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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Lig Lim

Es sind vor einigen Jahren kurz hintereinander
verschiedene Sammlungen deutscher in Musik gesez-
ter Lieder herausgekommen, darunter die erste
Sammlung, auserlesener Oden zum Singen beym
Clavier von dem Capellmeister Graun, (*) (denn die
zweyte Sammlung ist nicht von ihm, ob sie gleich
seinen Namen führet) die Oden mit Melodien von
Hr. C. P. E. Bach (**), die Lieder mit Melodien
von Hr. Kirnberger (***) die vorzüglichsten sind.
Seitdem die comischen Opern in unsern Gegenden
aufgekommen sind, hat sich auch Hr. Hiller in Leip-
zig, als einen Mann gezeiget, der eine große Leich-
tigkeit hat angenehme und überaus leichte Liederme-
lodien zu machen.

Die Alten hatten für jede Gattung des lyrischen
ihre besondern Vorschriften wegen des Sazes, wie
aus einer Stelle des Aristides Quintilianus erhellet,
aus welcher auch zu schließen ist, daß sie zu den Lie-
dern die höhern Töne ihres Systems genommen
haben, zu den hohen Oden die mittlern, und zu den
tragischen Chören die tiessten. (+)

Ligatur.
(Musik.)

Jst in der heutigen Musik das, wovon bereits un-
ter dem Namen Bindung gesprochen worden: aber
in der alten Kirchenmusik bedeutet es die Verbin-
dung mehrer Noten, die auf eine einzige Sylbe ge-
sungen wurden. Bey diesen Ligaturen war man-
cherley zu beobachten; weil die Geltung der Noten
von einerley Figur, ungemein veränderlich dabey
war. Gegenwärtig ist nichts unverständlicheres in
den Kirchengesangbüchern mittlerer Zeiten, als die
verschiedenen Bezeichnungen der Ligaturen. Der
geringe Nuzen, der aus der völligen Aufklärung
dieser dunkeln Sach entstünde, würde die große
Mühe, die man darauf wenden müßte, nicht be-
lohnen.

Limma.
(Musik.)

Ein kleines Jntervall, von ungefehr einem halben
Ton, das aber auf verschiedene Weise entsteht, und
also, wie der halbe Ton, mehr als eine Größe hat.
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Lob
Der Unterschied, oder das Jntervall zwischen dem
halben Tone, der durch ausgedrükt wird, und
dem großen ganzen Ton , giebt ein Limma, dessen
Größe ist. Es kommt in der von uns ange-
nommenen Temperatur der Tonleiter an verschiede-
nen Stellen vor, und wird bald, als eine über-
mäßige Prime, bald als eine kleine Secunde ge-
braucht, wie aus der Tabelle der Jntervalle zu se-
hen. (*) Ein anderes Limma wird durch das Ver-
hältnis ausgedrukt. Dieses ist der halbe Ton,
oder das Mi[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]fa der alten diatonischen Tonleiter,
oder der Unterschied, zwischen der, aus zwey gan-
zen großen Tönen zusammen gesetzten Terz ,
und der reinen Quarte 3/4. Dies ist das Limma
der Pythagoräer. Man bekommt es auch, wenn
man von dem Grundton c, oder 1 aus, fünf reine
Quinten stimmt, und die lezte derselben , durch
zwey Octaven wieder gegen den Ton 1 herunter
sezt. Dadurch erhält man das H der alten, welches
von c um ´ absteht. Dieses Limma wird, wie
das vorige, bald als eine übermäßige Prime und
bald als eine kleine Secunde gebraucht, wie in
den vorher angezogenen Tabellen ebenfalls zu se-
hen ist.

Lobrede.

Eine besondere Gattung einer förmlichen Ausgear-
beiteten Rede, die dem Lobe gewiedmet ist. Man
lobet entweder Personen, wie Plinius in einer be-
sondern Rede den Trajan, oder Sachen, wie Jso-
crates den Staat von Athen. Bey den Griechen
sowol, als bey den Römern wurden auch verstor-
bene in der Versammlung des Volks gelobt. So
hielt Perikles den im Kriege gegen die Samier ge-
bliebenen Bürgern von Athen bey ihren Gräbern
eine Lobrede, und Augustus, da er erst zwölf Jahr
alt war, hielt eine öffentliche Lobrede auf seine ver-
storbene Großmutter. Jn unsern Zeiten und nach
unsern Sitten sind die öffentlichen Lobreden in die
dunkeln Hörsäle der Schulen verwiesen. Es ist auch
sehr gut, daß weder Geseze, noch eingeführte Ge-
bräuche, Lobreden auf gewisse Personen nothwendig
machen; da vermuthlich in den meisten Fällen, der
Redner sich in der Verlegenheit finden würde einem

ma-
(*) Berlin
bey Wewer
1764.
(**) Ber-
lin bey We-
wer 1762.
(***) Jn
demselben
Verlag u.
Jahre.
(+) Modi Melopoiae genera quidem sunt tres; Dythy-
rambicus, Nomicus, Tragicus. Quorum Nomicus quidem
est Netoides; Dithyrambicus Mesoides; Tragicus hypatoides.
De Musica L. I.
nach S. 30. nach der Meibom. Ausgab
und Uebersezung.
(*) S.
Jntervall.
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Lig Lim

Es ſind vor einigen Jahren kurz hintereinander
verſchiedene Sammlungen deutſcher in Muſik geſez-
ter Lieder herausgekommen, darunter die erſte
Sammlung, auserleſener Oden zum Singen beym
Clavier von dem Capellmeiſter Graun, (*) (denn die
zweyte Sammlung iſt nicht von ihm, ob ſie gleich
ſeinen Namen fuͤhret) die Oden mit Melodien von
Hr. C. P. E. Bach (**), die Lieder mit Melodien
von Hr. Kirnberger (***) die vorzuͤglichſten ſind.
Seitdem die comiſchen Opern in unſern Gegenden
aufgekommen ſind, hat ſich auch Hr. Hiller in Leip-
zig, als einen Mann gezeiget, der eine große Leich-
tigkeit hat angenehme und uͤberaus leichte Liederme-
lodien zu machen.

Die Alten hatten fuͤr jede Gattung des lyriſchen
ihre beſondern Vorſchriften wegen des Sazes, wie
aus einer Stelle des Ariſtides Quintilianus erhellet,
aus welcher auch zu ſchließen iſt, daß ſie zu den Lie-
dern die hoͤhern Toͤne ihres Syſtems genommen
haben, zu den hohen Oden die mittlern, und zu den
tragiſchen Choͤren die tieſſten. (†)

Ligatur.
(Muſik.)

Jſt in der heutigen Muſik das, wovon bereits un-
ter dem Namen Bindung geſprochen worden: aber
in der alten Kirchenmuſik bedeutet es die Verbin-
dung mehrer Noten, die auf eine einzige Sylbe ge-
ſungen wurden. Bey dieſen Ligaturen war man-
cherley zu beobachten; weil die Geltung der Noten
von einerley Figur, ungemein veraͤnderlich dabey
war. Gegenwaͤrtig iſt nichts unverſtaͤndlicheres in
den Kirchengeſangbuͤchern mittlerer Zeiten, als die
verſchiedenen Bezeichnungen der Ligaturen. Der
geringe Nuzen, der aus der voͤlligen Aufklaͤrung
dieſer dunkeln Sach entſtuͤnde, wuͤrde die große
Muͤhe, die man darauf wenden muͤßte, nicht be-
lohnen.

Limma.
(Muſik.)

Ein kleines Jntervall, von ungefehr einem halben
Ton, das aber auf verſchiedene Weiſe entſteht, und
alſo, wie der halbe Ton, mehr als eine Groͤße hat.
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Lob
Der Unterſchied, oder das Jntervall zwiſchen dem
halben Tone, der durch ausgedruͤkt wird, und
dem großen ganzen Ton , giebt ein Limma, deſſen
Groͤße iſt. Es kommt in der von uns ange-
nommenen Temperatur der Tonleiter an verſchiede-
nen Stellen vor, und wird bald, als eine uͤber-
maͤßige Prime, bald als eine kleine Secunde ge-
braucht, wie aus der Tabelle der Jntervalle zu ſe-
hen. (*) Ein anderes Limma wird durch das Ver-
haͤltnis ausgedrukt. Dieſes iſt der halbe Ton,
oder das Mi[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]fa der alten diatoniſchen Tonleiter,
oder der Unterſchied, zwiſchen der, aus zwey gan-
zen großen Toͤnen zuſammen geſetzten Terz ,
und der reinen Quarte ¾. Dies iſt das Limma
der Pythagoraͤer. Man bekommt es auch, wenn
man von dem Grundton c, oder 1 aus, fuͤnf reine
Quinten ſtimmt, und die lezte derſelben , durch
zwey Octaven wieder gegen den Ton 1 herunter
ſezt. Dadurch erhaͤlt man das H der alten, welches
von c um ´ abſteht. Dieſes Limma wird, wie
das vorige, bald als eine uͤbermaͤßige Prime und
bald als eine kleine Secunde gebraucht, wie in
den vorher angezogenen Tabellen ebenfalls zu ſe-
hen iſt.

Lobrede.

Eine beſondere Gattung einer foͤrmlichen Ausgear-
beiteten Rede, die dem Lobe gewiedmet iſt. Man
lobet entweder Perſonen, wie Plinius in einer be-
ſondern Rede den Trajan, oder Sachen, wie Jſo-
crates den Staat von Athen. Bey den Griechen
ſowol, als bey den Roͤmern wurden auch verſtor-
bene in der Verſammlung des Volks gelobt. So
hielt Perikles den im Kriege gegen die Samier ge-
bliebenen Buͤrgern von Athen bey ihren Graͤbern
eine Lobrede, und Auguſtus, da er erſt zwoͤlf Jahr
alt war, hielt eine oͤffentliche Lobrede auf ſeine ver-
ſtorbene Großmutter. Jn unſern Zeiten und nach
unſern Sitten ſind die oͤffentlichen Lobreden in die
dunkeln Hoͤrſaͤle der Schulen verwieſen. Es iſt auch
ſehr gut, daß weder Geſeze, noch eingefuͤhrte Ge-
braͤuche, Lobreden auf gewiſſe Perſonen nothwendig
machen; da vermuthlich in den meiſten Faͤllen, der
Redner ſich in der Verlegenheit finden wuͤrde einem

ma-
(*) Berlin
bey Wewer
1764.
(**) Ber-
lin bey We-
wer 1762.
(***) Jn
demſelben
Verlag u.
Jahre.
(†) Modi Melopoiæ genera quidem ſunt tres; Dythy-
rambicus, Nomicus, Tragicus. Quorum Nomicus quidem
eſt Netoides; Dithyrambicus Meſoides; Tragicus hypatoides.
De Muſica L. I.
nach S. 30. nach der Meibom. Ausgab
und Ueberſezung.
(*) S.
Jntervall.
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[720[702]/0137] Lig Lim Lob Es ſind vor einigen Jahren kurz hintereinander verſchiedene Sammlungen deutſcher in Muſik geſez- ter Lieder herausgekommen, darunter die erſte Sammlung, auserleſener Oden zum Singen beym Clavier von dem Capellmeiſter Graun, (*) (denn die zweyte Sammlung iſt nicht von ihm, ob ſie gleich ſeinen Namen fuͤhret) die Oden mit Melodien von Hr. C. P. E. Bach (**), die Lieder mit Melodien von Hr. Kirnberger (***) die vorzuͤglichſten ſind. Seitdem die comiſchen Opern in unſern Gegenden aufgekommen ſind, hat ſich auch Hr. Hiller in Leip- zig, als einen Mann gezeiget, der eine große Leich- tigkeit hat angenehme und uͤberaus leichte Liederme- lodien zu machen. Die Alten hatten fuͤr jede Gattung des lyriſchen ihre beſondern Vorſchriften wegen des Sazes, wie aus einer Stelle des Ariſtides Quintilianus erhellet, aus welcher auch zu ſchließen iſt, daß ſie zu den Lie- dern die hoͤhern Toͤne ihres Syſtems genommen haben, zu den hohen Oden die mittlern, und zu den tragiſchen Choͤren die tieſſten. (†) Ligatur. (Muſik.) Jſt in der heutigen Muſik das, wovon bereits un- ter dem Namen Bindung geſprochen worden: aber in der alten Kirchenmuſik bedeutet es die Verbin- dung mehrer Noten, die auf eine einzige Sylbe ge- ſungen wurden. Bey dieſen Ligaturen war man- cherley zu beobachten; weil die Geltung der Noten von einerley Figur, ungemein veraͤnderlich dabey war. Gegenwaͤrtig iſt nichts unverſtaͤndlicheres in den Kirchengeſangbuͤchern mittlerer Zeiten, als die verſchiedenen Bezeichnungen der Ligaturen. Der geringe Nuzen, der aus der voͤlligen Aufklaͤrung dieſer dunkeln Sach entſtuͤnde, wuͤrde die große Muͤhe, die man darauf wenden muͤßte, nicht be- lohnen. Limma. (Muſik.) Ein kleines Jntervall, von ungefehr einem halben Ton, das aber auf verſchiedene Weiſe entſteht, und alſo, wie der halbe Ton, mehr als eine Groͤße hat. Der Unterſchied, oder das Jntervall zwiſchen dem halben Tone, der durch [FORMEL] ausgedruͤkt wird, und dem großen ganzen Ton [FORMEL], giebt ein Limma, deſſen Groͤße [FORMEL] iſt. Es kommt in der von uns ange- nommenen Temperatur der Tonleiter an verſchiede- nen Stellen vor, und wird bald, als eine uͤber- maͤßige Prime, bald als eine kleine Secunde ge- braucht, wie aus der Tabelle der Jntervalle zu ſe- hen. (*) Ein anderes Limma wird durch das Ver- haͤltnis [FORMEL] ausgedrukt. Dieſes iſt der halbe Ton, oder das Mi_fa der alten diatoniſchen Tonleiter, oder der Unterſchied, zwiſchen der, aus zwey gan- zen großen Toͤnen [FORMEL] zuſammen geſetzten Terz [FORMEL], und der reinen Quarte ¾. Dies iſt das Limma der Pythagoraͤer. Man bekommt es auch, wenn man von dem Grundton c, oder 1 aus, fuͤnf reine Quinten ſtimmt, und die lezte derſelben [FORMEL], durch zwey Octaven wieder gegen den Ton 1 herunter ſezt. Dadurch erhaͤlt man das H der alten, welches von c um ´[FORMEL] abſteht. Dieſes Limma wird, wie das vorige, bald als eine uͤbermaͤßige Prime und bald als eine kleine Secunde gebraucht, wie in den vorher angezogenen Tabellen ebenfalls zu ſe- hen iſt. Lobrede. Eine beſondere Gattung einer foͤrmlichen Ausgear- beiteten Rede, die dem Lobe gewiedmet iſt. Man lobet entweder Perſonen, wie Plinius in einer be- ſondern Rede den Trajan, oder Sachen, wie Jſo- crates den Staat von Athen. Bey den Griechen ſowol, als bey den Roͤmern wurden auch verſtor- bene in der Verſammlung des Volks gelobt. So hielt Perikles den im Kriege gegen die Samier ge- bliebenen Buͤrgern von Athen bey ihren Graͤbern eine Lobrede, und Auguſtus, da er erſt zwoͤlf Jahr alt war, hielt eine oͤffentliche Lobrede auf ſeine ver- ſtorbene Großmutter. Jn unſern Zeiten und nach unſern Sitten ſind die oͤffentlichen Lobreden in die dunkeln Hoͤrſaͤle der Schulen verwieſen. Es iſt auch ſehr gut, daß weder Geſeze, noch eingefuͤhrte Ge- braͤuche, Lobreden auf gewiſſe Perſonen nothwendig machen; da vermuthlich in den meiſten Faͤllen, der Redner ſich in der Verlegenheit finden wuͤrde einem ma- (*) Berlin bey Wewer 1764. (**) Ber- lin bey We- wer 1762. (***) Jn demſelben Verlag u. Jahre. (†) Modi Melopoiæ genera quidem ſunt tres; Dythy- rambicus, Nomicus, Tragicus. Quorum Nomicus quidem eſt Netoides; Dithyrambicus Meſoides; Tragicus hypatoides. De Muſica L. I. nach S. 30. nach der Meibom. Ausgab und Ueberſezung. (*) S. Jntervall.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 720[702]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/137>, abgerufen am 27.11.2024.