le, aus diesen gegebenen einfachen Empfindungsvorstel- lungen, als den Bestandtheilen, eine verwirrte Vorstel- lung von der grünen Farbe zu machen.
Warum verlangten denn die Antimonadisten, die sinnliche Vorstellung von einem Körper solle sich im Kopf in die Vorstellung von ihren ersten Elementen zer- gliedern lassen? und warum bestritt man Leibnitzens Lehre von den unausgedehnten Wesen aus dem Grunde, weil es unmöglich ist, aus der Verbindung oder Auf- häufung der Vorstellungen, von ihnen eine Vorstellung von einem ausgedehnten Körper herauszubringen? Durch eine ähnliche Logik müßte man Newtons Optik bestreiten. Es läßt sich diese Vermischung eben so we- nig bewerkstelligen, als man im Gegentheil die ver- wirrte Vorstellung vom Körper in die Vorstellungen der einfachen unkörperlichen Dinge auflösen kann. Das Verundeutlichen einer deutlichen Vorstellung ist die umgekehrte Operation von dem Verdeutlichen einer verwirrten. Eine sinnliche Vorstellung, bey welcher die Eine dieser Arbeiten bey unsern Bildern uns nicht möglich ist, bey der ist es vergebens, die andere zu ver- suchen. Die Philosophen haben eine Wahrheit gesagt, wenn sie behauptet, es sey unmöglich, ausder metaphy- sischen Monadologie die Phänomene in der Körperwelt zu erklären. Eine von den Ursachen davon lieget in der angeführten Regel der Fiktion. Zwischen dem Sinn- lichen und dem Transcendenten, zwischen Metaphy- sik und Physik, und eben so zwischen Metaphysik und Psychologie ist eine Kluft, über welche gar nicht wegzu- kommen ist. Eine andere Ursache hievon wird sich aus andern Betrachtungen in der Folge ergeben.
6.
Unter den Wirkungen, die aus diesen beiden Aeuße- rungen der Dichtkraft in den Vorstellungen entstehen,
finden
I. Verſuch. Ueber die Natur
le, aus dieſen gegebenen einfachen Empfindungsvorſtel- lungen, als den Beſtandtheilen, eine verwirrte Vorſtel- lung von der gruͤnen Farbe zu machen.
Warum verlangten denn die Antimonadiſten, die ſinnliche Vorſtellung von einem Koͤrper ſolle ſich im Kopf in die Vorſtellung von ihren erſten Elementen zer- gliedern laſſen? und warum beſtritt man Leibnitzens Lehre von den unausgedehnten Weſen aus dem Grunde, weil es unmoͤglich iſt, aus der Verbindung oder Auf- haͤufung der Vorſtellungen, von ihnen eine Vorſtellung von einem ausgedehnten Koͤrper herauszubringen? Durch eine aͤhnliche Logik muͤßte man Newtons Optik beſtreiten. Es laͤßt ſich dieſe Vermiſchung eben ſo we- nig bewerkſtelligen, als man im Gegentheil die ver- wirrte Vorſtellung vom Koͤrper in die Vorſtellungen der einfachen unkoͤrperlichen Dinge aufloͤſen kann. Das Verundeutlichen einer deutlichen Vorſtellung iſt die umgekehrte Operation von dem Verdeutlichen einer verwirrten. Eine ſinnliche Vorſtellung, bey welcher die Eine dieſer Arbeiten bey unſern Bildern uns nicht moͤglich iſt, bey der iſt es vergebens, die andere zu ver- ſuchen. Die Philoſophen haben eine Wahrheit geſagt, wenn ſie behauptet, es ſey unmoͤglich, ausder metaphy- ſiſchen Monadologie die Phaͤnomene in der Koͤrperwelt zu erklaͤren. Eine von den Urſachen davon lieget in der angefuͤhrten Regel der Fiktion. Zwiſchen dem Sinn- lichen und dem Tranſcendenten, zwiſchen Metaphy- ſik und Phyſik, und eben ſo zwiſchen Metaphyſik und Pſychologie iſt eine Kluft, uͤber welche gar nicht wegzu- kommen iſt. Eine andere Urſache hievon wird ſich aus andern Betrachtungen in der Folge ergeben.
6.
Unter den Wirkungen, die aus dieſen beiden Aeuße- rungen der Dichtkraft in den Vorſtellungen entſtehen,
finden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0188"n="128"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Verſuch. Ueber die Natur</hi></fw><lb/>
le, aus dieſen gegebenen einfachen Empfindungsvorſtel-<lb/>
lungen, als den Beſtandtheilen, eine verwirrte Vorſtel-<lb/>
lung von der gruͤnen Farbe zu machen.</p><lb/><p>Warum verlangten denn die Antimonadiſten, die<lb/><hirendition="#fr">ſinnliche</hi> Vorſtellung von einem Koͤrper ſolle ſich im<lb/>
Kopf in die Vorſtellung von ihren erſten Elementen zer-<lb/>
gliedern laſſen? und warum beſtritt man <hirendition="#fr">Leibnitzens</hi><lb/>
Lehre von den unausgedehnten Weſen aus dem Grunde,<lb/>
weil es unmoͤglich iſt, aus der Verbindung oder Auf-<lb/>
haͤufung der Vorſtellungen, von ihnen eine Vorſtellung<lb/>
von einem ausgedehnten Koͤrper herauszubringen?<lb/>
Durch eine aͤhnliche Logik muͤßte man <hirendition="#fr">Newtons</hi> Optik<lb/>
beſtreiten. Es laͤßt ſich dieſe Vermiſchung eben ſo we-<lb/>
nig bewerkſtelligen, als man im Gegentheil die <hirendition="#fr">ver-<lb/>
wirrte</hi> Vorſtellung vom Koͤrper in die Vorſtellungen<lb/>
der einfachen unkoͤrperlichen Dinge aufloͤſen kann. Das<lb/><hirendition="#fr">Verundeutlichen</hi> einer deutlichen Vorſtellung iſt die<lb/>
umgekehrte Operation von dem <hirendition="#fr">Verdeutlichen</hi> einer<lb/>
verwirrten. Eine ſinnliche Vorſtellung, bey welcher<lb/>
die Eine dieſer Arbeiten bey unſern Bildern uns nicht<lb/>
moͤglich iſt, bey der iſt es vergebens, die andere zu ver-<lb/>ſuchen. Die Philoſophen haben eine Wahrheit geſagt,<lb/>
wenn ſie behauptet, es ſey unmoͤglich, ausder metaphy-<lb/>ſiſchen Monadologie die Phaͤnomene in der Koͤrperwelt zu<lb/>
erklaͤren. Eine von den Urſachen davon lieget in der<lb/>
angefuͤhrten Regel der Fiktion. Zwiſchen dem <hirendition="#fr">Sinn-<lb/>
lichen</hi> und dem <hirendition="#fr">Tranſcendenten,</hi> zwiſchen Metaphy-<lb/>ſik und Phyſik, und eben ſo zwiſchen Metaphyſik und<lb/>
Pſychologie iſt eine Kluft, uͤber welche gar nicht wegzu-<lb/>
kommen iſt. Eine andere Urſache hievon wird ſich aus<lb/>
andern Betrachtungen in der Folge ergeben.</p></div><lb/><divn="3"><head>6.</head><lb/><p>Unter den Wirkungen, die aus dieſen beiden Aeuße-<lb/>
rungen der Dichtkraft in den Vorſtellungen entſtehen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">finden</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[128/0188]
I. Verſuch. Ueber die Natur
le, aus dieſen gegebenen einfachen Empfindungsvorſtel-
lungen, als den Beſtandtheilen, eine verwirrte Vorſtel-
lung von der gruͤnen Farbe zu machen.
Warum verlangten denn die Antimonadiſten, die
ſinnliche Vorſtellung von einem Koͤrper ſolle ſich im
Kopf in die Vorſtellung von ihren erſten Elementen zer-
gliedern laſſen? und warum beſtritt man Leibnitzens
Lehre von den unausgedehnten Weſen aus dem Grunde,
weil es unmoͤglich iſt, aus der Verbindung oder Auf-
haͤufung der Vorſtellungen, von ihnen eine Vorſtellung
von einem ausgedehnten Koͤrper herauszubringen?
Durch eine aͤhnliche Logik muͤßte man Newtons Optik
beſtreiten. Es laͤßt ſich dieſe Vermiſchung eben ſo we-
nig bewerkſtelligen, als man im Gegentheil die ver-
wirrte Vorſtellung vom Koͤrper in die Vorſtellungen
der einfachen unkoͤrperlichen Dinge aufloͤſen kann. Das
Verundeutlichen einer deutlichen Vorſtellung iſt die
umgekehrte Operation von dem Verdeutlichen einer
verwirrten. Eine ſinnliche Vorſtellung, bey welcher
die Eine dieſer Arbeiten bey unſern Bildern uns nicht
moͤglich iſt, bey der iſt es vergebens, die andere zu ver-
ſuchen. Die Philoſophen haben eine Wahrheit geſagt,
wenn ſie behauptet, es ſey unmoͤglich, ausder metaphy-
ſiſchen Monadologie die Phaͤnomene in der Koͤrperwelt zu
erklaͤren. Eine von den Urſachen davon lieget in der
angefuͤhrten Regel der Fiktion. Zwiſchen dem Sinn-
lichen und dem Tranſcendenten, zwiſchen Metaphy-
ſik und Phyſik, und eben ſo zwiſchen Metaphyſik und
Pſychologie iſt eine Kluft, uͤber welche gar nicht wegzu-
kommen iſt. Eine andere Urſache hievon wird ſich aus
andern Betrachtungen in der Folge ergeben.
6.
Unter den Wirkungen, die aus dieſen beiden Aeuße-
rungen der Dichtkraft in den Vorſtellungen entſtehen,
finden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/188>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.