Geruchs verbunden. Es entstehen Bewegungen in dem Organ, deren Empfindung das Merkmal ist, daß es dieß Organ sey, welches verändert wird. Jene Em- pfindung des Ganzen kann dunkel und matt seyn, aber doch nicht auf den Grad, daß nicht das Ganze mit eini- ger Klarheit unterschieden würde. Jn diesem Ganzen raget der Eindruck z. B. von der Nelke merklich hervor; aber doch nur als ein Theil einer ganzen Empfindung. Wenn ich die Nelke auf einer Stelle im Garten stehen sehe, so ist die sinnliche Vorstellung von diesem Theil des Bodens auch dunkler, als die Empfindung von der Nel- ke; aber sie ist doch bis dahin klar, daß ich nicht allein die Nelke sehe, sondern sie auch auf dem Fleck sehe, wo sie stehet.
Wir riechen in der Nase und schmecken auf der Zunge. Dieses Urtheil ist unterschieden von dem folgenden. "Das Ding, was diesen Geruch und diesen Geschmack hat, ist außer uns." Das letztere Urtheil ist eine Folgerung, die wir durch ein Raisonnement gemacht haben. Es entstand nemlich eine Veränderung; welche ihre Ursache in dem Organ nicht hatte, noch sonsten in uns selbst, und sie also in einem andern Dinge, das nicht wir selbst, noch unser Organ ist, das ist, in einem äußern Dinge haben mußte. Eine solche Folgerung mußte desto leich- ter entstehen, und desto gewöhnlicher seyn, je leichter es uns ward, den vorhergehenden Zustand unsers Selbst und des Organs zu übersehen, und die Ursache der Ver- änderung darinn zu vermissen. Dieß scheinet der Grund zu seyn, warum wir noch mehr den Geruch als den Ge- schmack den Objekten zuschreiben. Haben nicht die Er- fahrungen öfterer noch es bey den Empfindungen der Zunge als bey denen durch die Nase gelehret, daß die Ursache, warum der Eindruck so ist, wie er ist, zum Theil in der Beschaffenheit des Organs seyn könne? Ein solches Urtheil über die äußere Ursache der Empfindung
kann
V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
Geruchs verbunden. Es entſtehen Bewegungen in dem Organ, deren Empfindung das Merkmal iſt, daß es dieß Organ ſey, welches veraͤndert wird. Jene Em- pfindung des Ganzen kann dunkel und matt ſeyn, aber doch nicht auf den Grad, daß nicht das Ganze mit eini- ger Klarheit unterſchieden wuͤrde. Jn dieſem Ganzen raget der Eindruck z. B. von der Nelke merklich hervor; aber doch nur als ein Theil einer ganzen Empfindung. Wenn ich die Nelke auf einer Stelle im Garten ſtehen ſehe, ſo iſt die ſinnliche Vorſtellung von dieſem Theil des Bodens auch dunkler, als die Empfindung von der Nel- ke; aber ſie iſt doch bis dahin klar, daß ich nicht allein die Nelke ſehe, ſondern ſie auch auf dem Fleck ſehe, wo ſie ſtehet.
Wir riechen in der Naſe und ſchmecken auf der Zunge. Dieſes Urtheil iſt unterſchieden von dem folgenden. „Das Ding, was dieſen Geruch und dieſen Geſchmack hat, iſt außer uns.“ Das letztere Urtheil iſt eine Folgerung, die wir durch ein Raiſonnement gemacht haben. Es entſtand nemlich eine Veraͤnderung; welche ihre Urſache in dem Organ nicht hatte, noch ſonſten in uns ſelbſt, und ſie alſo in einem andern Dinge, das nicht wir ſelbſt, noch unſer Organ iſt, das iſt, in einem aͤußern Dinge haben mußte. Eine ſolche Folgerung mußte deſto leich- ter entſtehen, und deſto gewoͤhnlicher ſeyn, je leichter es uns ward, den vorhergehenden Zuſtand unſers Selbſt und des Organs zu uͤberſehen, und die Urſache der Ver- aͤnderung darinn zu vermiſſen. Dieß ſcheinet der Grund zu ſeyn, warum wir noch mehr den Geruch als den Ge- ſchmack den Objekten zuſchreiben. Haben nicht die Er- fahrungen oͤfterer noch es bey den Empfindungen der Zunge als bey denen durch die Naſe gelehret, daß die Urſache, warum der Eindruck ſo iſt, wie er iſt, zum Theil in der Beſchaffenheit des Organs ſeyn koͤnne? Ein ſolches Urtheil uͤber die aͤußere Urſache der Empfindung
kann
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V. Verſuch. Ueber den Urſpr. unſerer
Geruchs verbunden. Es entſtehen Bewegungen in dem
Organ, deren Empfindung das Merkmal iſt, daß es
dieß Organ ſey, welches veraͤndert wird. Jene Em-
pfindung des Ganzen kann dunkel und matt ſeyn, aber
doch nicht auf den Grad, daß nicht das Ganze mit eini-
ger Klarheit unterſchieden wuͤrde. Jn dieſem Ganzen
raget der Eindruck z. B. von der Nelke merklich hervor;
aber doch nur als ein Theil einer ganzen Empfindung.
Wenn ich die Nelke auf einer Stelle im Garten ſtehen
ſehe, ſo iſt die ſinnliche Vorſtellung von dieſem Theil des
Bodens auch dunkler, als die Empfindung von der Nel-
ke; aber ſie iſt doch bis dahin klar, daß ich nicht allein
die Nelke ſehe, ſondern ſie auch auf dem Fleck ſehe, wo
ſie ſtehet.
Wir riechen in der Naſe und ſchmecken auf der Zunge.
Dieſes Urtheil iſt unterſchieden von dem folgenden. „Das
Ding, was dieſen Geruch und dieſen Geſchmack hat, iſt
außer uns.“ Das letztere Urtheil iſt eine Folgerung,
die wir durch ein Raiſonnement gemacht haben. Es
entſtand nemlich eine Veraͤnderung; welche ihre Urſache
in dem Organ nicht hatte, noch ſonſten in uns ſelbſt,
und ſie alſo in einem andern Dinge, das nicht wir ſelbſt,
noch unſer Organ iſt, das iſt, in einem aͤußern Dinge
haben mußte. Eine ſolche Folgerung mußte deſto leich-
ter entſtehen, und deſto gewoͤhnlicher ſeyn, je leichter es
uns ward, den vorhergehenden Zuſtand unſers Selbſt
und des Organs zu uͤberſehen, und die Urſache der Ver-
aͤnderung darinn zu vermiſſen. Dieß ſcheinet der Grund
zu ſeyn, warum wir noch mehr den Geruch als den Ge-
ſchmack den Objekten zuſchreiben. Haben nicht die Er-
fahrungen oͤfterer noch es bey den Empfindungen der
Zunge als bey denen durch die Naſe gelehret, daß die
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Theil in der Beſchaffenheit des Organs ſeyn koͤnne? Ein
ſolches Urtheil uͤber die aͤußere Urſache der Empfindung
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/478>, abgerufen am 22.12.2024.
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