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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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Vorrede.
gleichartig und von einerley Natur, in Hin-
sicht der Größen aber verschieden seyn werde,
wenn nämlich sonsten Gründe zu einem analo-
gischen Schluß vorhanden sind. So ist es,
um nur in der Psychologie zu bleiben, wahr-
scheinlicher, was aber doch auch näher bewie-
sen werden kann, daß bey allen Arten von
Vorstellungen eben dieselbige Kraftanwendun-
gen der Seele vorgehen, und daß sie alle nach
einem allgemeinen Gesetz gemacht werden, als
daß hierinn die Eine Gattung wesentlich von
der andern unterschieden sey; so wie es auch
dagegen gewiß ist, daß die Länge, Größe und
Stärke der einzelnen Seelenveränderungen
bey ihnen verschieden sind. Schließen wir von
Menschenseelen auf Thierseelen, so ist es solan-
ge wahrscheinlich, daß ihr Unterschied nur ein
Stufenunterschied sey, bis ihre Aeußerungen
uns auf eine weiter gehende Wesensungleich-
artigkeit hinweisen. Solche Auflösungen der
Seelenkräfte, wobey das Charakteristische jed-
weder Klasse, die äußere Verschiedenheit aus
den Gegenständen bey Seite gesetzt, auf ein
Mehr und Weniger reduciret wird, haben eine
stärkere Vermuthung für sich, als andere.

Da es aber schwer ist, und bey den fortge-
setzten Auflösungen so gar unmöglich wird, die
Quantitäten, und was daraus folget, von
dem, was eine Qualität ist, genau abzuson-
dern, so ist es begreiflich, daß eine solche Ma-
xime, wie die hier gegebene ist, nicht erlaube,
ihr blindlings zu folgen, noch uns der Mühe

über-

Vorrede.
gleichartig und von einerley Natur, in Hin-
ſicht der Groͤßen aber verſchieden ſeyn werde,
wenn naͤmlich ſonſten Gruͤnde zu einem analo-
giſchen Schluß vorhanden ſind. So iſt es,
um nur in der Pſychologie zu bleiben, wahr-
ſcheinlicher, was aber doch auch naͤher bewie-
ſen werden kann, daß bey allen Arten von
Vorſtellungen eben dieſelbige Kraftanwendun-
gen der Seele vorgehen, und daß ſie alle nach
einem allgemeinen Geſetz gemacht werden, als
daß hierinn die Eine Gattung weſentlich von
der andern unterſchieden ſey; ſo wie es auch
dagegen gewiß iſt, daß die Laͤnge, Groͤße und
Staͤrke der einzelnen Seelenveraͤnderungen
bey ihnen verſchieden ſind. Schließen wir von
Menſchenſeelen auf Thierſeelen, ſo iſt es ſolan-
ge wahrſcheinlich, daß ihr Unterſchied nur ein
Stufenunterſchied ſey, bis ihre Aeußerungen
uns auf eine weiter gehende Weſensungleich-
artigkeit hinweiſen. Solche Aufloͤſungen der
Seelenkraͤfte, wobey das Charakteriſtiſche jed-
weder Klaſſe, die aͤußere Verſchiedenheit aus
den Gegenſtaͤnden bey Seite geſetzt, auf ein
Mehr und Weniger reduciret wird, haben eine
ſtaͤrkere Vermuthung fuͤr ſich, als andere.

Da es aber ſchwer iſt, und bey den fortge-
ſetzten Aufloͤſungen ſo gar unmoͤglich wird, die
Quantitaͤten, und was daraus folget, von
dem, was eine Qualitaͤt iſt, genau abzuſon-
dern, ſo iſt es begreiflich, daß eine ſolche Ma-
xime, wie die hier gegebene iſt, nicht erlaube,
ihr blindlings zu folgen, noch uns der Muͤhe

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[XXVI/0030] Vorrede. gleichartig und von einerley Natur, in Hin- ſicht der Groͤßen aber verſchieden ſeyn werde, wenn naͤmlich ſonſten Gruͤnde zu einem analo- giſchen Schluß vorhanden ſind. So iſt es, um nur in der Pſychologie zu bleiben, wahr- ſcheinlicher, was aber doch auch naͤher bewie- ſen werden kann, daß bey allen Arten von Vorſtellungen eben dieſelbige Kraftanwendun- gen der Seele vorgehen, und daß ſie alle nach einem allgemeinen Geſetz gemacht werden, als daß hierinn die Eine Gattung weſentlich von der andern unterſchieden ſey; ſo wie es auch dagegen gewiß iſt, daß die Laͤnge, Groͤße und Staͤrke der einzelnen Seelenveraͤnderungen bey ihnen verſchieden ſind. Schließen wir von Menſchenſeelen auf Thierſeelen, ſo iſt es ſolan- ge wahrſcheinlich, daß ihr Unterſchied nur ein Stufenunterſchied ſey, bis ihre Aeußerungen uns auf eine weiter gehende Weſensungleich- artigkeit hinweiſen. Solche Aufloͤſungen der Seelenkraͤfte, wobey das Charakteriſtiſche jed- weder Klaſſe, die aͤußere Verſchiedenheit aus den Gegenſtaͤnden bey Seite geſetzt, auf ein Mehr und Weniger reduciret wird, haben eine ſtaͤrkere Vermuthung fuͤr ſich, als andere. Da es aber ſchwer iſt, und bey den fortge- ſetzten Aufloͤſungen ſo gar unmoͤglich wird, die Quantitaͤten, und was daraus folget, von dem, was eine Qualitaͤt iſt, genau abzuſon- dern, ſo iſt es begreiflich, daß eine ſolche Ma- xime, wie die hier gegebene iſt, nicht erlaube, ihr blindlings zu folgen, noch uns der Muͤhe uͤber-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/30>, abgerufen am 22.12.2024.