Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.gethanen Reise. einer Frucht, die, so lange die Bohne grün ist, zwargut schmeckt, aber getrocknet eine der rauhesten Spei- sen ist, die ich kenne. Jch habe mir diese Haupt- speise des hiesigen Landmannes einmal kochen lassen, konnte sie aber durchaus nicht essen. Dies Volk ist aber so in diese elende Kost verliebt, daß gar viele solche Bohnen gekocht in den Taschen tragen, um, so oft ihnen die Lust ankommt, davon zu essen. Jch ha- be auch gesehen, daß sie den Bettlern auf der Straße etwas davon statt eines Almosens geben. Erbsen oder Pataten wären meiner Meinung nach weit vorzügli- cher anzubauen. Zweytens ist die Verabsäumung des Obstes ein großer Fehler. Wenn die Bäume ge- pfropft und ordentlich geschnitten würden, könnte man einen weit vortheilhaftern Ertrag davon erwarten. Drittens zeiget der hiesige Landmann sogar in Anse- hung des Hauptartikels, nämlich des Oels, große Nachläßigkeit. Er läßt die Olivenbäume ebenfalls wild aufwachsen, und hilft ihnen sehr selten durch Be- schneiden oder durch Ausputzen *). Daher die Oli- ven hier durchgehends sehr viel kleiner sind als in der Provence. An rauhen Orten habe ich sie so klein als die kleinste wilde Vogelkirsche, auch sogar nicht größer als Erbsen gesehen. Ungemein ärgerlich aber war es mir zu sehen, daß Sie *) Es scheinet, daß diese Leute noch so wie die Ein-
wohner auf Minorca denken, die sich noch nicht ha- ben einfallen lassen, ihre Fruchtbäume zu beschneiden. Wenn man mit ihnen davon spricht, so sagen sie: Gott wisse am besten, wie ein Baum wachsen solle. S. Arm- strongs Beschr. von Minorca. gethanen Reiſe. einer Frucht, die, ſo lange die Bohne gruͤn iſt, zwargut ſchmeckt, aber getrocknet eine der rauheſten Spei- ſen iſt, die ich kenne. Jch habe mir dieſe Haupt- ſpeiſe des hieſigen Landmannes einmal kochen laſſen, konnte ſie aber durchaus nicht eſſen. Dies Volk iſt aber ſo in dieſe elende Koſt verliebt, daß gar viele ſolche Bohnen gekocht in den Taſchen tragen, um, ſo oft ihnen die Luſt ankommt, davon zu eſſen. Jch ha- be auch geſehen, daß ſie den Bettlern auf der Straße etwas davon ſtatt eines Almoſens geben. Erbſen oder Pataten waͤren meiner Meinung nach weit vorzuͤgli- cher anzubauen. Zweytens iſt die Verabſaͤumung des Obſtes ein großer Fehler. Wenn die Baͤume ge- pfropft und ordentlich geſchnitten wuͤrden, koͤnnte man einen weit vortheilhaftern Ertrag davon erwarten. Drittens zeiget der hieſige Landmann ſogar in Anſe- hung des Hauptartikels, naͤmlich des Oels, große Nachlaͤßigkeit. Er laͤßt die Olivenbaͤume ebenfalls wild aufwachſen, und hilft ihnen ſehr ſelten durch Be- ſchneiden oder durch Ausputzen *). Daher die Oli- ven hier durchgehends ſehr viel kleiner ſind als in der Provence. An rauhen Orten habe ich ſie ſo klein als die kleinſte wilde Vogelkirſche, auch ſogar nicht groͤßer als Erbſen geſehen. Ungemein aͤrgerlich aber war es mir zu ſehen, daß Sie *) Es ſcheinet, daß dieſe Leute noch ſo wie die Ein-
wohner auf Minorca denken, die ſich noch nicht ha- ben einfallen laſſen, ihre Fruchtbaͤume zu beſchneiden. Wenn man mit ihnen davon ſpricht, ſo ſagen ſie: Gott wiſſe am beſten, wie ein Baum wachſen ſolle. S. Arm- ſtrongs Beſchr. von Minorca. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0227" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/> einer Frucht, die, ſo lange die Bohne gruͤn iſt, zwar<lb/> gut ſchmeckt, aber getrocknet eine der rauheſten Spei-<lb/> ſen iſt, die ich kenne. Jch habe mir dieſe Haupt-<lb/> ſpeiſe des hieſigen Landmannes einmal kochen laſſen,<lb/> konnte ſie aber durchaus nicht eſſen. Dies Volk iſt<lb/> aber ſo in dieſe elende Koſt verliebt, daß gar viele<lb/> ſolche Bohnen gekocht in den Taſchen tragen, um, ſo<lb/> oft ihnen die Luſt ankommt, davon zu eſſen. Jch ha-<lb/> be auch geſehen, daß ſie den Bettlern auf der Straße<lb/> etwas davon ſtatt eines Almoſens geben. Erbſen oder<lb/> Pataten waͤren meiner Meinung nach weit vorzuͤgli-<lb/> cher anzubauen. Zweytens iſt die Verabſaͤumung des<lb/> Obſtes ein großer Fehler. Wenn die Baͤume ge-<lb/> pfropft und ordentlich geſchnitten wuͤrden, koͤnnte man<lb/> einen weit vortheilhaftern Ertrag davon erwarten.<lb/> Drittens zeiget der hieſige Landmann ſogar in Anſe-<lb/> hung des Hauptartikels, naͤmlich des Oels, große<lb/> Nachlaͤßigkeit. Er laͤßt die Olivenbaͤume ebenfalls<lb/> wild aufwachſen, und hilft ihnen ſehr ſelten durch Be-<lb/> ſchneiden oder durch Ausputzen <note place="foot" n="*)">Es ſcheinet, daß dieſe Leute noch ſo wie die Ein-<lb/> wohner auf Minorca denken, die ſich noch nicht ha-<lb/> ben einfallen laſſen, ihre Fruchtbaͤume zu beſchneiden.<lb/> Wenn man mit ihnen davon ſpricht, ſo ſagen ſie: Gott<lb/> wiſſe am beſten, wie ein Baum wachſen ſolle. S. Arm-<lb/> ſtrongs Beſchr. von Minorca.</note>. Daher die Oli-<lb/> ven hier durchgehends ſehr viel kleiner ſind als in der<lb/> Provence. An rauhen Orten habe ich ſie ſo klein als<lb/> die kleinſte wilde Vogelkirſche, auch ſogar nicht groͤßer<lb/> als Erbſen geſehen.</p><lb/> <p>Ungemein aͤrgerlich aber war es mir zu ſehen, daß<lb/> der Landmann ſo gar viel Oliven umkommen laͤßt.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0227]
gethanen Reiſe.
einer Frucht, die, ſo lange die Bohne gruͤn iſt, zwar
gut ſchmeckt, aber getrocknet eine der rauheſten Spei-
ſen iſt, die ich kenne. Jch habe mir dieſe Haupt-
ſpeiſe des hieſigen Landmannes einmal kochen laſſen,
konnte ſie aber durchaus nicht eſſen. Dies Volk iſt
aber ſo in dieſe elende Koſt verliebt, daß gar viele
ſolche Bohnen gekocht in den Taſchen tragen, um, ſo
oft ihnen die Luſt ankommt, davon zu eſſen. Jch ha-
be auch geſehen, daß ſie den Bettlern auf der Straße
etwas davon ſtatt eines Almoſens geben. Erbſen oder
Pataten waͤren meiner Meinung nach weit vorzuͤgli-
cher anzubauen. Zweytens iſt die Verabſaͤumung des
Obſtes ein großer Fehler. Wenn die Baͤume ge-
pfropft und ordentlich geſchnitten wuͤrden, koͤnnte man
einen weit vortheilhaftern Ertrag davon erwarten.
Drittens zeiget der hieſige Landmann ſogar in Anſe-
hung des Hauptartikels, naͤmlich des Oels, große
Nachlaͤßigkeit. Er laͤßt die Olivenbaͤume ebenfalls
wild aufwachſen, und hilft ihnen ſehr ſelten durch Be-
ſchneiden oder durch Ausputzen *). Daher die Oli-
ven hier durchgehends ſehr viel kleiner ſind als in der
Provence. An rauhen Orten habe ich ſie ſo klein als
die kleinſte wilde Vogelkirſche, auch ſogar nicht groͤßer
als Erbſen geſehen.
Ungemein aͤrgerlich aber war es mir zu ſehen, daß
der Landmann ſo gar viel Oliven umkommen laͤßt.
Sie
*) Es ſcheinet, daß dieſe Leute noch ſo wie die Ein-
wohner auf Minorca denken, die ſich noch nicht ha-
ben einfallen laſſen, ihre Fruchtbaͤume zu beſchneiden.
Wenn man mit ihnen davon ſpricht, ſo ſagen ſie: Gott
wiſſe am beſten, wie ein Baum wachſen ſolle. S. Arm-
ſtrongs Beſchr. von Minorca.
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