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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
sicht auf die Vollkommenheit der Kunst unter die vor-
züglichsten Ueberbleibsel des Alterthums zu rechnen sind;
nur Schade, daß es meist bloße Fragmente sind.
Unter diesen sind zwey von ehemals herrlichen Wer-
ken. Ein kleines Bruchstück von einem Kopfe von
gegossenem Metall, das die Nase, die Augenbraunen
und die Unterlippe enthält, und ohne Zweifel von ei-
nem Jupiterskopfe von hohem Styl weit über Le-
bensgröße ist. Das andere ist ein Fuß von einem
metallenen Pferde von großer Schönheit in Lebens-
größe. Für die ägyptischen Alterthümer ist bey dem
Museo ein besonderes Zimmer, darin die berühmte
Tabula isiaca das Hauptstück ist. Jn eben die-
sem Zimmer ist eine weibliche Büste von Basalt, auf
der einige Charaktere eingegraben sind, die nach Des
Guignes
Meinung die Uebereinstimmung der ägypti-
schen Schrift mit der chinesischen beweisen sollen. Mir
schien sowohl die Arbeit an dieser Büste, besonders
aber die Art der Charaktere, das Alterthum dieses
Stücks verdächtig zu machen.

Für die Bibliothek sind jährlich 2700 Lire be-
stimmt. Jn einem besondern dazu gehörigen Zimmer
wird ein sehr schönes gemaltes Herbarium aufbehalten,
darin alle in dem botanischen Garten gezogene Pflan-
zen unter der Aufsicht des berühmten Allione mit gros-
sem Fleiß abgezeichnet und gemalt werden. Gegen-
wärtig ist die Sammlung dieser Abbildungen schon
auf etliche zwanzig Bände in Folio angewachsen. Sie
wird aber noch immer vermehret, so wie der Garten
neue Pflanzen bekommt. Der Maler, der die mei-
sten dieser Abbildungen gemacht hat, heißt Peyro-
leri,
arbeitet jetzt wenig mehr, genießt aber doch ein

Jahr-

von Nizza nach Deutſchland.
ſicht auf die Vollkommenheit der Kunſt unter die vor-
zuͤglichſten Ueberbleibſel des Alterthums zu rechnen ſind;
nur Schade, daß es meiſt bloße Fragmente ſind.
Unter dieſen ſind zwey von ehemals herrlichen Wer-
ken. Ein kleines Bruchſtuͤck von einem Kopfe von
gegoſſenem Metall, das die Naſe, die Augenbraunen
und die Unterlippe enthaͤlt, und ohne Zweifel von ei-
nem Jupiterskopfe von hohem Styl weit uͤber Le-
bensgroͤße iſt. Das andere iſt ein Fuß von einem
metallenen Pferde von großer Schoͤnheit in Lebens-
groͤße. Fuͤr die aͤgyptiſchen Alterthuͤmer iſt bey dem
Muſeo ein beſonderes Zimmer, darin die beruͤhmte
Tabula iſiaca das Hauptſtuͤck iſt. Jn eben die-
ſem Zimmer iſt eine weibliche Buͤſte von Baſalt, auf
der einige Charaktere eingegraben ſind, die nach Des
Guignes
Meinung die Uebereinſtimmung der aͤgypti-
ſchen Schrift mit der chineſiſchen beweiſen ſollen. Mir
ſchien ſowohl die Arbeit an dieſer Buͤſte, beſonders
aber die Art der Charaktere, das Alterthum dieſes
Stuͤcks verdaͤchtig zu machen.

Fuͤr die Bibliothek ſind jaͤhrlich 2700 Lire be-
ſtimmt. Jn einem beſondern dazu gehoͤrigen Zimmer
wird ein ſehr ſchoͤnes gemaltes Herbarium aufbehalten,
darin alle in dem botaniſchen Garten gezogene Pflan-
zen unter der Aufſicht des beruͤhmten Allione mit groſ-
ſem Fleiß abgezeichnet und gemalt werden. Gegen-
waͤrtig iſt die Sammlung dieſer Abbildungen ſchon
auf etliche zwanzig Baͤnde in Folio angewachſen. Sie
wird aber noch immer vermehret, ſo wie der Garten
neue Pflanzen bekommt. Der Maler, der die mei-
ſten dieſer Abbildungen gemacht hat, heißt Peyro-
leri,
arbeitet jetzt wenig mehr, genießt aber doch ein

Jahr-
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[315/0335] von Nizza nach Deutſchland. ſicht auf die Vollkommenheit der Kunſt unter die vor- zuͤglichſten Ueberbleibſel des Alterthums zu rechnen ſind; nur Schade, daß es meiſt bloße Fragmente ſind. Unter dieſen ſind zwey von ehemals herrlichen Wer- ken. Ein kleines Bruchſtuͤck von einem Kopfe von gegoſſenem Metall, das die Naſe, die Augenbraunen und die Unterlippe enthaͤlt, und ohne Zweifel von ei- nem Jupiterskopfe von hohem Styl weit uͤber Le- bensgroͤße iſt. Das andere iſt ein Fuß von einem metallenen Pferde von großer Schoͤnheit in Lebens- groͤße. Fuͤr die aͤgyptiſchen Alterthuͤmer iſt bey dem Muſeo ein beſonderes Zimmer, darin die beruͤhmte Tabula iſiaca das Hauptſtuͤck iſt. Jn eben die- ſem Zimmer iſt eine weibliche Buͤſte von Baſalt, auf der einige Charaktere eingegraben ſind, die nach Des Guignes Meinung die Uebereinſtimmung der aͤgypti- ſchen Schrift mit der chineſiſchen beweiſen ſollen. Mir ſchien ſowohl die Arbeit an dieſer Buͤſte, beſonders aber die Art der Charaktere, das Alterthum dieſes Stuͤcks verdaͤchtig zu machen. Fuͤr die Bibliothek ſind jaͤhrlich 2700 Lire be- ſtimmt. Jn einem beſondern dazu gehoͤrigen Zimmer wird ein ſehr ſchoͤnes gemaltes Herbarium aufbehalten, darin alle in dem botaniſchen Garten gezogene Pflan- zen unter der Aufſicht des beruͤhmten Allione mit groſ- ſem Fleiß abgezeichnet und gemalt werden. Gegen- waͤrtig iſt die Sammlung dieſer Abbildungen ſchon auf etliche zwanzig Baͤnde in Folio angewachſen. Sie wird aber noch immer vermehret, ſo wie der Garten neue Pflanzen bekommt. Der Maler, der die mei- ſten dieſer Abbildungen gemacht hat, heißt Peyro- leri, arbeitet jetzt wenig mehr, genießt aber doch ein Jahr-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/335>, abgerufen am 24.11.2024.