Weil ich mir aber
vorgenommen hatte, dieſe Stadt von Hieres aus
zu beſuchen, ſo wollte ich ſie diesmal vorbeygehen.
Von Marſeille aus faͤhrt man eine gute Meile
weit zwiſchen ziemlich hohen Gartenmauern, die keine
Ausſicht verſtatten. Die Anzahl der kleinern und
groͤßern Landhaͤuſer, oder Baſtides, um Marſeille
herum, iſt erſtaunlich groß, und belaͤuft ſich auf viele
Tauſende. Die meiſten davon ſind nicht groß, ha-
ben auch nur kleine Gaͤrten ohne Schatten, und noch
etwa ein wenig Weinland mit Olivenbaͤumen beſetzt.
Nur zur Seltenheit ſiehet man in dieſen kleinen Land-
guͤtern
Weg von
Marſeille
nach Toulon
und Hieres.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |