ständen in gleichen Graden sich zugleich verbreitet, und mehrere zugleich auf einmal helle macht? Jst es also nicht zu erwarten, daß, ehe noch die völlige Unterschei- dung eines einzelnen Gefühls zu Stande gekommen ist, und ehe dieß unterschiedene Gefühl auf das übrige Ganze hat bezogen werden, und also ehe der Gedanke hat ent- stehen können, daß dieß eine Beschaffenheit des Ganzen sey, daß, sage ich, nicht auch schon mehrere abgeson- derte Ganze von Empfindungen vorhanden gewesen sind, auf welche die nemliche einzeln gewahrgenommene Em- pfindung als eine Beschaffenheit auf ihr Subjekt bezogen werden konnte, und war es denn nothwendig, daß sie dem Ganzen, was unser Jch ausmacht, und nicht ei- nem andern Ganzen beygeleget wurde?
Ferner, würde der Gedanke, der aus der Bezie- hung der ersten klaren Empfindung auf das Ganze der übrigen hätte entstehen können, höchstens nichts mehr gewesen seyn, als der Gedanke, daß jene in diesem vorhanden sey. Es fehlte noch viel daran, daß dieß nicht der Begrif von einem wirklichen Objekt, und von unserm Jch sey. Da so viele vorhergehende Verhält- nißgedanken und daraus entsprungene allgemeine Be- griffe zu dem Urtheil: es ist etwas in mir, in meinem Jch, erfodert werden, wie Hr. von Buffon selbst nicht in Abrede ist, so ist es für sich klar, daß dieser Gedanke nicht hat ausgebildet werden können, ehe nicht schon Vertheilungen und Absonderungen der Empfindungen vorher gegangen sind, die nebst der Jdee von unserm Jch, durch die Grundzüge vom Gefühl und Bewußt- seyn charakterisirt, zugleich auch Jdeen von andern wirk- lichen Objekten, die nicht unser Jch sind, hergeben mußten. Jener Jdee von unserm Jch mag man allen- falls den Vorgang geben, und sie als die erste ansehen, welche als eine Jdee von einem Dinge besonders erkannt worden sey; aber wenn die Reflexion schon so weit ge-
kommen
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
ſtaͤnden in gleichen Graden ſich zugleich verbreitet, und mehrere zugleich auf einmal helle macht? Jſt es alſo nicht zu erwarten, daß, ehe noch die voͤllige Unterſchei- dung eines einzelnen Gefuͤhls zu Stande gekommen iſt, und ehe dieß unterſchiedene Gefuͤhl auf das uͤbrige Ganze hat bezogen werden, und alſo ehe der Gedanke hat ent- ſtehen koͤnnen, daß dieß eine Beſchaffenheit des Ganzen ſey, daß, ſage ich, nicht auch ſchon mehrere abgeſon- derte Ganze von Empfindungen vorhanden geweſen ſind, auf welche die nemliche einzeln gewahrgenommene Em- pfindung als eine Beſchaffenheit auf ihr Subjekt bezogen werden konnte, und war es denn nothwendig, daß ſie dem Ganzen, was unſer Jch ausmacht, und nicht ei- nem andern Ganzen beygeleget wurde?
Ferner, wuͤrde der Gedanke, der aus der Bezie- hung der erſten klaren Empfindung auf das Ganze der uͤbrigen haͤtte entſtehen koͤnnen, hoͤchſtens nichts mehr geweſen ſeyn, als der Gedanke, daß jene in dieſem vorhanden ſey. Es fehlte noch viel daran, daß dieß nicht der Begrif von einem wirklichen Objekt, und von unſerm Jch ſey. Da ſo viele vorhergehende Verhaͤlt- nißgedanken und daraus entſprungene allgemeine Be- griffe zu dem Urtheil: es iſt etwas in mir, in meinem Jch, erfodert werden, wie Hr. von Buffon ſelbſt nicht in Abrede iſt, ſo iſt es fuͤr ſich klar, daß dieſer Gedanke nicht hat ausgebildet werden koͤnnen, ehe nicht ſchon Vertheilungen und Abſonderungen der Empfindungen vorher gegangen ſind, die nebſt der Jdee von unſerm Jch, durch die Grundzuͤge vom Gefuͤhl und Bewußt- ſeyn charakteriſirt, zugleich auch Jdeen von andern wirk- lichen Objekten, die nicht unſer Jch ſind, hergeben mußten. Jener Jdee von unſerm Jch mag man allen- falls den Vorgang geben, und ſie als die erſte anſehen, welche als eine Jdee von einem Dinge beſonders erkannt worden ſey; aber wenn die Reflexion ſchon ſo weit ge-
kommen
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
ſtaͤnden in gleichen Graden ſich zugleich verbreitet, und
mehrere zugleich auf einmal helle macht? Jſt es alſo
nicht zu erwarten, daß, ehe noch die voͤllige Unterſchei-
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und ehe dieß unterſchiedene Gefuͤhl auf das uͤbrige Ganze
hat bezogen werden, und alſo ehe der Gedanke hat ent-
ſtehen koͤnnen, daß dieß eine Beſchaffenheit des Ganzen
ſey, daß, ſage ich, nicht auch ſchon mehrere abgeſon-
derte Ganze von Empfindungen vorhanden geweſen ſind,
auf welche die nemliche einzeln gewahrgenommene Em-
pfindung als eine Beſchaffenheit auf ihr Subjekt bezogen
werden konnte, und war es denn nothwendig, daß ſie
dem Ganzen, was unſer Jch ausmacht, und nicht ei-
nem andern Ganzen beygeleget wurde?
Ferner, wuͤrde der Gedanke, der aus der Bezie-
hung der erſten klaren Empfindung auf das Ganze der
uͤbrigen haͤtte entſtehen koͤnnen, hoͤchſtens nichts mehr
geweſen ſeyn, als der Gedanke, daß jene in dieſem
vorhanden ſey. Es fehlte noch viel daran, daß dieß
nicht der Begrif von einem wirklichen Objekt, und von
unſerm Jch ſey. Da ſo viele vorhergehende Verhaͤlt-
nißgedanken und daraus entſprungene allgemeine Be-
griffe zu dem Urtheil: es iſt etwas in mir, in meinem
Jch, erfodert werden, wie Hr. von Buffon ſelbſt nicht
in Abrede iſt, ſo iſt es fuͤr ſich klar, daß dieſer Gedanke
nicht hat ausgebildet werden koͤnnen, ehe nicht ſchon
Vertheilungen und Abſonderungen der Empfindungen
vorher gegangen ſind, die nebſt der Jdee von unſerm
Jch, durch die Grundzuͤge vom Gefuͤhl und Bewußt-
ſeyn charakteriſirt, zugleich auch Jdeen von andern wirk-
lichen Objekten, die nicht unſer Jch ſind, hergeben
mußten. Jener Jdee von unſerm Jch mag man allen-
falls den Vorgang geben, und ſie als die erſte anſehen,
welche als eine Jdee von einem Dinge beſonders erkannt
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/473>, abgerufen am 22.12.2024.
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