Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.Tagebuch von einer nach Nizza lebt, weil täglich eine Menge desselben in Schläuchenvon Bocksfellen auf Eseln nach der Stadt gebracht wird. An verschiedenen Orten der Stadt und auf allen Wegen vor derselben stehen die Aufkäufer des Oels, um jede Ladung zu kosten, und was ihnen an- steht, zu kaufen. Dieses Oel ist natürlicher Weise hellgelb. Das was nach Norden, besonders nach Dänemark bestimmt ist, wird in offenen Gefäßen an der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe so klar als Wasser; aber es verliert in der Güte. Das zweyte Landesgut, was ganz ausgeführt Pommeran- zen. Von den hier wachsenden Limonen und Pommeran- aus
Tagebuch von einer nach Nizza lebt, weil taͤglich eine Menge deſſelben in Schlaͤuchenvon Bocksfellen auf Eſeln nach der Stadt gebracht wird. An verſchiedenen Orten der Stadt und auf allen Wegen vor derſelben ſtehen die Aufkaͤufer des Oels, um jede Ladung zu koſten, und was ihnen an- ſteht, zu kaufen. Dieſes Oel iſt natuͤrlicher Weiſe hellgelb. Das was nach Norden, beſonders nach Daͤnemark beſtimmt iſt, wird in offenen Gefaͤßen an der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe ſo klar als Waſſer; aber es verliert in der Guͤte. Das zweyte Landesgut, was ganz ausgefuͤhrt Pommeran- zen. Von den hier wachſenden Limonen und Pommeran- aus
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0234" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von einer nach Nizza</hi></fw><lb/> lebt, weil taͤglich eine Menge deſſelben in Schlaͤuchen<lb/> von Bocksfellen auf Eſeln nach der Stadt gebracht<lb/> wird. An verſchiedenen Orten der Stadt und auf<lb/> allen Wegen vor derſelben ſtehen die Aufkaͤufer des<lb/> Oels, um jede Ladung zu koſten, und was ihnen an-<lb/> ſteht, zu kaufen. Dieſes Oel iſt natuͤrlicher Weiſe<lb/> hellgelb. Das was nach <hi rendition="#fr">Norden,</hi> beſonders nach<lb/><hi rendition="#fr">Daͤnemark</hi> beſtimmt iſt, wird in offenen Gefaͤßen an<lb/> der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe ſo<lb/> klar als Waſſer; aber es verliert in der Guͤte.</p><lb/> <note place="left">Seide.</note> <p>Das zweyte Landesgut, was ganz ausgefuͤhrt<lb/> wird, iſt die Seide. Sie wird aber hier nicht haͤu-<lb/> fig gezogen; und es ſchien mir, daß die Einwohner<lb/> in dieſem Punkte zu nachlaͤßig ſeyen. Es iſt in der<lb/> That ſeltſam und widerſinnig, daß das rauhe Land an<lb/> den Bergen mit der aͤußerſten Sparſamkeit zu den<lb/> Olivenbaͤumen genutzt, das gute und fettere Land der<lb/> Ebenen aber nur nachlaͤßig zur Maulbeerbaumpflanzung<lb/> gebraucht wird. Vielleicht liegt der Grund davon in<lb/> der allgemeinen Traͤgheit der Menſchen, ſich durch Ein-<lb/> fuͤhrung neuer Arbeit neues Nachdenken und neue Sor-<lb/> gen zu machen. Denn die Cultur der Olivenbaͤume iſt oh-<lb/> ne Zweifel hier uralt, und ſchon zu den Zeiten der ehe-<lb/> mals hier wohnenden Griechen, wenigſtens der Roͤ-<lb/> mer, eingefuͤhrt geweſen. Aber der Seidenbau iſt<lb/> hier in neuern Zeiten aufgekommen. Den hier ein-<lb/> gezogenen zuverlaͤßigſten Nachrichten zufolge, wird<lb/> jaͤhrlich etwa fuͤr 150000 Lire rohe Seide aus <hi rendition="#fr">Nizza</hi><lb/> ausgefuͤhrt.</p><lb/> <note place="left">Limonen und<lb/> Pommeran-<lb/> zen.</note> <p>Von den hier wachſenden Limonen und Pommeran-<lb/> zen wird auch bey weitem der groͤßte Theil aus dem Lan-<lb/> de geſchickt. Die Wichtigkeit dieſes Artikels kann man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [214/0234]
Tagebuch von einer nach Nizza
lebt, weil taͤglich eine Menge deſſelben in Schlaͤuchen
von Bocksfellen auf Eſeln nach der Stadt gebracht
wird. An verſchiedenen Orten der Stadt und auf
allen Wegen vor derſelben ſtehen die Aufkaͤufer des
Oels, um jede Ladung zu koſten, und was ihnen an-
ſteht, zu kaufen. Dieſes Oel iſt natuͤrlicher Weiſe
hellgelb. Das was nach Norden, beſonders nach
Daͤnemark beſtimmt iſt, wird in offenen Gefaͤßen an
der Sonne gebleicht, und wird alsdenn beynahe ſo
klar als Waſſer; aber es verliert in der Guͤte.
Das zweyte Landesgut, was ganz ausgefuͤhrt
wird, iſt die Seide. Sie wird aber hier nicht haͤu-
fig gezogen; und es ſchien mir, daß die Einwohner
in dieſem Punkte zu nachlaͤßig ſeyen. Es iſt in der
That ſeltſam und widerſinnig, daß das rauhe Land an
den Bergen mit der aͤußerſten Sparſamkeit zu den
Olivenbaͤumen genutzt, das gute und fettere Land der
Ebenen aber nur nachlaͤßig zur Maulbeerbaumpflanzung
gebraucht wird. Vielleicht liegt der Grund davon in
der allgemeinen Traͤgheit der Menſchen, ſich durch Ein-
fuͤhrung neuer Arbeit neues Nachdenken und neue Sor-
gen zu machen. Denn die Cultur der Olivenbaͤume iſt oh-
ne Zweifel hier uralt, und ſchon zu den Zeiten der ehe-
mals hier wohnenden Griechen, wenigſtens der Roͤ-
mer, eingefuͤhrt geweſen. Aber der Seidenbau iſt
hier in neuern Zeiten aufgekommen. Den hier ein-
gezogenen zuverlaͤßigſten Nachrichten zufolge, wird
jaͤhrlich etwa fuͤr 150000 Lire rohe Seide aus Nizza
ausgefuͤhrt.
Von den hier wachſenden Limonen und Pommeran-
zen wird auch bey weitem der groͤßte Theil aus dem Lan-
de geſchickt. Die Wichtigkeit dieſes Artikels kann man
aus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |