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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu einer kleinen grünen Insel, welche Piet mit seiner Mutter einsam mitten im Goudasee bewohnte. Bald traten die grünen Schilfränder zurück, und Bertold erblickte vor sich die malerische Hütte, mit ihrem moosüberwachsenen Rohrdache unter den schützenden Aesten eines hohen Birnbaumes, auf einem grünen Rasenteppich mitten aus dem stahlblauen Wasserspiegel sich erheben. Auf dem Giebel der Hütte stand ein Storch, einsam im platten Neste, wie sinnend über seine baldige Abreise in wärmere Himmelsstriche. Ein kleines Gemüsegärtchen mit einigen Obstbäumen und Blumen schloß sich hinten an das Häuschen; der übrige kleine Inselraum bestand aus üppigem Rasen, auf dessen saftigem Grün eine schöne, braun und weiß gefleckte Kuh mit großem, tief hängendem Euter weidete. Auf der niedrigen Giebelbank vor der Hütte saß die greise Mutter Lora, im warmen Sonnenscheine fleißig spinnend. Dieses kleine Eiland in golden stiller Herbstbeleuchtung, ohne allen weitern Schmuck, als sein schönes Grün mit glänzendem Wassergrunde, machte ein Bild, so stilltraulich, wie es ein der Ruhe und Einsamkeit bedürfendes Herz nur immer sehnsüchtig verlangen mag.

Diese kleine Rasenscholle konnte unmöglich einen Menschen ernähren; aber ihr eigentlicher Werth bestand in den darauf ruhenden Privilegien der freien Jagd und des Fischfangs auf dem ganzen Goudasee, so weit dessen Wasser die Ufer bespülte.

Bertold landete vor der Hütte; aus dem Boote

zu einer kleinen grünen Insel, welche Piet mit seiner Mutter einsam mitten im Goudasee bewohnte. Bald traten die grünen Schilfränder zurück, und Bertold erblickte vor sich die malerische Hütte, mit ihrem moosüberwachsenen Rohrdache unter den schützenden Aesten eines hohen Birnbaumes, auf einem grünen Rasenteppich mitten aus dem stahlblauen Wasserspiegel sich erheben. Auf dem Giebel der Hütte stand ein Storch, einsam im platten Neste, wie sinnend über seine baldige Abreise in wärmere Himmelsstriche. Ein kleines Gemüsegärtchen mit einigen Obstbäumen und Blumen schloß sich hinten an das Häuschen; der übrige kleine Inselraum bestand aus üppigem Rasen, auf dessen saftigem Grün eine schöne, braun und weiß gefleckte Kuh mit großem, tief hängendem Euter weidete. Auf der niedrigen Giebelbank vor der Hütte saß die greise Mutter Lora, im warmen Sonnenscheine fleißig spinnend. Dieses kleine Eiland in golden stiller Herbstbeleuchtung, ohne allen weitern Schmuck, als sein schönes Grün mit glänzendem Wassergrunde, machte ein Bild, so stilltraulich, wie es ein der Ruhe und Einsamkeit bedürfendes Herz nur immer sehnsüchtig verlangen mag.

Diese kleine Rasenscholle konnte unmöglich einen Menschen ernähren; aber ihr eigentlicher Werth bestand in den darauf ruhenden Privilegien der freien Jagd und des Fischfangs auf dem ganzen Goudasee, so weit dessen Wasser die Ufer bespülte.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/13>, abgerufen am 29.04.2024.