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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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ein zartes Gefühl für abgemessene Bewegung hat,
die in der Musik den Takt und den Rythmus aus-
macht, der ist der Mensch, den die Natur zum Dich-
ter gebildet hat.

Der Grund des poetischen Genies wird also in
einer ungewöhnlich grossen Fühlbarkeit der Seele zu
suchen seyn, die mit einer ausserordentlichen Leb-
haftigkeit der Einbildungskraft begleitet ist. Die
Eindrüke von Lust und Unlust sind bey dem Dichter
so stark, daß er sich denselben ganz überläßt, alle
seine Aufmerksamkeit auf das, was in seinem Ge-
müthe vorgeht, richtet, und ihrem Ausbruch einen
freyen Lauf läßt; darüber vergißt er die äussern Um-
stände, die ihn umgeben, und Gegenstände der Ein-
bildungskraft würken eben so stark auf ihn, als
wenn sie seine Sinnen rührten. Er geräth in eine
Schwermerey, die, nach Beschaffenheit der Empfin-
dung, die sie veranlaset hat, sich entweder heftig
oder sanft, sowol in dem Ton der Stimme, als in
dem Strohm der Worte, äussert.

Dieses lebhafte Gefühl aber ist zugleich mit einer
eben so ausserordentlichen Vorstellungskraft verbun-
den, welche nach dem besondern Genie des Dichters
verschieden ist. Er beurtheilet alles nach der ihm
eigenen Art, sieht in dem Gegenstand, der ihm in-
teressant ist, Beziehungen und Verhältnisse, die ein ge-
setzter Sinn nicht würde entdekt, oder kaum würde
bemerkt haben.

Die Erzählungen von dem, was die Griechen vor
Troja gethan hatten, machten auf Homers Gemüth
so lebhafte Eindrüke, daß seine ganze Seele davon
eingenommen wurd. Mit einer ausserordentlichen
Würksamkeit des Geistes bestrebte er sich, Begeben-
heiten und Thaten, die ihn so sehr reitzten, sich auf
das Lebhafteste vorzustellen, strengte seine Einbil-
dungskraft an, die grossen Männer, die den Streit
führten, vor sich zu sehen, stellte sich selbst vor Troja,
zog mit ihnen in den Streit, hörte das Gerassel der
Waffen, fühlte jeden Eindruk, den die Umstände
auf jede dabey intereßirte Hauptperson machten. Um
jeden Eindruk desto lebhafter zu fühlen, war er itzt
Achilles, dann Hektor; redete und handelte, als wenn
er itzt würklich in diese Personen wäre verwandelt
worden; itzt mit Heftigkeit und Wuth, dann mit
Gelassenheit. Mit gleicher Leichtigkeit wurd er itzt
von dem Jntresse der Griechen, dann der Trojaner
beseelt. Die Gefahren oder Hoffnungen, in denen
er sich jedesmal befand, reizten jede Fähigkeit seiner
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Seele zur äussersten Anstrengung ihrer Kräfte.
Wenn er aus solchen Entzükungen wieder zu sich selbst
kam, so fühlte er eine unwiderstehliche Begierde,
das was er gesehen und empfunden hatte, wieder
zu erzählen, weil er in diesen Sachen eine Wichtig-
keit sah, die der Grösse seiner Empfindungen ange-
messen war; er wünschte alle Stämme der Grie-
chen vor sich zu versammeln, um ihnen alles, was
er selbst gefühlt hat, mitzutheilen. Dieser Wunsch
begeistert ihn aufs neue; und nun fängt er in dem
feyerlichen enthusiastischen Ton eines Menschen, der
seiner Nation die wichtigsten Dinge zu erzählen
hat, an.

Diese Eigenschaften, das Feuer der Einbildungs-
kraft, die Lebhaftigkeit des Gefühls, und die unwi-
derstehliche Begierde, das, was man selbst so leb-
haft fühlt, gegen andere zu äussern, sind die wahren
Anlagen zum poetischen Genie; sie können aber
auch die Anlagen zu einer fatalen Verwirrung des
Gemüthes seyn, wenn sie nicht einen scharfen Ver-
stand, eine sehr gesunde Beurtheilungskraft, und
überhaupt eine hinlängliche Stärke des Geistes, sich
seiner selbst und der Umstände, darin man ist, bewußt
zu seyn, zur Unterstützung haben. Ohne diese Ei-
genschaften arten jene in blosse Ausschweiffungen aus.
Wie der Mahler, der durch eine natürliche Rich-
tigkeit seines Auges und durch eine sehr lange Uebung
eine völlige Fertigkeit in der richtigen Zeichnung
besitzt, mitten im heftigsten Feuer der Einbildungs-
kraft, darin er sich selbst vergißt, keinen Pinselstrich
zieht, der über die Gränzen des richtigen Umrisses
heraustritt, so verläßt auch den guten Dichter das
richtige Urtheil niemals, obgleich die Lebhaftigkeit
des Gefühls, das Nachdenken zu unterdrüken scheint.
Er ist so sehr gewohnt richtig zu urtheilen, an je-
dem Ort und bey jeder Gelegenheit das zu sagen,
was sich schiket, jeden Gegenstand in Beziehungen,
die eine gesunde Vernunft bestimmt, zu sehen, daß
ihn auch denn, wenn er ausser sich ist, die Ver-
nunft nicht verläßt.

Also könnte man in wenig Worten sagen, der
grosse Dichter sey ein Mensch von starker und weit
ausgebreiteter Beurtheilungskraft, von feinem Ge-
schmak, von sehr lebhafter Einbildungskraft und star-
ken Empfindungen. Die ungleiche Mischung, und
die durch vielerley Grade veränderte Verhältnisse
dieser Eigenschaften, machen nebst dem Tempera-
ment die Verschiedenheit des dichterischen Genies

aus.

[Spaltenumbruch]

Dic
ein zartes Gefuͤhl fuͤr abgemeſſene Bewegung hat,
die in der Muſik den Takt und den Rythmus aus-
macht, der iſt der Menſch, den die Natur zum Dich-
ter gebildet hat.

Der Grund des poetiſchen Genies wird alſo in
einer ungewoͤhnlich groſſen Fuͤhlbarkeit der Seele zu
ſuchen ſeyn, die mit einer auſſerordentlichen Leb-
haftigkeit der Einbildungskraft begleitet iſt. Die
Eindruͤke von Luſt und Unluſt ſind bey dem Dichter
ſo ſtark, daß er ſich denſelben ganz uͤberlaͤßt, alle
ſeine Aufmerkſamkeit auf das, was in ſeinem Ge-
muͤthe vorgeht, richtet, und ihrem Ausbruch einen
freyen Lauf laͤßt; daruͤber vergißt er die aͤuſſern Um-
ſtaͤnde, die ihn umgeben, und Gegenſtaͤnde der Ein-
bildungskraft wuͤrken eben ſo ſtark auf ihn, als
wenn ſie ſeine Sinnen ruͤhrten. Er geraͤth in eine
Schwermerey, die, nach Beſchaffenheit der Empfin-
dung, die ſie veranlaſet hat, ſich entweder heftig
oder ſanft, ſowol in dem Ton der Stimme, als in
dem Strohm der Worte, aͤuſſert.

Dieſes lebhafte Gefuͤhl aber iſt zugleich mit einer
eben ſo auſſerordentlichen Vorſtellungskraft verbun-
den, welche nach dem beſondern Genie des Dichters
verſchieden iſt. Er beurtheilet alles nach der ihm
eigenen Art, ſieht in dem Gegenſtand, der ihm in-
tereſſant iſt, Beziehungen und Verhaͤltniſſe, die ein ge-
ſetzter Sinn nicht wuͤrde entdekt, oder kaum wuͤrde
bemerkt haben.

Die Erzaͤhlungen von dem, was die Griechen vor
Troja gethan hatten, machten auf Homers Gemuͤth
ſo lebhafte Eindruͤke, daß ſeine ganze Seele davon
eingenommen wurd. Mit einer auſſerordentlichen
Wuͤrkſamkeit des Geiſtes beſtrebte er ſich, Begeben-
heiten und Thaten, die ihn ſo ſehr reitzten, ſich auf
das Lebhafteſte vorzuſtellen, ſtrengte ſeine Einbil-
dungskraft an, die groſſen Maͤnner, die den Streit
fuͤhrten, vor ſich zu ſehen, ſtellte ſich ſelbſt vor Troja,
zog mit ihnen in den Streit, hoͤrte das Geraſſel der
Waffen, fuͤhlte jeden Eindruk, den die Umſtaͤnde
auf jede dabey intereßirte Hauptperſon machten. Um
jeden Eindruk deſto lebhafter zu fuͤhlen, war er itzt
Achilles, dann Hektor; redete und handelte, als wenn
er itzt wuͤrklich in dieſe Perſonen waͤre verwandelt
worden; itzt mit Heftigkeit und Wuth, dann mit
Gelaſſenheit. Mit gleicher Leichtigkeit wurd er itzt
von dem Jntreſſe der Griechen, dann der Trojaner
beſeelt. Die Gefahren oder Hoffnungen, in denen
er ſich jedesmal befand, reizten jede Faͤhigkeit ſeiner
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Seele zur aͤuſſerſten Anſtrengung ihrer Kraͤfte.
Wenn er aus ſolchen Entzuͤkungen wieder zu ſich ſelbſt
kam, ſo fuͤhlte er eine unwiderſtehliche Begierde,
das was er geſehen und empfunden hatte, wieder
zu erzaͤhlen, weil er in dieſen Sachen eine Wichtig-
keit ſah, die der Groͤſſe ſeiner Empfindungen ange-
meſſen war; er wuͤnſchte alle Staͤmme der Grie-
chen vor ſich zu verſammeln, um ihnen alles, was
er ſelbſt gefuͤhlt hat, mitzutheilen. Dieſer Wunſch
begeiſtert ihn aufs neue; und nun faͤngt er in dem
feyerlichen enthuſiaſtiſchen Ton eines Menſchen, der
ſeiner Nation die wichtigſten Dinge zu erzaͤhlen
hat, an.

Dieſe Eigenſchaften, das Feuer der Einbildungs-
kraft, die Lebhaftigkeit des Gefuͤhls, und die unwi-
derſtehliche Begierde, das, was man ſelbſt ſo leb-
haft fuͤhlt, gegen andere zu aͤuſſern, ſind die wahren
Anlagen zum poetiſchen Genie; ſie koͤnnen aber
auch die Anlagen zu einer fatalen Verwirrung des
Gemuͤthes ſeyn, wenn ſie nicht einen ſcharfen Ver-
ſtand, eine ſehr geſunde Beurtheilungskraft, und
uͤberhaupt eine hinlaͤngliche Staͤrke des Geiſtes, ſich
ſeiner ſelbſt und der Umſtaͤnde, darin man iſt, bewußt
zu ſeyn, zur Unterſtuͤtzung haben. Ohne dieſe Ei-
genſchaften arten jene in bloſſe Ausſchweiffungen aus.
Wie der Mahler, der durch eine natuͤrliche Rich-
tigkeit ſeines Auges und durch eine ſehr lange Uebung
eine voͤllige Fertigkeit in der richtigen Zeichnung
beſitzt, mitten im heftigſten Feuer der Einbildungs-
kraft, darin er ſich ſelbſt vergißt, keinen Pinſelſtrich
zieht, der uͤber die Graͤnzen des richtigen Umriſſes
heraustritt, ſo verlaͤßt auch den guten Dichter das
richtige Urtheil niemals, obgleich die Lebhaftigkeit
des Gefuͤhls, das Nachdenken zu unterdruͤken ſcheint.
Er iſt ſo ſehr gewohnt richtig zu urtheilen, an je-
dem Ort und bey jeder Gelegenheit das zu ſagen,
was ſich ſchiket, jeden Gegenſtand in Beziehungen,
die eine geſunde Vernunft beſtimmt, zu ſehen, daß
ihn auch denn, wenn er auſſer ſich iſt, die Ver-
nunft nicht verlaͤßt.

Alſo koͤnnte man in wenig Worten ſagen, der
groſſe Dichter ſey ein Menſch von ſtarker und weit
ausgebreiteter Beurtheilungskraft, von feinem Ge-
ſchmak, von ſehr lebhafter Einbildungskraft und ſtar-
ken Empfindungen. Die ungleiche Miſchung, und
die durch vielerley Grade veraͤnderte Verhaͤltniſſe
dieſer Eigenſchaften, machen nebſt dem Tempera-
ment die Verſchiedenheit des dichteriſchen Genies

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[247/0259] Dic Dic ein zartes Gefuͤhl fuͤr abgemeſſene Bewegung hat, die in der Muſik den Takt und den Rythmus aus- macht, der iſt der Menſch, den die Natur zum Dich- ter gebildet hat. Der Grund des poetiſchen Genies wird alſo in einer ungewoͤhnlich groſſen Fuͤhlbarkeit der Seele zu ſuchen ſeyn, die mit einer auſſerordentlichen Leb- haftigkeit der Einbildungskraft begleitet iſt. Die Eindruͤke von Luſt und Unluſt ſind bey dem Dichter ſo ſtark, daß er ſich denſelben ganz uͤberlaͤßt, alle ſeine Aufmerkſamkeit auf das, was in ſeinem Ge- muͤthe vorgeht, richtet, und ihrem Ausbruch einen freyen Lauf laͤßt; daruͤber vergißt er die aͤuſſern Um- ſtaͤnde, die ihn umgeben, und Gegenſtaͤnde der Ein- bildungskraft wuͤrken eben ſo ſtark auf ihn, als wenn ſie ſeine Sinnen ruͤhrten. Er geraͤth in eine Schwermerey, die, nach Beſchaffenheit der Empfin- dung, die ſie veranlaſet hat, ſich entweder heftig oder ſanft, ſowol in dem Ton der Stimme, als in dem Strohm der Worte, aͤuſſert. Dieſes lebhafte Gefuͤhl aber iſt zugleich mit einer eben ſo auſſerordentlichen Vorſtellungskraft verbun- den, welche nach dem beſondern Genie des Dichters verſchieden iſt. Er beurtheilet alles nach der ihm eigenen Art, ſieht in dem Gegenſtand, der ihm in- tereſſant iſt, Beziehungen und Verhaͤltniſſe, die ein ge- ſetzter Sinn nicht wuͤrde entdekt, oder kaum wuͤrde bemerkt haben. Die Erzaͤhlungen von dem, was die Griechen vor Troja gethan hatten, machten auf Homers Gemuͤth ſo lebhafte Eindruͤke, daß ſeine ganze Seele davon eingenommen wurd. Mit einer auſſerordentlichen Wuͤrkſamkeit des Geiſtes beſtrebte er ſich, Begeben- heiten und Thaten, die ihn ſo ſehr reitzten, ſich auf das Lebhafteſte vorzuſtellen, ſtrengte ſeine Einbil- dungskraft an, die groſſen Maͤnner, die den Streit fuͤhrten, vor ſich zu ſehen, ſtellte ſich ſelbſt vor Troja, zog mit ihnen in den Streit, hoͤrte das Geraſſel der Waffen, fuͤhlte jeden Eindruk, den die Umſtaͤnde auf jede dabey intereßirte Hauptperſon machten. Um jeden Eindruk deſto lebhafter zu fuͤhlen, war er itzt Achilles, dann Hektor; redete und handelte, als wenn er itzt wuͤrklich in dieſe Perſonen waͤre verwandelt worden; itzt mit Heftigkeit und Wuth, dann mit Gelaſſenheit. Mit gleicher Leichtigkeit wurd er itzt von dem Jntreſſe der Griechen, dann der Trojaner beſeelt. Die Gefahren oder Hoffnungen, in denen er ſich jedesmal befand, reizten jede Faͤhigkeit ſeiner Seele zur aͤuſſerſten Anſtrengung ihrer Kraͤfte. Wenn er aus ſolchen Entzuͤkungen wieder zu ſich ſelbſt kam, ſo fuͤhlte er eine unwiderſtehliche Begierde, das was er geſehen und empfunden hatte, wieder zu erzaͤhlen, weil er in dieſen Sachen eine Wichtig- keit ſah, die der Groͤſſe ſeiner Empfindungen ange- meſſen war; er wuͤnſchte alle Staͤmme der Grie- chen vor ſich zu verſammeln, um ihnen alles, was er ſelbſt gefuͤhlt hat, mitzutheilen. Dieſer Wunſch begeiſtert ihn aufs neue; und nun faͤngt er in dem feyerlichen enthuſiaſtiſchen Ton eines Menſchen, der ſeiner Nation die wichtigſten Dinge zu erzaͤhlen hat, an. Dieſe Eigenſchaften, das Feuer der Einbildungs- kraft, die Lebhaftigkeit des Gefuͤhls, und die unwi- derſtehliche Begierde, das, was man ſelbſt ſo leb- haft fuͤhlt, gegen andere zu aͤuſſern, ſind die wahren Anlagen zum poetiſchen Genie; ſie koͤnnen aber auch die Anlagen zu einer fatalen Verwirrung des Gemuͤthes ſeyn, wenn ſie nicht einen ſcharfen Ver- ſtand, eine ſehr geſunde Beurtheilungskraft, und uͤberhaupt eine hinlaͤngliche Staͤrke des Geiſtes, ſich ſeiner ſelbſt und der Umſtaͤnde, darin man iſt, bewußt zu ſeyn, zur Unterſtuͤtzung haben. Ohne dieſe Ei- genſchaften arten jene in bloſſe Ausſchweiffungen aus. Wie der Mahler, der durch eine natuͤrliche Rich- tigkeit ſeines Auges und durch eine ſehr lange Uebung eine voͤllige Fertigkeit in der richtigen Zeichnung beſitzt, mitten im heftigſten Feuer der Einbildungs- kraft, darin er ſich ſelbſt vergißt, keinen Pinſelſtrich zieht, der uͤber die Graͤnzen des richtigen Umriſſes heraustritt, ſo verlaͤßt auch den guten Dichter das richtige Urtheil niemals, obgleich die Lebhaftigkeit des Gefuͤhls, das Nachdenken zu unterdruͤken ſcheint. Er iſt ſo ſehr gewohnt richtig zu urtheilen, an je- dem Ort und bey jeder Gelegenheit das zu ſagen, was ſich ſchiket, jeden Gegenſtand in Beziehungen, die eine geſunde Vernunft beſtimmt, zu ſehen, daß ihn auch denn, wenn er auſſer ſich iſt, die Ver- nunft nicht verlaͤßt. Alſo koͤnnte man in wenig Worten ſagen, der groſſe Dichter ſey ein Menſch von ſtarker und weit ausgebreiteter Beurtheilungskraft, von feinem Ge- ſchmak, von ſehr lebhafter Einbildungskraft und ſtar- ken Empfindungen. Die ungleiche Miſchung, und die durch vielerley Grade veraͤnderte Verhaͤltniſſe dieſer Eigenſchaften, machen nebſt dem Tempera- ment die Verſchiedenheit des dichteriſchen Genies aus.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/259>, abgerufen am 24.11.2024.