Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza gestorbener Bäume werden zu Brennholz gehauen undin die Stadt verkauft. Die wenigen Reiser, die der Landmann für sich behält, sind zu seiner Nothdurft hinreichend. Denn es wird nicht nur im Winter kein Zimmer geheizt, sondern auch zum täglichen Gebrau- che sieht man selten einen Schorstein rauchen. Das Brod läßt der Bauer in der Stadt backen, und so braucht er fast gar kein Holz. Demnach tragen die hiesigen Güter etwas Korn Alles Land, worauf gesät und gepflanzt wird, be- An den meisten Orten habe ich das Getraide sehr An dieser Landwirthschaft finde ich folgendes aus- einer
Tagebuch von einer nach Nizza geſtorbener Baͤume werden zu Brennholz gehauen undin die Stadt verkauft. Die wenigen Reiſer, die der Landmann fuͤr ſich behaͤlt, ſind zu ſeiner Nothdurft hinreichend. Denn es wird nicht nur im Winter kein Zimmer geheizt, ſondern auch zum taͤglichen Gebrau- che ſieht man ſelten einen Schorſtein rauchen. Das Brod laͤßt der Bauer in der Stadt backen, und ſo braucht er faſt gar kein Holz. Demnach tragen die hieſigen Guͤter etwas Korn Alles Land, worauf geſaͤt und gepflanzt wird, be- An den meiſten Orten habe ich das Getraide ſehr An dieſer Landwirthſchaft finde ich folgendes aus- einer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0226" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/> geſtorbener Baͤume werden zu Brennholz gehauen und<lb/> in die Stadt verkauft. Die wenigen Reiſer, die der<lb/> Landmann fuͤr ſich behaͤlt, ſind zu ſeiner Nothdurft<lb/> hinreichend. Denn es wird nicht nur im Winter kein<lb/> Zimmer geheizt, ſondern auch zum taͤglichen Gebrau-<lb/> che ſieht man ſelten einen Schorſtein rauchen. Das<lb/> Brod laͤßt der Bauer in der Stadt backen, und ſo<lb/> braucht er faſt gar kein Holz.</p><lb/> <p>Demnach tragen die hieſigen Guͤter etwas Korn<lb/> und Bohnen, etwas Wein, Obſt, oder auch Seide<lb/> und einige Gartengewaͤchſe; der Hauptertrag aber iſt<lb/> das Oel. Sehr ſelten ſieht man ein Stuͤckchen Land<lb/> mit Hanf oder Flachs beſtellt. An weiter in die<lb/> Berge hinein liegenden Orten findet man ganze Wein-<lb/> berge und betraͤchtliche Olivenwaͤlder; und dorthin<lb/> ſind die Guͤter auch meiſtentheils groͤßer.</p><lb/> <p>Alles Land, worauf geſaͤt und gepflanzt wird, be-<lb/> arbeitet der Bauer mit einer ſehr breiten Hacke, wo-<lb/> mit er es wenigſtens anderthalb Fuß tief umgraͤbt.<lb/> Von den Beeten, in die das Land eingetheilt iſt, wird<lb/> jaͤhrlich eins von zweyen geduͤngt. Das Geduͤngte<lb/> wird mit Getraide beſaͤt, das andre mit Bohnen be-<lb/> pflanzt, und damit wird jaͤhrlich abgewechſelt.</p><lb/> <p>An den meiſten Orten habe ich das Getraide ſehr<lb/> ſchoͤn gefunden. Auf den Ebenen fand ich es hier und<lb/> da außerordentlich ſchoͤn, und ſo fett, daß man den<lb/> Waizen beynahe fuͤr Schilfrohr haͤtte halten koͤnnen.<lb/> Auf dem beſten Lande ſoll die Erndte die Saat funf-<lb/> zehnfaͤltig wieder geben.</p><lb/> <p>An dieſer Landwirthſchaft finde ich folgendes aus-<lb/> zuſetzen. Erſtlich ſcheint es mir ſehr uͤbel gethan, daß<lb/> die Haͤlfte des Landes mit Saubohnen beſtellt wird,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">einer</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0226]
Tagebuch von einer nach Nizza
geſtorbener Baͤume werden zu Brennholz gehauen und
in die Stadt verkauft. Die wenigen Reiſer, die der
Landmann fuͤr ſich behaͤlt, ſind zu ſeiner Nothdurft
hinreichend. Denn es wird nicht nur im Winter kein
Zimmer geheizt, ſondern auch zum taͤglichen Gebrau-
che ſieht man ſelten einen Schorſtein rauchen. Das
Brod laͤßt der Bauer in der Stadt backen, und ſo
braucht er faſt gar kein Holz.
Demnach tragen die hieſigen Guͤter etwas Korn
und Bohnen, etwas Wein, Obſt, oder auch Seide
und einige Gartengewaͤchſe; der Hauptertrag aber iſt
das Oel. Sehr ſelten ſieht man ein Stuͤckchen Land
mit Hanf oder Flachs beſtellt. An weiter in die
Berge hinein liegenden Orten findet man ganze Wein-
berge und betraͤchtliche Olivenwaͤlder; und dorthin
ſind die Guͤter auch meiſtentheils groͤßer.
Alles Land, worauf geſaͤt und gepflanzt wird, be-
arbeitet der Bauer mit einer ſehr breiten Hacke, wo-
mit er es wenigſtens anderthalb Fuß tief umgraͤbt.
Von den Beeten, in die das Land eingetheilt iſt, wird
jaͤhrlich eins von zweyen geduͤngt. Das Geduͤngte
wird mit Getraide beſaͤt, das andre mit Bohnen be-
pflanzt, und damit wird jaͤhrlich abgewechſelt.
An den meiſten Orten habe ich das Getraide ſehr
ſchoͤn gefunden. Auf den Ebenen fand ich es hier und
da außerordentlich ſchoͤn, und ſo fett, daß man den
Waizen beynahe fuͤr Schilfrohr haͤtte halten koͤnnen.
Auf dem beſten Lande ſoll die Erndte die Saat funf-
zehnfaͤltig wieder geben.
An dieſer Landwirthſchaft finde ich folgendes aus-
zuſetzen. Erſtlich ſcheint es mir ſehr uͤbel gethan, daß
die Haͤlfte des Landes mit Saubohnen beſtellt wird,
einer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |