Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Auf
liest der Tonsetzer:

Komm | Doris | komm zu | jenen | Buchen.
S. Takt, Zeiten.
Aufschrift.
(Beredsamkeit.)

Eine kurze Rede, wodurch eine merkwürdige Sa-
che auf einem Denkmal ausgedrukt wird. (S.
Denkmal.) Man kann die Aufschrift, ob sie gleich
nicht nothwendig in Versen gemacht wird, als eine
besondre Art des Sinngedichtes ansehen, und sie
ein Sinngedicht zu einem Denkmal nennen. Die
Aufschrift soll, ihrer Absicht gemäß, etwas ganz
merkwürdiges, auf die kürzeste und nachdrüklichste
Weise sagen. Sie gehört deswegen unter die
Werke, deren Wichtigkeit man nicht nach ihrer
Größe schätzen soll; dann es ist ofte schweerer eine
vollkommene Aufschrift, als eine große Rede zu
machen. Eine weitläuftige Sache durch wenige
Meisterzüge bezeichnen, durch wenig Worte viel
sagen, ist in redenden Künsten gerade das schwee-
reste. Da man weder Beschreibungen, noch
ausgeführte Bilder brauchen kann, die Einbil-
dungskraft stark zu rühren, so müssen die wenigen
Ausdrüke, von der größten Fruchtbarkeit, Stärke
und Einfalt seyn. Es kann nur einem recht guten
Genie gelingen, eine vollkommene Aufschrift zu ma-
chen, und noch gehört ein glüklicher Augenblik dazu.
Wie viel man auch in der kürzesten Aufschrift sagen
könne, siehet man aus der, welche Poußin auf
das Grabmal einer Schäferin in einem berühmten
Gemählde gesezt hat: Auch ich war in Arcadien.
(*) Refle-
xions sur
la posie et
la peintu-
re T. I.
Sect. VI.
Man lese nach, was der Abt dü Bos (*) hierüber
angemerkt hat.

Die Alten waren oft sehr glüklich in Aufschriften,
und denen, welche in dieser Art zu arbeiten haben,
ist zu rathen, daß sie die Aufschriften, welche Pau-
sanias
in seiner Beschreibung Griechenlands aufbe-
halten hat, die welche man in den griechischen An-
tologien
findet, auch die besten von denen, die man
aus alten Denkmälern gesammlet hat, fleißig stu-
diren.

Außer der sinnreichen Erfindung wird auch
ein vollkommener Ausdruk zu der Aufschrift erfo-
dert. Er muß Einfalt, Stärke, Kürze verbinden,
und von sehr gutem Wolklang seyn, damit er
desto gewisser im Gedächtniß bleibe. Wo es angeht,
sollte die Aufschrift in Versen seyn, in halben Ver-
[Spaltenumbruch]

Auf
sen, in ganzen einzeln, in zweyen oder vieren, die
man Hemistichia, Distichia, Tetrasticha, nennt.
(S. Vers.) Weil man aber in einer so sehr kur-
zen Rede wenig Freyheit hat, so geht dieses nicht
allemal an. Anstatt der Verse muß man die Rede
in kurze, wol ins Gehör fallende, Sätze eintheilen.
Es ist daher eine besondre Schreibart für die Auf-
schriften entstanden, welche man den Stylum lapi-
darem
nennt. Als ein Muster einer guten Auf-
schrift, kann die angeführt werden, welche auf der
bey Murten in der Schweiz stehenden Capelle, da-
rin die Gebeine der dort in der bekannten Schlacht
gebliebenen Burgunder zusammen gelegt sind, zu
lesen ist.

DFO. OPT. MAX.
CAROLI INCYTI FORTISSIMI DUCIS BUR-
GUNDIAE EXERCITUS MURATUM
OBSIDENS AB HELVETIIS CAESUS
HOC SUI MONUMENTUM RELIQUIT.

Wegen der edlen Einfalt verdienet auch die Auf-
schrift an dem Jnvalidenhaus bey Berlin angeführt
zu werden: LAESO ET INVICTO MILITI. Hin-
gegen ist auf einem der größten öffentlichen Gebäude
dieser Stadt eine deutsche Anfschrift, die einem
Handwerksmanne zur Schande gereichen würde.

Man hat bisweilen die Frage aufgeworfen, ob
es nicht wolgethan wäre, wenn die Mahler ihre
Werke, nach Art der Denkmäler, durch Aufschriften
erläuterten. Es läßt sich leicht sehen, daß ein
Gemählde dadurch sehr viel gewinnen kann. (*)(*) S.
du Bos Re-
flex. etc. T.
I. sect.
13.

Aber es ist schweer sie so schiklich anzubringen, als
Poußin in dem angeführten Fall es gethan hat.
Doch sind sehr viel Wege dazu. Sie können
auf Gebäude, auf Denkmäler, auf Gefäße, und
andre Nebensachen des Gemähldes angebracht
werden. Wem ein Kupferstich von Fueßli, der
1768. in London heraus gekommen ist, darauf
Dion wie er in Sirakusa ein Gespenst sieht, vor-
gestellt wird, zu Gesichte kommt, der kann darauf
vielerley gute Wege, Aufschriften anzubringen, auf
einmal sehen. Die Sache ist wichtig, und verdie-
net eine genaue Ueberlegung.

Auftritt.
(Schauspiel.)

Der Theil der dramatischen Handlung, der unun-
terbrochen von denselbigen Personen behandelt wird.
Ein Auftritt ist zu Ende, und ein neuer fängt an,

so bald

[Spaltenumbruch]

Auf
lieſt der Tonſetzer:

Komm | Doris | komm zu | jenen | Buchen.
S. Takt, Zeiten.
Aufſchrift.
(Beredſamkeit.)

Eine kurze Rede, wodurch eine merkwuͤrdige Sa-
che auf einem Denkmal ausgedrukt wird. (S.
Denkmal.) Man kann die Aufſchrift, ob ſie gleich
nicht nothwendig in Verſen gemacht wird, als eine
beſondre Art des Sinngedichtes anſehen, und ſie
ein Sinngedicht zu einem Denkmal nennen. Die
Aufſchrift ſoll, ihrer Abſicht gemaͤß, etwas ganz
merkwuͤrdiges, auf die kuͤrzeſte und nachdruͤklichſte
Weiſe ſagen. Sie gehoͤrt deswegen unter die
Werke, deren Wichtigkeit man nicht nach ihrer
Groͤße ſchaͤtzen ſoll; dann es iſt ofte ſchweerer eine
vollkommene Aufſchrift, als eine große Rede zu
machen. Eine weitlaͤuftige Sache durch wenige
Meiſterzuͤge bezeichnen, durch wenig Worte viel
ſagen, iſt in redenden Kuͤnſten gerade das ſchwee-
reſte. Da man weder Beſchreibungen, noch
ausgefuͤhrte Bilder brauchen kann, die Einbil-
dungskraft ſtark zu ruͤhren, ſo muͤſſen die wenigen
Ausdruͤke, von der groͤßten Fruchtbarkeit, Staͤrke
und Einfalt ſeyn. Es kann nur einem recht guten
Genie gelingen, eine vollkommene Aufſchrift zu ma-
chen, und noch gehoͤrt ein gluͤklicher Augenblik dazu.
Wie viel man auch in der kuͤrzeſten Aufſchrift ſagen
koͤnne, ſiehet man aus der, welche Poußin auf
das Grabmal einer Schaͤferin in einem beruͤhmten
Gemaͤhlde geſezt hat: Auch ich war in Arcadien.
(*) Refle-
xions ſur
la poſie et
la peintu-
re T. I.
Sect. VI.
Man leſe nach, was der Abt duͤ Bos (*) hieruͤber
angemerkt hat.

Die Alten waren oft ſehr gluͤklich in Aufſchriften,
und denen, welche in dieſer Art zu arbeiten haben,
iſt zu rathen, daß ſie die Aufſchriften, welche Pau-
ſanias
in ſeiner Beſchreibung Griechenlands aufbe-
halten hat, die welche man in den griechiſchen An-
tologien
findet, auch die beſten von denen, die man
aus alten Denkmaͤlern geſammlet hat, fleißig ſtu-
diren.

Außer der ſinnreichen Erfindung wird auch
ein vollkommener Ausdruk zu der Aufſchrift erfo-
dert. Er muß Einfalt, Staͤrke, Kuͤrze verbinden,
und von ſehr gutem Wolklang ſeyn, damit er
deſto gewiſſer im Gedaͤchtniß bleibe. Wo es angeht,
ſollte die Aufſchrift in Verſen ſeyn, in halben Ver-
[Spaltenumbruch]

Auf
ſen, in ganzen einzeln, in zweyen oder vieren, die
man Hemiſtichia, Diſtichia, Tetraſticha, nennt.
(S. Vers.) Weil man aber in einer ſo ſehr kur-
zen Rede wenig Freyheit hat, ſo geht dieſes nicht
allemal an. Anſtatt der Verſe muß man die Rede
in kurze, wol ins Gehoͤr fallende, Saͤtze eintheilen.
Es iſt daher eine beſondre Schreibart fuͤr die Auf-
ſchriften entſtanden, welche man den Stylum lapi-
darem
nennt. Als ein Muſter einer guten Auf-
ſchrift, kann die angefuͤhrt werden, welche auf der
bey Murten in der Schweiz ſtehenden Capelle, da-
rin die Gebeine der dort in der bekannten Schlacht
gebliebenen Burgunder zuſammen gelegt ſind, zu
leſen iſt.

DFO. OPT. MAX.
CAROLI INCYTI FORTISSIMI DUCIS BUR-
GUNDIAE EXERCITUS MURATUM
OBSIDENS AB HELVETIIS CAESUS
HOC SUI MONUMENTUM RELIQUIT.

Wegen der edlen Einfalt verdienet auch die Auf-
ſchrift an dem Jnvalidenhaus bey Berlin angefuͤhrt
zu werden: LAESO ET INVICTO MILITI. Hin-
gegen iſt auf einem der groͤßten oͤffentlichen Gebaͤude
dieſer Stadt eine deutſche Anfſchrift, die einem
Handwerksmanne zur Schande gereichen wuͤrde.

Man hat bisweilen die Frage aufgeworfen, ob
es nicht wolgethan waͤre, wenn die Mahler ihre
Werke, nach Art der Denkmaͤler, durch Aufſchriften
erlaͤuterten. Es laͤßt ſich leicht ſehen, daß ein
Gemaͤhlde dadurch ſehr viel gewinnen kann. (*)(*) S.
du Bos Re-
flex. etc. T.
I. ſect.
13.

Aber es iſt ſchweer ſie ſo ſchiklich anzubringen, als
Poußin in dem angefuͤhrten Fall es gethan hat.
Doch ſind ſehr viel Wege dazu. Sie koͤnnen
auf Gebaͤude, auf Denkmaͤler, auf Gefaͤße, und
andre Nebenſachen des Gemaͤhldes angebracht
werden. Wem ein Kupferſtich von Fueßli, der
1768. in London heraus gekommen iſt, darauf
Dion wie er in Sirakuſa ein Geſpenſt ſieht, vor-
geſtellt wird, zu Geſichte kommt, der kann darauf
vielerley gute Wege, Aufſchriften anzubringen, auf
einmal ſehen. Die Sache iſt wichtig, und verdie-
net eine genaue Ueberlegung.

Auftritt.
(Schauſpiel.)

Der Theil der dramatiſchen Handlung, der unun-
terbrochen von denſelbigen Perſonen behandelt wird.
Ein Auftritt iſt zu Ende, und ein neuer faͤngt an,

ſo bald
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="90"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Auf</hi></fw><lb/>
lie&#x017F;t der Ton&#x017F;etzer:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>Komm | Doris | komm zu | jenen | Buchen.<lb/>
S. Takt, Zeiten.</quote>
          </cit>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Auf&#x017F;chrift.</hi><lb/>
(Bered&#x017F;amkeit.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ine kurze Rede, wodurch eine merkwu&#x0364;rdige Sa-<lb/>
che auf einem Denkmal ausgedrukt wird. (S.<lb/>
Denkmal.) Man kann die Auf&#x017F;chrift, ob &#x017F;ie gleich<lb/>
nicht nothwendig in Ver&#x017F;en gemacht wird, als eine<lb/>
be&#x017F;ondre Art des <hi rendition="#fr">Sinngedichtes</hi> an&#x017F;ehen, und &#x017F;ie<lb/>
ein Sinngedicht zu einem Denkmal nennen. Die<lb/>
Auf&#x017F;chrift &#x017F;oll, ihrer Ab&#x017F;icht gema&#x0364;ß, etwas ganz<lb/>
merkwu&#x0364;rdiges, auf die ku&#x0364;rze&#x017F;te und nachdru&#x0364;klich&#x017F;te<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;agen. Sie geho&#x0364;rt deswegen unter die<lb/>
Werke, deren Wichtigkeit man nicht nach ihrer<lb/>
Gro&#x0364;ße &#x017F;cha&#x0364;tzen &#x017F;oll; dann es i&#x017F;t ofte &#x017F;chweerer eine<lb/>
vollkommene Auf&#x017F;chrift, als eine große Rede zu<lb/>
machen. Eine weitla&#x0364;uftige Sache durch wenige<lb/>
Mei&#x017F;terzu&#x0364;ge bezeichnen, durch wenig Worte viel<lb/>
&#x017F;agen, i&#x017F;t in redenden Ku&#x0364;n&#x017F;ten gerade das &#x017F;chwee-<lb/>
re&#x017F;te. Da man weder Be&#x017F;chreibungen, noch<lb/>
ausgefu&#x0364;hrte Bilder brauchen kann, die Einbil-<lb/>
dungskraft &#x017F;tark zu ru&#x0364;hren, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die wenigen<lb/>
Ausdru&#x0364;ke, von der gro&#x0364;ßten Fruchtbarkeit, Sta&#x0364;rke<lb/>
und Einfalt &#x017F;eyn. Es kann nur einem recht guten<lb/>
Genie gelingen, eine vollkommene Auf&#x017F;chrift zu ma-<lb/>
chen, und noch geho&#x0364;rt ein glu&#x0364;klicher Augenblik dazu.<lb/>
Wie viel man auch in der ku&#x0364;rze&#x017F;ten Auf&#x017F;chrift &#x017F;agen<lb/>
ko&#x0364;nne, &#x017F;iehet man aus der, welche <hi rendition="#fr">Poußin</hi> auf<lb/>
das Grabmal einer Scha&#x0364;ferin in einem beru&#x0364;hmten<lb/>
Gema&#x0364;hlde ge&#x017F;ezt hat: <hi rendition="#fr">Auch ich war in Arcadien.</hi><lb/><note place="left">(*) <hi rendition="#aq">Refle-<lb/>
xions &#x017F;ur<lb/>
la po&#x017F;ie et<lb/>
la peintu-<lb/>
re T. I.<lb/>
Sect. VI.</hi></note>Man le&#x017F;e nach, was der Abt <hi rendition="#fr">du&#x0364; Bos</hi> (*) hieru&#x0364;ber<lb/>
angemerkt hat.</p><lb/>
          <p>Die Alten waren oft &#x017F;ehr glu&#x0364;klich in Auf&#x017F;chriften,<lb/>
und denen, welche in die&#x017F;er Art zu arbeiten haben,<lb/>
i&#x017F;t zu rathen, daß &#x017F;ie die Auf&#x017F;chriften, welche <hi rendition="#fr">Pau-<lb/>
&#x017F;anias</hi> in &#x017F;einer Be&#x017F;chreibung Griechenlands aufbe-<lb/>
halten hat, die welche man in den griechi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">An-<lb/>
tologien</hi> findet, auch die be&#x017F;ten von denen, die man<lb/>
aus alten Denkma&#x0364;lern ge&#x017F;ammlet hat, fleißig &#x017F;tu-<lb/>
diren.</p><lb/>
          <p>Außer der &#x017F;innreichen Erfindung wird auch<lb/>
ein vollkommener Ausdruk zu der Auf&#x017F;chrift erfo-<lb/>
dert. Er muß Einfalt, Sta&#x0364;rke, Ku&#x0364;rze verbinden,<lb/>
und von &#x017F;ehr gutem Wolklang &#x017F;eyn, damit er<lb/>
de&#x017F;to gewi&#x017F;&#x017F;er im Geda&#x0364;chtniß bleibe. Wo es angeht,<lb/>
&#x017F;ollte die Auf&#x017F;chrift in Ver&#x017F;en &#x017F;eyn, in halben Ver-<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Auf</hi></fw><lb/>
&#x017F;en, in ganzen einzeln, in zweyen oder vieren, die<lb/>
man Hemi&#x017F;tichia, Di&#x017F;tichia, Tetra&#x017F;ticha, nennt.<lb/>
(S. Vers.) Weil man aber in einer &#x017F;o &#x017F;ehr kur-<lb/>
zen Rede wenig Freyheit hat, &#x017F;o geht die&#x017F;es nicht<lb/>
allemal an. An&#x017F;tatt der Ver&#x017F;e muß man die Rede<lb/>
in kurze, wol ins Geho&#x0364;r fallende, Sa&#x0364;tze eintheilen.<lb/>
Es i&#x017F;t daher eine be&#x017F;ondre Schreibart fu&#x0364;r die Auf-<lb/>
&#x017F;chriften ent&#x017F;tanden, welche man den <hi rendition="#aq">Stylum lapi-<lb/>
darem</hi> nennt. Als ein Mu&#x017F;ter einer guten Auf-<lb/>
&#x017F;chrift, kann die angefu&#x0364;hrt werden, welche auf der<lb/>
bey Murten in der Schweiz &#x017F;tehenden Capelle, da-<lb/>
rin die Gebeine der dort in der bekannten Schlacht<lb/>
gebliebenen Burgunder zu&#x017F;ammen gelegt &#x017F;ind, zu<lb/>
le&#x017F;en i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">DFO. OPT. MAX.</hi><lb/>
CAROLI INCYTI FORTISSIMI DUCIS BUR-<lb/>
GUNDIAE EXERCITUS MURATUM<lb/><hi rendition="#g">OBSIDENS AB HELVETIIS CAESUS</hi><lb/>
HOC SUI MONUMENTUM RELIQUIT.</hi> </p><lb/>
          <p>Wegen der edlen Einfalt verdienet auch die Auf-<lb/>
&#x017F;chrift an dem Jnvalidenhaus bey Berlin angefu&#x0364;hrt<lb/>
zu werden: <hi rendition="#aq">LAESO ET INVICTO MILITI.</hi> Hin-<lb/>
gegen i&#x017F;t auf einem der gro&#x0364;ßten o&#x0364;ffentlichen Geba&#x0364;ude<lb/>
die&#x017F;er Stadt eine deut&#x017F;che Anf&#x017F;chrift, die einem<lb/>
Handwerksmanne zur Schande gereichen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Man hat bisweilen die Frage aufgeworfen, ob<lb/>
es nicht wolgethan wa&#x0364;re, wenn die Mahler ihre<lb/>
Werke, nach Art der Denkma&#x0364;ler, durch Auf&#x017F;chriften<lb/>
erla&#x0364;uterten. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht &#x017F;ehen, daß ein<lb/>
Gema&#x0364;hlde dadurch &#x017F;ehr viel gewinnen kann. (*)<note place="right">(*) S.<lb/><hi rendition="#aq">du Bos Re-<lb/>
flex. etc. T.<lb/>
I. &#x017F;ect.</hi> 13.</note><lb/>
Aber es i&#x017F;t &#x017F;chweer &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;chiklich anzubringen, als<lb/><hi rendition="#fr">Poußin</hi> in dem angefu&#x0364;hrten Fall es gethan hat.<lb/>
Doch &#x017F;ind &#x017F;ehr viel Wege dazu. Sie ko&#x0364;nnen<lb/>
auf Geba&#x0364;ude, auf Denkma&#x0364;ler, auf Gefa&#x0364;ße, und<lb/>
andre Neben&#x017F;achen des Gema&#x0364;hldes angebracht<lb/>
werden. Wem ein Kupfer&#x017F;tich von <hi rendition="#fr">Fueßli,</hi> der<lb/>
1768. in London heraus gekommen i&#x017F;t, darauf<lb/><hi rendition="#fr">Dion</hi> wie er in Siraku&#x017F;a ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t &#x017F;ieht, vor-<lb/>
ge&#x017F;tellt wird, zu Ge&#x017F;ichte kommt, der kann darauf<lb/>
vielerley gute Wege, Auf&#x017F;chriften anzubringen, auf<lb/>
einmal &#x017F;ehen. Die Sache i&#x017F;t wichtig, und verdie-<lb/>
net eine genaue Ueberlegung.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Auftritt.</hi><lb/>
(Schau&#x017F;piel.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>er Theil der dramati&#x017F;chen Handlung, der unun-<lb/>
terbrochen von den&#x017F;elbigen Per&#x017F;onen behandelt wird.<lb/>
Ein Auftritt i&#x017F;t zu Ende, und ein neuer fa&#x0364;ngt an,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o bald</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0102] Auf Auf lieſt der Tonſetzer: Komm | Doris | komm zu | jenen | Buchen. S. Takt, Zeiten. Aufſchrift. (Beredſamkeit.) Eine kurze Rede, wodurch eine merkwuͤrdige Sa- che auf einem Denkmal ausgedrukt wird. (S. Denkmal.) Man kann die Aufſchrift, ob ſie gleich nicht nothwendig in Verſen gemacht wird, als eine beſondre Art des Sinngedichtes anſehen, und ſie ein Sinngedicht zu einem Denkmal nennen. Die Aufſchrift ſoll, ihrer Abſicht gemaͤß, etwas ganz merkwuͤrdiges, auf die kuͤrzeſte und nachdruͤklichſte Weiſe ſagen. Sie gehoͤrt deswegen unter die Werke, deren Wichtigkeit man nicht nach ihrer Groͤße ſchaͤtzen ſoll; dann es iſt ofte ſchweerer eine vollkommene Aufſchrift, als eine große Rede zu machen. Eine weitlaͤuftige Sache durch wenige Meiſterzuͤge bezeichnen, durch wenig Worte viel ſagen, iſt in redenden Kuͤnſten gerade das ſchwee- reſte. Da man weder Beſchreibungen, noch ausgefuͤhrte Bilder brauchen kann, die Einbil- dungskraft ſtark zu ruͤhren, ſo muͤſſen die wenigen Ausdruͤke, von der groͤßten Fruchtbarkeit, Staͤrke und Einfalt ſeyn. Es kann nur einem recht guten Genie gelingen, eine vollkommene Aufſchrift zu ma- chen, und noch gehoͤrt ein gluͤklicher Augenblik dazu. Wie viel man auch in der kuͤrzeſten Aufſchrift ſagen koͤnne, ſiehet man aus der, welche Poußin auf das Grabmal einer Schaͤferin in einem beruͤhmten Gemaͤhlde geſezt hat: Auch ich war in Arcadien. Man leſe nach, was der Abt duͤ Bos (*) hieruͤber angemerkt hat. (*) Refle- xions ſur la poſie et la peintu- re T. I. Sect. VI. Die Alten waren oft ſehr gluͤklich in Aufſchriften, und denen, welche in dieſer Art zu arbeiten haben, iſt zu rathen, daß ſie die Aufſchriften, welche Pau- ſanias in ſeiner Beſchreibung Griechenlands aufbe- halten hat, die welche man in den griechiſchen An- tologien findet, auch die beſten von denen, die man aus alten Denkmaͤlern geſammlet hat, fleißig ſtu- diren. Außer der ſinnreichen Erfindung wird auch ein vollkommener Ausdruk zu der Aufſchrift erfo- dert. Er muß Einfalt, Staͤrke, Kuͤrze verbinden, und von ſehr gutem Wolklang ſeyn, damit er deſto gewiſſer im Gedaͤchtniß bleibe. Wo es angeht, ſollte die Aufſchrift in Verſen ſeyn, in halben Ver- ſen, in ganzen einzeln, in zweyen oder vieren, die man Hemiſtichia, Diſtichia, Tetraſticha, nennt. (S. Vers.) Weil man aber in einer ſo ſehr kur- zen Rede wenig Freyheit hat, ſo geht dieſes nicht allemal an. Anſtatt der Verſe muß man die Rede in kurze, wol ins Gehoͤr fallende, Saͤtze eintheilen. Es iſt daher eine beſondre Schreibart fuͤr die Auf- ſchriften entſtanden, welche man den Stylum lapi- darem nennt. Als ein Muſter einer guten Auf- ſchrift, kann die angefuͤhrt werden, welche auf der bey Murten in der Schweiz ſtehenden Capelle, da- rin die Gebeine der dort in der bekannten Schlacht gebliebenen Burgunder zuſammen gelegt ſind, zu leſen iſt. DFO. OPT. MAX. CAROLI INCYTI FORTISSIMI DUCIS BUR- GUNDIAE EXERCITUS MURATUM OBSIDENS AB HELVETIIS CAESUS HOC SUI MONUMENTUM RELIQUIT. Wegen der edlen Einfalt verdienet auch die Auf- ſchrift an dem Jnvalidenhaus bey Berlin angefuͤhrt zu werden: LAESO ET INVICTO MILITI. Hin- gegen iſt auf einem der groͤßten oͤffentlichen Gebaͤude dieſer Stadt eine deutſche Anfſchrift, die einem Handwerksmanne zur Schande gereichen wuͤrde. Man hat bisweilen die Frage aufgeworfen, ob es nicht wolgethan waͤre, wenn die Mahler ihre Werke, nach Art der Denkmaͤler, durch Aufſchriften erlaͤuterten. Es laͤßt ſich leicht ſehen, daß ein Gemaͤhlde dadurch ſehr viel gewinnen kann. (*) Aber es iſt ſchweer ſie ſo ſchiklich anzubringen, als Poußin in dem angefuͤhrten Fall es gethan hat. Doch ſind ſehr viel Wege dazu. Sie koͤnnen auf Gebaͤude, auf Denkmaͤler, auf Gefaͤße, und andre Nebenſachen des Gemaͤhldes angebracht werden. Wem ein Kupferſtich von Fueßli, der 1768. in London heraus gekommen iſt, darauf Dion wie er in Sirakuſa ein Geſpenſt ſieht, vor- geſtellt wird, zu Geſichte kommt, der kann darauf vielerley gute Wege, Aufſchriften anzubringen, auf einmal ſehen. Die Sache iſt wichtig, und verdie- net eine genaue Ueberlegung. (*) S. du Bos Re- flex. etc. T. I. ſect. 13. Auftritt. (Schauſpiel.) Der Theil der dramatiſchen Handlung, der unun- terbrochen von denſelbigen Perſonen behandelt wird. Ein Auftritt iſt zu Ende, und ein neuer faͤngt an, ſo bald

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/102
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/102>, abgerufen am 27.04.2024.