höhetes, verlängertes oder mehr verfeinertes Empfin- den?
Auf die Beantwortungen dieser Fragen sind die Un- tersuchungen der systematischen Seelenlehrer hinausge- gangen. Alles entstehet aus Einer Grundkraft; diese wirket überall auf einerley Art und nach einerley Gesetzen. Dieß ist ein Grundsaz fast bey allen.
So wie die Seele für sich ein einfaches Wesen ist; so soll auch ihre wirkende Kraft einfach und einartig seyn, und auf eine und dieselbige Art wirken, wann sie wirket, und nur die Anstrengung und Stärke, mit welcher sie wir- ket, und die Richtung der Kraft nebst den Gegenstän- den, auf welche sie sich auslässet, sollen den Grund von allen Verschiedenheiten ausmachen, die wir bey ihren Aeußerungen und Thätigkeiten antreffen. Da mag sie denn in sich selbst wirken, oder außer sich, sie mag wirken im Denken, im Empfinden, im Vorstellen, oder auch außer sich auf den Körper im Bewegen; so können diese Wirkungen nur in solchen Hinsichten ver- schieden seyn, als ich vorher angeführet habe.
Einige haben diese Einartigkeit der Seelen-Aeus- serungen nur auf solche ausgedehnet, die man bey den künstlichen Abtheilungen zu einer besondern Klasse hin- brachte; und vor andern hat man diejenigen, welche zu dem Erkenntniß-Vermögen gerechnet worden sind, und unter den genannten dreyen, dem Empfinden, dem Vorstellen und Denken begriffen werden können, als gleichartig angesehn. Zu diesen Aktionen hat man eine Grundkraft angenommen, und diese den Verstand ge- nennet. Die Willens-Aeußerungen in der Seele sind zu einer andern Klasse gebracht, und dann auch alle zu- sammen auf eine ähnliche Weise in eine Grundkraft auf- gelöset worden. Hr. Sulzer nimmt zwo Grundkräfte in der Seele an, Verstand und Empfindsamkeit. Aber die meisten sind weiter gegangen, und ihrer Meinung
nach
A 2
der Vorſtellungen.
hoͤhetes, verlaͤngertes oder mehr verfeinertes Empfin- den?
Auf die Beantwortungen dieſer Fragen ſind die Un- terſuchungen der ſyſtematiſchen Seelenlehrer hinausge- gangen. Alles entſtehet aus Einer Grundkraft; dieſe wirket uͤberall auf einerley Art und nach einerley Geſetzen. Dieß iſt ein Grundſaz faſt bey allen.
So wie die Seele fuͤr ſich ein einfaches Weſen iſt; ſo ſoll auch ihre wirkende Kraft einfach und einartig ſeyn, und auf eine und dieſelbige Art wirken, wann ſie wirket, und nur die Anſtrengung und Staͤrke, mit welcher ſie wir- ket, und die Richtung der Kraft nebſt den Gegenſtaͤn- den, auf welche ſie ſich auslaͤſſet, ſollen den Grund von allen Verſchiedenheiten ausmachen, die wir bey ihren Aeußerungen und Thaͤtigkeiten antreffen. Da mag ſie denn in ſich ſelbſt wirken, oder außer ſich, ſie mag wirken im Denken, im Empfinden, im Vorſtellen, oder auch außer ſich auf den Koͤrper im Bewegen; ſo koͤnnen dieſe Wirkungen nur in ſolchen Hinſichten ver- ſchieden ſeyn, als ich vorher angefuͤhret habe.
Einige haben dieſe Einartigkeit der Seelen-Aeuſ- ſerungen nur auf ſolche ausgedehnet, die man bey den kuͤnſtlichen Abtheilungen zu einer beſondern Klaſſe hin- brachte; und vor andern hat man diejenigen, welche zu dem Erkenntniß-Vermoͤgen gerechnet worden ſind, und unter den genannten dreyen, dem Empfinden, dem Vorſtellen und Denken begriffen werden koͤnnen, als gleichartig angeſehn. Zu dieſen Aktionen hat man eine Grundkraft angenommen, und dieſe den Verſtand ge- nennet. Die Willens-Aeußerungen in der Seele ſind zu einer andern Klaſſe gebracht, und dann auch alle zu- ſammen auf eine aͤhnliche Weiſe in eine Grundkraft auf- geloͤſet worden. Hr. Sulzer nimmt zwo Grundkraͤfte in der Seele an, Verſtand und Empfindſamkeit. Aber die meiſten ſind weiter gegangen, und ihrer Meinung
nach
A 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0063"n="3"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Vorſtellungen.</hi></fw><lb/>
hoͤhetes, verlaͤngertes oder mehr verfeinertes <hirendition="#fr">Empfin-<lb/>
den?</hi></p><lb/><p>Auf die Beantwortungen dieſer Fragen ſind die Un-<lb/>
terſuchungen der ſyſtematiſchen Seelenlehrer hinausge-<lb/>
gangen. Alles entſtehet aus Einer Grundkraft; dieſe<lb/>
wirket uͤberall auf einerley Art und nach einerley Geſetzen.<lb/>
Dieß iſt ein Grundſaz faſt bey allen.</p><lb/><p>So wie die Seele fuͤr ſich ein einfaches Weſen iſt;<lb/>ſo ſoll auch ihre wirkende Kraft einfach und einartig ſeyn,<lb/>
und auf eine und dieſelbige Art wirken, wann ſie wirket,<lb/>
und nur die Anſtrengung und Staͤrke, mit welcher ſie wir-<lb/>
ket, und die Richtung der Kraft nebſt den Gegenſtaͤn-<lb/>
den, auf welche ſie ſich auslaͤſſet, ſollen den Grund von<lb/>
allen Verſchiedenheiten ausmachen, die wir bey ihren<lb/>
Aeußerungen und Thaͤtigkeiten antreffen. Da mag ſie<lb/>
denn in <hirendition="#fr">ſich</hi>ſelbſt wirken, oder <hirendition="#fr">außer ſich,</hi>ſie mag<lb/>
wirken im <hirendition="#fr">Denken,</hi> im <hirendition="#fr">Empfinden,</hi> im <hirendition="#fr">Vorſtellen,</hi><lb/>
oder auch außer ſich auf den Koͤrper im <hirendition="#fr">Bewegen;</hi>ſo<lb/>
koͤnnen dieſe Wirkungen nur in ſolchen Hinſichten ver-<lb/>ſchieden ſeyn, als ich vorher angefuͤhret habe.</p><lb/><p>Einige haben dieſe <hirendition="#fr">Einartigkeit</hi> der Seelen-Aeuſ-<lb/>ſerungen nur auf ſolche ausgedehnet, die man bey den<lb/>
kuͤnſtlichen Abtheilungen zu einer beſondern Klaſſe hin-<lb/>
brachte; und vor andern hat man diejenigen, welche zu<lb/>
dem Erkenntniß-Vermoͤgen gerechnet worden ſind, und<lb/>
unter den genannten dreyen, dem <hirendition="#fr">Empfinden,</hi> dem<lb/><hirendition="#fr">Vorſtellen</hi> und <hirendition="#fr">Denken</hi> begriffen werden koͤnnen, als<lb/>
gleichartig angeſehn. Zu dieſen Aktionen hat man <hirendition="#fr">eine</hi><lb/>
Grundkraft angenommen, und dieſe den <hirendition="#fr">Verſtand</hi> ge-<lb/>
nennet. Die Willens-Aeußerungen in der Seele ſind<lb/>
zu einer andern Klaſſe gebracht, und dann auch alle zu-<lb/>ſammen auf eine aͤhnliche Weiſe in <hirendition="#fr">eine</hi> Grundkraft auf-<lb/>
geloͤſet worden. Hr. <hirendition="#fr">Sulzer</hi> nimmt zwo Grundkraͤfte in<lb/>
der Seele an, <hirendition="#fr">Verſtand</hi> und <hirendition="#fr">Empfindſamkeit.</hi> Aber<lb/>
die meiſten ſind weiter gegangen, und ihrer Meinung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">nach</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[3/0063]
der Vorſtellungen.
hoͤhetes, verlaͤngertes oder mehr verfeinertes Empfin-
den?
Auf die Beantwortungen dieſer Fragen ſind die Un-
terſuchungen der ſyſtematiſchen Seelenlehrer hinausge-
gangen. Alles entſtehet aus Einer Grundkraft; dieſe
wirket uͤberall auf einerley Art und nach einerley Geſetzen.
Dieß iſt ein Grundſaz faſt bey allen.
So wie die Seele fuͤr ſich ein einfaches Weſen iſt;
ſo ſoll auch ihre wirkende Kraft einfach und einartig ſeyn,
und auf eine und dieſelbige Art wirken, wann ſie wirket,
und nur die Anſtrengung und Staͤrke, mit welcher ſie wir-
ket, und die Richtung der Kraft nebſt den Gegenſtaͤn-
den, auf welche ſie ſich auslaͤſſet, ſollen den Grund von
allen Verſchiedenheiten ausmachen, die wir bey ihren
Aeußerungen und Thaͤtigkeiten antreffen. Da mag ſie
denn in ſich ſelbſt wirken, oder außer ſich, ſie mag
wirken im Denken, im Empfinden, im Vorſtellen,
oder auch außer ſich auf den Koͤrper im Bewegen; ſo
koͤnnen dieſe Wirkungen nur in ſolchen Hinſichten ver-
ſchieden ſeyn, als ich vorher angefuͤhret habe.
Einige haben dieſe Einartigkeit der Seelen-Aeuſ-
ſerungen nur auf ſolche ausgedehnet, die man bey den
kuͤnſtlichen Abtheilungen zu einer beſondern Klaſſe hin-
brachte; und vor andern hat man diejenigen, welche zu
dem Erkenntniß-Vermoͤgen gerechnet worden ſind, und
unter den genannten dreyen, dem Empfinden, dem
Vorſtellen und Denken begriffen werden koͤnnen, als
gleichartig angeſehn. Zu dieſen Aktionen hat man eine
Grundkraft angenommen, und dieſe den Verſtand ge-
nennet. Die Willens-Aeußerungen in der Seele ſind
zu einer andern Klaſſe gebracht, und dann auch alle zu-
ſammen auf eine aͤhnliche Weiſe in eine Grundkraft auf-
geloͤſet worden. Hr. Sulzer nimmt zwo Grundkraͤfte in
der Seele an, Verſtand und Empfindſamkeit. Aber
die meiſten ſind weiter gegangen, und ihrer Meinung
nach
A 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/63>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.