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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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die zu allen Zeiten werden gelesen werden. So ha-
ben Sophokles, Euripides und Horaz nicht für
das menschliche Geschlecht, sondern für Athen und
Rom geschrieben. Je mehr der Künstler die beson-
dern Verhältnisse seiner Zeit und seines Orts vor
Augen hat, je gewisser wird er die Sayten treffen,
die er berühren will. Am allerwenigsten sollten sich
die Künstler einfallen lassen, Gegenstände die blos
auf einen fremden Horizont abgepaßt sind, auf dem
unsrigen aufzustellen? was für eine abgeschmakte
Figur machen nicht die Götter der Griechen in un-
sern Gärten und auf unsern Pallästen? Sie sind
eben so schiklich, als es seyn würde, wenn der Lap-
länder die leichten seidenen Kleider der Jndianer in
seinem Land einführen wollte. Dieses sollten vor-
nehmlich die Mahler und die dramatischen Dichter
beobachten, und uns nicht unaufhörlich mit mytho-
logischen und aus einer uns ganz unbekannten Welt
hergenommenen Gegenständen unterhalten. Wir
können an den gemahlten Verwandlungen des Ovi-
dius wenig mehr, als den Pinsel des Mahlers
schätzen; dies ist aber nicht der Zwek der Kunst;
und was kann uns auf der deutschen Schaubühne
der lächerlichste Marquis, die leichtfertigste Sou-
brette,
oder ein schelmischer Lakey helfen? Was
würde der beste Liederdichter, der die witzigsten und
artigsten Vaudevilles der Franzosen aufs beste nach-
ahmen könnte, in irgend einer deutschen Stadt da-
mit ausrichten? Der Künstler trift am gewis-
sesten den Weg zum Herzen, der einheimische Ge-
genstände schildert, und der das allgemeine der
Empfindung durch Localumstände fühlbarer und
reizender macht.

Encaustisch.
(Mahlerey.)

Man findet bey den Alten einer besondern Art der
Mahlerey Erwähnung gethan, nach welcher die Far-
ben eingebrennt worden. Ovidius gedenkt derselben,

-- Et picta coloribus ustis
(*) Fastor.
L. V vs.

274.
Coelestium matrem concava puppis habet.
(*)

und Plinius, wenn er sagt: Man ist nicht einig,
wer zuerst den Einfall gehabt mit Wachs zu mah-

(*) Plin.
Hist Nat.
L. XXXV.
c. II.
len und das Gemählde einzubrennen. (*) Man
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Enc End
kann aber nicht eigentlich sagen, was es für eine
Bewandnis mit dieser encaustischen oder eingebrann-
ten Mahlerey gehabt habe. Vitruvius erzählt ganz
bestimmt, (*) daß man um die Farben auf den Mau-(*) L. V.
c.
9.

ren beständig zu erhalten, sie mit punischem Wachs
überziehe, und daß dieses Encausis, Einbrennen
genennt werde; und so wurden vermuthlich auch die
Mahlereyen an den Schiffen mit Wachs überzogen.
Plinius gedenkt an angezogenem Orte drey ver-
schiedenere Gattungen des Encausti, [Spaltenumbruch] (+) aber auf eine
Art, die über ihre Beschaffenheit wenig Licht giebt.
Diese Arten zu mahlen hatten sich ganz verlohren,
und es hatte sich niemand einfallen lassen, sie wie-
der herzustellen, bis daß der Graf Caylus in Frank-
reich, ein Mann, der sich um die Kunst der Alten
sehr verdient gemacht hat, Versuche darüber
anstellte Jm Jahr 1752 kündigte dieser Be-
förderer der Künste der franz. Academie der Mahler
seine Versuche über die encaustische Mahlerey an, und
der Academie der schönen Wissenschaften las er 1753
seine Abhandlungen darüber vor; das nächste Jahr
darauf aber ließ er ein Gemähld in Wachs auf Holz
nach seiner Art verfertigen.

Was man also gegenwärtig die encaustische Mah-
lerey nennt ist nichts anders, als eine Mahlerey
mit gefärbtem Wachs, welche auf vielerley Art aus-
geführt werden kann, bis itzt aber wenig in Gang
gekommen ist. Wer einen ausführlichen Bericht
über diese Erfindung und über die verschiedenen Ar-
ten der Wachsmahlerey verlangt, wird ihn in Dom
Pernetis Dictionaire portatif de peinture, auf der
47 u. f. f. Seiten der Vorrede finden. Seit kur-
zem hat ein gewisser Baron von Taubenheim in
Mannheim an alle Mahler Academien eine Probe
einer von ihm erfundenen und zubereiteten einem
weichen Wachs ähnlichen Materie geschikt, die
von ihm an statt des Oehls unter die Farben zu mi-
schen vorgeschlagen wird.

Ende.
(Schöne Künste.)

Das letzte in einer Sache, wodurch ihr solche
Schranken gesetzt werden, daß nichts mehr folgen
kann, das ihr zugehöret. Jeder schöne Gegenstand

muß
(+) Encausto pingendi duo suisse antiquitus genera con-
stat, cera et in ebore cestro, id est verunculo, donec classes
pingi coepere. Hoc tertium accessit, resolutis igni ceris
[Spaltenumbruch] penicillo utendi, quae pictura in navibus nec sole nec sale
ventisque corrumpitur.

[Spaltenumbruch]

Emp Enc
die zu allen Zeiten werden geleſen werden. So ha-
ben Sophokles, Euripides und Horaz nicht fuͤr
das menſchliche Geſchlecht, ſondern fuͤr Athen und
Rom geſchrieben. Je mehr der Kuͤnſtler die beſon-
dern Verhaͤltniſſe ſeiner Zeit und ſeines Orts vor
Augen hat, je gewiſſer wird er die Sayten treffen,
die er beruͤhren will. Am allerwenigſten ſollten ſich
die Kuͤnſtler einfallen laſſen, Gegenſtaͤnde die blos
auf einen fremden Horizont abgepaßt ſind, auf dem
unſrigen aufzuſtellen? was fuͤr eine abgeſchmakte
Figur machen nicht die Goͤtter der Griechen in un-
ſern Gaͤrten und auf unſern Pallaͤſten? Sie ſind
eben ſo ſchiklich, als es ſeyn wuͤrde, wenn der Lap-
laͤnder die leichten ſeidenen Kleider der Jndianer in
ſeinem Land einfuͤhren wollte. Dieſes ſollten vor-
nehmlich die Mahler und die dramatiſchen Dichter
beobachten, und uns nicht unaufhoͤrlich mit mytho-
logiſchen und aus einer uns ganz unbekannten Welt
hergenommenen Gegenſtaͤnden unterhalten. Wir
koͤnnen an den gemahlten Verwandlungen des Ovi-
dius wenig mehr, als den Pinſel des Mahlers
ſchaͤtzen; dies iſt aber nicht der Zwek der Kunſt;
und was kann uns auf der deutſchen Schaubuͤhne
der laͤcherlichſte Marquis, die leichtfertigſte Sou-
brette,
oder ein ſchelmiſcher Lakey helfen? Was
wuͤrde der beſte Liederdichter, der die witzigſten und
artigſten Vaudevilles der Franzoſen aufs beſte nach-
ahmen koͤnnte, in irgend einer deutſchen Stadt da-
mit ausrichten? Der Kuͤnſtler trift am gewiſ-
ſeſten den Weg zum Herzen, der einheimiſche Ge-
genſtaͤnde ſchildert, und der das allgemeine der
Empfindung durch Localumſtaͤnde fuͤhlbarer und
reizender macht.

Encauſtiſch.
(Mahlerey.)

Man findet bey den Alten einer beſondern Art der
Mahlerey Erwaͤhnung gethan, nach welcher die Far-
ben eingebrennt worden. Ovidius gedenkt derſelben,

Et picta coloribus uſtis
(*) Faſtor.
L. V vs.

274.
Coeleſtium matrem concava puppis habet.
(*)

und Plinius, wenn er ſagt: Man iſt nicht einig,
wer zuerſt den Einfall gehabt mit Wachs zu mah-

(*) Plin.
Hiſt Nat.
L. XXXV.
c. II.
len und das Gemaͤhlde einzubrennen. (*) Man
[Spaltenumbruch]

Enc End
kann aber nicht eigentlich ſagen, was es fuͤr eine
Bewandnis mit dieſer encauſtiſchen oder eingebrann-
ten Mahlerey gehabt habe. Vitruvius erzaͤhlt ganz
beſtimmt, (*) daß man um die Farben auf den Mau-(*) L. V.
c.
9.

ren beſtaͤndig zu erhalten, ſie mit puniſchem Wachs
uͤberziehe, und daß dieſes Encauſis, Einbrennen
genennt werde; und ſo wurden vermuthlich auch die
Mahlereyen an den Schiffen mit Wachs uͤberzogen.
Plinius gedenkt an angezogenem Orte drey ver-
ſchiedenere Gattungen des Encauſti, [Spaltenumbruch] (†) aber auf eine
Art, die uͤber ihre Beſchaffenheit wenig Licht giebt.
Dieſe Arten zu mahlen hatten ſich ganz verlohren,
und es hatte ſich niemand einfallen laſſen, ſie wie-
der herzuſtellen, bis daß der Graf Caylus in Frank-
reich, ein Mann, der ſich um die Kunſt der Alten
ſehr verdient gemacht hat, Verſuche daruͤber
anſtellte Jm Jahr 1752 kuͤndigte dieſer Be-
foͤrderer der Kuͤnſte der franz. Academie der Mahler
ſeine Verſuche uͤber die encauſtiſche Mahlerey an, und
der Academie der ſchoͤnen Wiſſenſchaften las er 1753
ſeine Abhandlungen daruͤber vor; das naͤchſte Jahr
darauf aber ließ er ein Gemaͤhld in Wachs auf Holz
nach ſeiner Art verfertigen.

Was man alſo gegenwaͤrtig die encauſtiſche Mah-
lerey nennt iſt nichts anders, als eine Mahlerey
mit gefaͤrbtem Wachs, welche auf vielerley Art aus-
gefuͤhrt werden kann, bis itzt aber wenig in Gang
gekommen iſt. Wer einen ausfuͤhrlichen Bericht
uͤber dieſe Erfindung und uͤber die verſchiedenen Ar-
ten der Wachsmahlerey verlangt, wird ihn in Dom
Pernetis Dictionaire portatif de peinture, auf der
47 u. f. f. Seiten der Vorrede finden. Seit kur-
zem hat ein gewiſſer Baron von Taubenheim in
Mannheim an alle Mahler Academien eine Probe
einer von ihm erfundenen und zubereiteten einem
weichen Wachs aͤhnlichen Materie geſchikt, die
von ihm an ſtatt des Oehls unter die Farben zu mi-
ſchen vorgeſchlagen wird.

Ende.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Das letzte in einer Sache, wodurch ihr ſolche
Schranken geſetzt werden, daß nichts mehr folgen
kann, das ihr zugehoͤret. Jeder ſchoͤne Gegenſtand

muß
(†) Encauſto pingendi duo ſuiſſe antiquitus genera con-
ſtat, cera et in ebore ceſtro, id eſt verunculo, donec claſſes
pingi coepere. Hoc tertium acceſſit, reſolutis igni ceris
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[316/0328] Emp Enc Enc End die zu allen Zeiten werden geleſen werden. So ha- ben Sophokles, Euripides und Horaz nicht fuͤr das menſchliche Geſchlecht, ſondern fuͤr Athen und Rom geſchrieben. Je mehr der Kuͤnſtler die beſon- dern Verhaͤltniſſe ſeiner Zeit und ſeines Orts vor Augen hat, je gewiſſer wird er die Sayten treffen, die er beruͤhren will. Am allerwenigſten ſollten ſich die Kuͤnſtler einfallen laſſen, Gegenſtaͤnde die blos auf einen fremden Horizont abgepaßt ſind, auf dem unſrigen aufzuſtellen? was fuͤr eine abgeſchmakte Figur machen nicht die Goͤtter der Griechen in un- ſern Gaͤrten und auf unſern Pallaͤſten? Sie ſind eben ſo ſchiklich, als es ſeyn wuͤrde, wenn der Lap- laͤnder die leichten ſeidenen Kleider der Jndianer in ſeinem Land einfuͤhren wollte. Dieſes ſollten vor- nehmlich die Mahler und die dramatiſchen Dichter beobachten, und uns nicht unaufhoͤrlich mit mytho- logiſchen und aus einer uns ganz unbekannten Welt hergenommenen Gegenſtaͤnden unterhalten. Wir koͤnnen an den gemahlten Verwandlungen des Ovi- dius wenig mehr, als den Pinſel des Mahlers ſchaͤtzen; dies iſt aber nicht der Zwek der Kunſt; und was kann uns auf der deutſchen Schaubuͤhne der laͤcherlichſte Marquis, die leichtfertigſte Sou- brette, oder ein ſchelmiſcher Lakey helfen? Was wuͤrde der beſte Liederdichter, der die witzigſten und artigſten Vaudevilles der Franzoſen aufs beſte nach- ahmen koͤnnte, in irgend einer deutſchen Stadt da- mit ausrichten? Der Kuͤnſtler trift am gewiſ- ſeſten den Weg zum Herzen, der einheimiſche Ge- genſtaͤnde ſchildert, und der das allgemeine der Empfindung durch Localumſtaͤnde fuͤhlbarer und reizender macht. Encauſtiſch. (Mahlerey.) Man findet bey den Alten einer beſondern Art der Mahlerey Erwaͤhnung gethan, nach welcher die Far- ben eingebrennt worden. Ovidius gedenkt derſelben, — Et picta coloribus uſtis Coeleſtium matrem concava puppis habet. (*) und Plinius, wenn er ſagt: Man iſt nicht einig, wer zuerſt den Einfall gehabt mit Wachs zu mah- len und das Gemaͤhlde einzubrennen. (*) Man kann aber nicht eigentlich ſagen, was es fuͤr eine Bewandnis mit dieſer encauſtiſchen oder eingebrann- ten Mahlerey gehabt habe. Vitruvius erzaͤhlt ganz beſtimmt, (*) daß man um die Farben auf den Mau- ren beſtaͤndig zu erhalten, ſie mit puniſchem Wachs uͤberziehe, und daß dieſes Encauſis, Einbrennen genennt werde; und ſo wurden vermuthlich auch die Mahlereyen an den Schiffen mit Wachs uͤberzogen. Plinius gedenkt an angezogenem Orte drey ver- ſchiedenere Gattungen des Encauſti, (†) aber auf eine Art, die uͤber ihre Beſchaffenheit wenig Licht giebt. Dieſe Arten zu mahlen hatten ſich ganz verlohren, und es hatte ſich niemand einfallen laſſen, ſie wie- der herzuſtellen, bis daß der Graf Caylus in Frank- reich, ein Mann, der ſich um die Kunſt der Alten ſehr verdient gemacht hat, Verſuche daruͤber anſtellte Jm Jahr 1752 kuͤndigte dieſer Be- foͤrderer der Kuͤnſte der franz. Academie der Mahler ſeine Verſuche uͤber die encauſtiſche Mahlerey an, und der Academie der ſchoͤnen Wiſſenſchaften las er 1753 ſeine Abhandlungen daruͤber vor; das naͤchſte Jahr darauf aber ließ er ein Gemaͤhld in Wachs auf Holz nach ſeiner Art verfertigen. (*) Plin. Hiſt Nat. L. XXXV. c. II. (*) L. V. c. 9. Was man alſo gegenwaͤrtig die encauſtiſche Mah- lerey nennt iſt nichts anders, als eine Mahlerey mit gefaͤrbtem Wachs, welche auf vielerley Art aus- gefuͤhrt werden kann, bis itzt aber wenig in Gang gekommen iſt. Wer einen ausfuͤhrlichen Bericht uͤber dieſe Erfindung und uͤber die verſchiedenen Ar- ten der Wachsmahlerey verlangt, wird ihn in Dom Pernetis Dictionaire portatif de peinture, auf der 47 u. f. f. Seiten der Vorrede finden. Seit kur- zem hat ein gewiſſer Baron von Taubenheim in Mannheim an alle Mahler Academien eine Probe einer von ihm erfundenen und zubereiteten einem weichen Wachs aͤhnlichen Materie geſchikt, die von ihm an ſtatt des Oehls unter die Farben zu mi- ſchen vorgeſchlagen wird. Ende. (Schoͤne Kuͤnſte.) Das letzte in einer Sache, wodurch ihr ſolche Schranken geſetzt werden, daß nichts mehr folgen kann, das ihr zugehoͤret. Jeder ſchoͤne Gegenſtand muß (†) Encauſto pingendi duo ſuiſſe antiquitus genera con- ſtat, cera et in ebore ceſtro, id eſt verunculo, donec claſſes pingi coepere. Hoc tertium acceſſit, reſolutis igni ceris penicillo utendi, quae pictura in navibus nec ſole nec ſale ventisque corrumpitur.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/328>, abgerufen am 22.11.2024.