Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ins Herz hinein, also daß er von Stund' an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. - Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne.

Kantzow, Pomerania, II. S. 463.
74. Die beiden Störe und die geizigen Mönche zu Grobe.

Auf dem Lande Usedom lag ehedem ein großes Kloster, Grobe, auch wohl Grabow genannt. Es war gestiftet von dem Pommerschen Fürsten Ratibor und dessen Gemahlin Pribislav, im Jahre 1150, und der erste Abt war Sibrandt, ein gar frommer und gelehrter Mann. Als nun zu einer Zeit große Theurung im Lande war, und es auch den Mönchen in Grobe anfing, an Lebensmitteln zu gebrechen, da kamen auf einmal wunderbarer Weise zwei große Störe aus dem Haff bis an das Kloster geschwommen und stellten sich den Mönchen dar, und warteten so lange, bis Einer von ihnen gefangen war. Darauf schwamm der Andere eilends zurück, als wenn er den Gefangenen hergebracht hätte. Der eingefangene Stör aber war so groß, daß die Mönche eine gute Zeit davon leben konnten. Auf das nächste Jahr kam der entkommene Fisch selbander wieder bis an das Kloster und wartete wieder, bis der, den er gebracht,

ins Herz hinein, also daß er von Stund’ an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. – Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne.

Kantzow, Pomerania, II. S. 463.
74. Die beiden Störe und die geizigen Mönche zu Grobe.

Auf dem Lande Usedom lag ehedem ein großes Kloster, Grobe, auch wohl Grabow genannt. Es war gestiftet von dem Pommerschen Fürsten Ratibor und dessen Gemahlin Pribislav, im Jahre 1150, und der erste Abt war Sibrandt, ein gar frommer und gelehrter Mann. Als nun zu einer Zeit große Theurung im Lande war, und es auch den Mönchen in Grobe anfing, an Lebensmitteln zu gebrechen, da kamen auf einmal wunderbarer Weise zwei große Störe aus dem Haff bis an das Kloster geschwommen und stellten sich den Mönchen dar, und warteten so lange, bis Einer von ihnen gefangen war. Darauf schwamm der Andere eilends zurück, als wenn er den Gefangenen hergebracht hätte. Der eingefangene Stör aber war so groß, daß die Mönche eine gute Zeit davon leben konnten. Auf das nächste Jahr kam der entkommene Fisch selbander wieder bis an das Kloster und wartete wieder, bis der, den er gebracht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="112"/>
ins Herz hinein, also daß er von Stund&#x2019; an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. &#x2013; Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Kantzow, Pomerania, II. S. 463.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>74. Die beiden Störe und die geizigen Mönche zu Grobe.</head><lb/>
          <p>Auf dem Lande Usedom lag ehedem ein großes Kloster, Grobe, auch wohl Grabow genannt. Es war gestiftet von dem Pommerschen Fürsten Ratibor und dessen Gemahlin Pribislav, im Jahre 1150, und der erste Abt war Sibrandt, ein gar frommer und gelehrter Mann. Als nun zu einer Zeit große Theurung im Lande war, und es auch den Mönchen in Grobe anfing, an Lebensmitteln zu gebrechen, da kamen auf einmal wunderbarer Weise zwei große Störe aus dem Haff bis an das Kloster geschwommen und stellten sich den Mönchen dar, und warteten so lange, bis Einer von ihnen gefangen war. Darauf schwamm der Andere eilends zurück, als wenn er den Gefangenen hergebracht hätte. Der eingefangene Stör aber war so groß, daß die Mönche eine gute Zeit davon leben konnten. Auf das nächste Jahr kam der entkommene Fisch selbander wieder bis an das Kloster und wartete wieder, bis der, den er gebracht,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0144] ins Herz hinein, also daß er von Stund’ an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. – Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne. Kantzow, Pomerania, II. S. 463. 74. Die beiden Störe und die geizigen Mönche zu Grobe. Auf dem Lande Usedom lag ehedem ein großes Kloster, Grobe, auch wohl Grabow genannt. Es war gestiftet von dem Pommerschen Fürsten Ratibor und dessen Gemahlin Pribislav, im Jahre 1150, und der erste Abt war Sibrandt, ein gar frommer und gelehrter Mann. Als nun zu einer Zeit große Theurung im Lande war, und es auch den Mönchen in Grobe anfing, an Lebensmitteln zu gebrechen, da kamen auf einmal wunderbarer Weise zwei große Störe aus dem Haff bis an das Kloster geschwommen und stellten sich den Mönchen dar, und warteten so lange, bis Einer von ihnen gefangen war. Darauf schwamm der Andere eilends zurück, als wenn er den Gefangenen hergebracht hätte. Der eingefangene Stör aber war so groß, daß die Mönche eine gute Zeit davon leben konnten. Auf das nächste Jahr kam der entkommene Fisch selbander wieder bis an das Kloster und wartete wieder, bis der, den er gebracht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/144
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/144>, abgerufen am 21.11.2024.