Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch]
Abg Abgüsse. (Bildende Künste.) Man hat zum großen Vortheil der Kunst, Mittel Man verfährt überhaupt dabey folgender maassen. Es ist leicht zu begreifen, daß ganze Körper nicht Diese Abgüsse und die Abdrücke, davon vor- Abg Nichts würde zur Ausbreitung der Kunst vortheil- Abgüsse von kleinen Werken, von geschnittenen lung
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Abg Abguͤſſe. (Bildende Kuͤnſte.) Man hat zum großen Vortheil der Kunſt, Mittel Man verfaͤhrt uͤberhaupt dabey folgender maaſſen. Es iſt leicht zu begreifen, daß ganze Koͤrper nicht Dieſe Abguͤſſe und die Abdruͤcke, davon vor- Abg Nichts wuͤrde zur Ausbreitung der Kunſt vortheil- Abguͤſſe von kleinen Werken, von geſchnittenen lung
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Alsdenn nimmt man<lb/> ſie ſorgfaͤltig ab und bekommt dadurch das, was im<lb/> Original vertieft iſt, erhoben, und das erhobene ver-<lb/> tieft. Dieſer erſte Abguß| wird die <hi rendition="#fr">Form</hi> genennt.<lb/> Macht man in dieſe Form |wieder einen Abguß, ſo<lb/> wird dieſer in Abſicht der Bildung dem Original voll-<lb/> kommen gleich, und er iſt der eigentliche Abguß.</p><lb/> <p>Es iſt leicht zu begreifen, daß ganze Koͤrper nicht<lb/> auf einmal koͤnnen abgeformt werden, weil ſie, da<lb/> die Form ſie ganz umgeben wuͤrde, nicht koͤnnten<lb/> herausgenommen werden; Man hat deßwegen eine<lb/> Methode erdacht ſie Stuͤckweiſe abzuformen, und die<lb/> Stuͤcke der Formen wieder zuſammen zu ſetzen.<lb/> Das mechaniſche Verfahren dabey und die noͤthige<lb/> Handgriffe zu beſchreiben, wuͤrde hier zu weitlaͤuf-<lb/> tig, auch zum Theil unnuͤtze ſeyn. Man findet in<lb/> allen betraͤchtlichen Staͤdten Jtaliener die Gipsbilder<lb/> verkaufen, von denen man dieſes lernen kann. Eine<lb/> Beſchreibung des ganzen Verfahrens findet man in<lb/><hi rendition="#fr">Felibiens Grundſaͤtzen der Baukunſt.</hi></p><lb/> <p>Dieſe Abguͤſſe und die Abdruͤcke, davon vor-<lb/> her gehandelt worden, leiſten den bildenden<lb/> Kuͤnſten den Dienſt, welchen die Gelehrſamkeit von<lb/> der Buchdruckerey hat: beyde vervielfaͤltigen auf<lb/> eine leichte Art die Werke der groͤßten Meiſter. Der<lb/> Gelehrte kann mit maͤßigen Umkoſten die wichtigſten<lb/> Werke der Gelehrſamkeit in ſein Cabinet, und der<lb/> Kuͤnſtler eben ſo, das vornehmſte der bildenden<lb/> Kuͤnſte in ſeine Werkſtelle zuſammen bringen. Durch<lb/> die Abguͤſſe werden die Schranken in welchem die<lb/> vornehmſten Werke bildender Kuͤnſte eingeſchloſſen<lb/> geweſen, weggeruͤckt, und Rom kann dadurch in<lb/> allen Laͤndern zugleich ſeyn.</p><lb/> <cb/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Abg</hi> </fw><lb/> <p>Nichts wuͤrde zur Ausbreitung der Kunſt vortheil-<lb/> hafter ſeyn, als wenn die Beſitzer der beſten Original-<lb/> werke die Verfertigung der Abguͤſſe befoͤrderten,<lb/> oder auch nur erleichterten. 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Abg
Abg
Abguͤſſe.
(Bildende Kuͤnſte.)
Man hat zum großen Vortheil der Kunſt, Mittel
erfunden, Werke der bildenden Kuͤnſte durch das
Aufgieſſen einer fluͤßigen ſich hernach verhaͤrtenden
Materie in vollkommener Gleichheit der Originale
abzuformen. Dergleichen abgeformte Werke wer-
den Abguͤſſe genannt. Man hat ſie in Gyps, in
Bley, in Schwefel und in Wachs. Gyps iſt die
gemeineſte Materie dazu, weil ſie am wenigſten ko-
ſiet und kalt kann abgegoſſen werden.
Man verfaͤhrt uͤberhaupt dabey folgender maaſſen.
Das Original, oder ein Theil deſſelben wird mit
einer der bemeldten fluͤßigen Materien uͤbergoſſen, die
man darauf verhaͤrten laͤßt. Alsdenn nimmt man
ſie ſorgfaͤltig ab und bekommt dadurch das, was im
Original vertieft iſt, erhoben, und das erhobene ver-
tieft. Dieſer erſte Abguß| wird die Form genennt.
Macht man in dieſe Form |wieder einen Abguß, ſo
wird dieſer in Abſicht der Bildung dem Original voll-
kommen gleich, und er iſt der eigentliche Abguß.
Es iſt leicht zu begreifen, daß ganze Koͤrper nicht
auf einmal koͤnnen abgeformt werden, weil ſie, da
die Form ſie ganz umgeben wuͤrde, nicht koͤnnten
herausgenommen werden; Man hat deßwegen eine
Methode erdacht ſie Stuͤckweiſe abzuformen, und die
Stuͤcke der Formen wieder zuſammen zu ſetzen.
Das mechaniſche Verfahren dabey und die noͤthige
Handgriffe zu beſchreiben, wuͤrde hier zu weitlaͤuf-
tig, auch zum Theil unnuͤtze ſeyn. Man findet in
allen betraͤchtlichen Staͤdten Jtaliener die Gipsbilder
verkaufen, von denen man dieſes lernen kann. Eine
Beſchreibung des ganzen Verfahrens findet man in
Felibiens Grundſaͤtzen der Baukunſt.
Dieſe Abguͤſſe und die Abdruͤcke, davon vor-
her gehandelt worden, leiſten den bildenden
Kuͤnſten den Dienſt, welchen die Gelehrſamkeit von
der Buchdruckerey hat: beyde vervielfaͤltigen auf
eine leichte Art die Werke der groͤßten Meiſter. Der
Gelehrte kann mit maͤßigen Umkoſten die wichtigſten
Werke der Gelehrſamkeit in ſein Cabinet, und der
Kuͤnſtler eben ſo, das vornehmſte der bildenden
Kuͤnſte in ſeine Werkſtelle zuſammen bringen. Durch
die Abguͤſſe werden die Schranken in welchem die
vornehmſten Werke bildender Kuͤnſte eingeſchloſſen
geweſen, weggeruͤckt, und Rom kann dadurch in
allen Laͤndern zugleich ſeyn.
Nichts wuͤrde zur Ausbreitung der Kunſt vortheil-
hafter ſeyn, als wenn die Beſitzer der beſten Original-
werke die Verfertigung der Abguͤſſe befoͤrderten,
oder auch nur erleichterten. Jede Akademie der zeich-
nenden Kuͤnſte ſollte eine vollſtaͤndige Samlung der
beſten Antiken haben, und wuͤrde ſie auch haben,
wenn nicht die Abformung ſo ofte gehindert wuͤrde.
Ludwig der XIV. hatte das unermeßliche Anſe-
hen, worinn er ſich durch ſeine Macht geſetzt hatte,
bey nahe ganz noͤthig, um fuͤr ſeine Academie die
Abguͤſſe der vornehmſten Antiken, die in Rom ſind,
zu erhalten, und Friedrich der I. in Preuſſen
mußte betraͤchtliche Summen verwenden, um nur
einige der vornehmſten Antiken fuͤr die Mahler-
akademie in Berlin abformen zu laſſen, welche
doch hernach durch einen ungluͤcklichen Brand
verlohren gegangen.
Abguͤſſe von kleinen Werken, von geſchnittenen
Steinen und Muͤntzen, ſind leichter zu haben. Viele
Beſitzer der Originale haben ſich ein Vergnuͤgen
daraus gemacht ſie dazu herzugeben und der un-
ermuͤdete Fleis einiger Liebhaber, nebſt der Begierde
zu gewinnen, verſchiedener Kunſthaͤndler, haben
ſolche Abguͤſſe ungemein vermehrt. Man kann
itzt in Jtalien um eine maͤßige Summe Geldes
viele tauſend Schwefelabguͤſſe von geſchnittenen
Steinen haben. Es waͤre unbillig wenn wir hier
nicht der ruhmwuͤrdigen Bemuͤhungen des ver-
dienſtvollen Lipperts, in Dreßden gedaͤchten.
Dieſer rechtſchaffene Mann hat mit bewunderungs-
wuͤrdiger Arbeitſamkeit eine beynahe unzaͤhlige
Menge Abdruͤcke von Antiken Steinen und Muͤn-
zen aus allen Cabinetten von Europa zuſammen
gebracht. Durch die gluͤckliche Erfindung einer
Maſſe, welche ſowol dem Gyps, als dem Schwefel,
weit vorzuziehen iſt, hat er ſich in Stand geſetzt
jedem Liebhaber, der es verlangt, ſeine Samm-
lung, oder eine Auswahl derſelben, um eine maͤßige
Summe mitzutheilen. Mit dem Geſchmak des
feinſten Kenners hat er aus ſeiner Sammlung
uͤber Zweytauſend der ſchoͤnſten Stuͤcke ausgeſucht,
ſie in eine fuͤrtreffliche Ordnung gebracht und in
Europa ausgebreitet: ſo daß man ſie itzt mit der
Leichtigkeit haben kann, mit welcher man Buͤcher
aus andern Laͤndern kommen laͤßt. Es iſt zu
wuͤnſchen, daß Herr Lippert eine aͤhnliche Samm-
lung antiker Muͤnzen verfertigen und eben ſo
ausbreiten moͤchte.
lung
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