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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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151. Das Schloß zu Matzdorf.

Ungefähr dreiviertel Meilen von Massow in Hinterpommern liegt das Dorf Matzdorf, bei welchem sich ein altes Schloß befindet. In diesem letztern hat vor Zeiten ein Grafengeschlecht gewohnt, welches sich einem wilden, Gott mißfälligen Leben ergeben hatte. Besonders grausam waren diese Grafen gegen ihre Unterthanen. Sie verfolgten und mißhandelten sie oft wegen der geringsten Kleinigkeiten; und man zeigt noch jetzt in dem alten Schlosse ein großes, wüstes Gemach, in welchem sie über die armen Bauern, die etwas verbrochen hatten, unbarmherzig den Stab brechen und sie zum Tode verurtheilen ließen. Die Leute nennen dieses Gemach die alte Gerichtsstube. Zur Strafe für solche Grausamkeiten muß nun der Letzte aus dem Grafengeschlechte noch immer in dem alten Schlosse umgehen. Man kann ihn in jeder Mitternacht sehen. Er hat einen großen dicken Eisenstab in der Hand; mit diesem schleicht er langsam um das ganze Schloß herum, und zuletzt geht er in die alte Gerichtsstube hinein. Dort fängt er ein schreckliches Gepolter an, und sucht den Eisenstab zu brechen, was ihm aber nimmer gelingen will. Damit muß er sich quälen bis die Glocke Eins schlägt. Dann verschwindet er mit großem Getöse und Gekrach. Einige sagen, daß ein großer schwarzer Hund ihn begleite, dem eine glühende Zunge aus dem Maule hänge, und der wahrscheinlich der Teufel sey. Wen der alte Graf sieht, den erwürgt er, und verschwindet dann mit schrecklichem Gelächter in die Gerichtsstube. Es wagt sich deshalb des Nachts kein Mensch in die Nähe des Schlosses.

Mündlich.
151. Das Schloß zu Matzdorf.

Ungefähr dreiviertel Meilen von Massow in Hinterpommern liegt das Dorf Matzdorf, bei welchem sich ein altes Schloß befindet. In diesem letztern hat vor Zeiten ein Grafengeschlecht gewohnt, welches sich einem wilden, Gott mißfälligen Leben ergeben hatte. Besonders grausam waren diese Grafen gegen ihre Unterthanen. Sie verfolgten und mißhandelten sie oft wegen der geringsten Kleinigkeiten; und man zeigt noch jetzt in dem alten Schlosse ein großes, wüstes Gemach, in welchem sie über die armen Bauern, die etwas verbrochen hatten, unbarmherzig den Stab brechen und sie zum Tode verurtheilen ließen. Die Leute nennen dieses Gemach die alte Gerichtsstube. Zur Strafe für solche Grausamkeiten muß nun der Letzte aus dem Grafengeschlechte noch immer in dem alten Schlosse umgehen. Man kann ihn in jeder Mitternacht sehen. Er hat einen großen dicken Eisenstab in der Hand; mit diesem schleicht er langsam um das ganze Schloß herum, und zuletzt geht er in die alte Gerichtsstube hinein. Dort fängt er ein schreckliches Gepolter an, und sucht den Eisenstab zu brechen, was ihm aber nimmer gelingen will. Damit muß er sich quälen bis die Glocke Eins schlägt. Dann verschwindet er mit großem Getöse und Gekrach. Einige sagen, daß ein großer schwarzer Hund ihn begleite, dem eine glühende Zunge aus dem Maule hänge, und der wahrscheinlich der Teufel sey. Wen der alte Graf sieht, den erwürgt er, und verschwindet dann mit schrecklichem Gelächter in die Gerichtsstube. Es wagt sich deshalb des Nachts kein Mensch in die Nähe des Schlosses.

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[191/0223] 151. Das Schloß zu Matzdorf. Ungefähr dreiviertel Meilen von Massow in Hinterpommern liegt das Dorf Matzdorf, bei welchem sich ein altes Schloß befindet. In diesem letztern hat vor Zeiten ein Grafengeschlecht gewohnt, welches sich einem wilden, Gott mißfälligen Leben ergeben hatte. Besonders grausam waren diese Grafen gegen ihre Unterthanen. Sie verfolgten und mißhandelten sie oft wegen der geringsten Kleinigkeiten; und man zeigt noch jetzt in dem alten Schlosse ein großes, wüstes Gemach, in welchem sie über die armen Bauern, die etwas verbrochen hatten, unbarmherzig den Stab brechen und sie zum Tode verurtheilen ließen. Die Leute nennen dieses Gemach die alte Gerichtsstube. Zur Strafe für solche Grausamkeiten muß nun der Letzte aus dem Grafengeschlechte noch immer in dem alten Schlosse umgehen. Man kann ihn in jeder Mitternacht sehen. Er hat einen großen dicken Eisenstab in der Hand; mit diesem schleicht er langsam um das ganze Schloß herum, und zuletzt geht er in die alte Gerichtsstube hinein. Dort fängt er ein schreckliches Gepolter an, und sucht den Eisenstab zu brechen, was ihm aber nimmer gelingen will. Damit muß er sich quälen bis die Glocke Eins schlägt. Dann verschwindet er mit großem Getöse und Gekrach. Einige sagen, daß ein großer schwarzer Hund ihn begleite, dem eine glühende Zunge aus dem Maule hänge, und der wahrscheinlich der Teufel sey. Wen der alte Graf sieht, den erwürgt er, und verschwindet dann mit schrecklichem Gelächter in die Gerichtsstube. Es wagt sich deshalb des Nachts kein Mensch in die Nähe des Schlosses. Mündlich.

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/223>, abgerufen am 29.11.2024.