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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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der menschlichen Seele etc.
eingetaucht, leuchten mit einem hellerm Lichte, das aber
auch oftmals blendet. Die sanftere Deutlichkeit ist
doch mehr dem forschenden Verstand angemessen, die oft
durch die zu starken Farben der Metaphern vorlohren ge-
het. Statt eines genau ausgemalten Bildes erhält man
zuweilen nur ein buntes Gekritsel. Jndessen hat Hr.
Herder mit der Besonnenheit wohl etwas mehr sagen
wollen. Das besonnene Geschöpf erkennet, will, und
wirkt abgetrennt und frey, nach seinen Ausdrücken, und
weis auch, daß es erkenne, wolle und wirke. Sein
Gedanke ist kein unmittelbares Werk der Natur, und
eben damit kann es sein eigen Werk werden. Das alles
aber, Freyheit und Selbstthätigkeit soll zwar nur eine
Folge von jener mindern Beschränkung auf Einiges seyn,
wenigstens führt mich die Verbindung der Wörter auf
diese Auslegung; Aber wie leicht verwechselt nicht die
lebhafte Vorstellungskraft eine nachfolgende Jdee, wel-
che in der That eine neue Jdee ist, die aus dem anhal-
tenden Anschauen der Sache entstehet, mit einer logi-
schen Folgerung, die nur auf einer vorhergehenden Vor-
stellung beruhet, und daraus hergeleitet wird? Lese ich
die Erklärung von der Besonnenheit in ihrem ganzen
Zusammenhang, so deucht mich, außer dem Hauptbe-
grif, schimmere noch ein gewisses Licht auf einigen Stel-
len hervor, so verwirrt, wie das Licht im Orion, das
aber doch etwas hinter sich hat. Jst diese meine Jdee
nicht selbst eine Blendung in der Phantasie, den der
Rückschein der starken Bilder veranlasset hat, so hat der
scharfe Blick dieses Mannes die innere Selbstrhätig-
keit
der menschlichen Seele, das wesentlichste Stück ih-
res Grundcharakters, gefasset, und diese mit dem Ver-
hältniß der Jntension zur Extension in die Jdee von der
Besonnenheit zusammen gebracht.

Dem sey nun, wie ihm wolle, so kann die bloße
Richtung der Kräfte, die aus dem Verhältniß des grös-

sern

der menſchlichen Seele ⁊c.
eingetaucht, leuchten mit einem hellerm Lichte, das aber
auch oftmals blendet. Die ſanftere Deutlichkeit iſt
doch mehr dem forſchenden Verſtand angemeſſen, die oft
durch die zu ſtarken Farben der Metaphern vorlohren ge-
het. Statt eines genau ausgemalten Bildes erhaͤlt man
zuweilen nur ein buntes Gekritſel. Jndeſſen hat Hr.
Herder mit der Beſonnenheit wohl etwas mehr ſagen
wollen. Das beſonnene Geſchoͤpf erkennet, will, und
wirkt abgetrennt und frey, nach ſeinen Ausdruͤcken, und
weis auch, daß es erkenne, wolle und wirke. Sein
Gedanke iſt kein unmittelbares Werk der Natur, und
eben damit kann es ſein eigen Werk werden. Das alles
aber, Freyheit und Selbſtthaͤtigkeit ſoll zwar nur eine
Folge von jener mindern Beſchraͤnkung auf Einiges ſeyn,
wenigſtens fuͤhrt mich die Verbindung der Woͤrter auf
dieſe Auslegung; Aber wie leicht verwechſelt nicht die
lebhafte Vorſtellungskraft eine nachfolgende Jdee, wel-
che in der That eine neue Jdee iſt, die aus dem anhal-
tenden Anſchauen der Sache entſtehet, mit einer logi-
ſchen Folgerung, die nur auf einer vorhergehenden Vor-
ſtellung beruhet, und daraus hergeleitet wird? Leſe ich
die Erklaͤrung von der Beſonnenheit in ihrem ganzen
Zuſammenhang, ſo deucht mich, außer dem Hauptbe-
grif, ſchimmere noch ein gewiſſes Licht auf einigen Stel-
len hervor, ſo verwirrt, wie das Licht im Orion, das
aber doch etwas hinter ſich hat. Jſt dieſe meine Jdee
nicht ſelbſt eine Blendung in der Phantaſie, den der
Ruͤckſchein der ſtarken Bilder veranlaſſet hat, ſo hat der
ſcharfe Blick dieſes Mannes die innere Selbſtrhaͤtig-
keit
der menſchlichen Seele, das weſentlichſte Stuͤck ih-
res Grundcharakters, gefaſſet, und dieſe mit dem Ver-
haͤltniß der Jntenſion zur Extenſion in die Jdee von der
Beſonnenheit zuſammen gebracht.

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Richtung der Kraͤfte, die aus dem Verhaͤltniß des groͤſ-

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[749/0809] der menſchlichen Seele ⁊c. eingetaucht, leuchten mit einem hellerm Lichte, das aber auch oftmals blendet. Die ſanftere Deutlichkeit iſt doch mehr dem forſchenden Verſtand angemeſſen, die oft durch die zu ſtarken Farben der Metaphern vorlohren ge- het. Statt eines genau ausgemalten Bildes erhaͤlt man zuweilen nur ein buntes Gekritſel. Jndeſſen hat Hr. Herder mit der Beſonnenheit wohl etwas mehr ſagen wollen. Das beſonnene Geſchoͤpf erkennet, will, und wirkt abgetrennt und frey, nach ſeinen Ausdruͤcken, und weis auch, daß es erkenne, wolle und wirke. Sein Gedanke iſt kein unmittelbares Werk der Natur, und eben damit kann es ſein eigen Werk werden. Das alles aber, Freyheit und Selbſtthaͤtigkeit ſoll zwar nur eine Folge von jener mindern Beſchraͤnkung auf Einiges ſeyn, wenigſtens fuͤhrt mich die Verbindung der Woͤrter auf dieſe Auslegung; Aber wie leicht verwechſelt nicht die lebhafte Vorſtellungskraft eine nachfolgende Jdee, wel- che in der That eine neue Jdee iſt, die aus dem anhal- tenden Anſchauen der Sache entſtehet, mit einer logi- ſchen Folgerung, die nur auf einer vorhergehenden Vor- ſtellung beruhet, und daraus hergeleitet wird? Leſe ich die Erklaͤrung von der Beſonnenheit in ihrem ganzen Zuſammenhang, ſo deucht mich, außer dem Hauptbe- grif, ſchimmere noch ein gewiſſes Licht auf einigen Stel- len hervor, ſo verwirrt, wie das Licht im Orion, das aber doch etwas hinter ſich hat. Jſt dieſe meine Jdee nicht ſelbſt eine Blendung in der Phantaſie, den der Ruͤckſchein der ſtarken Bilder veranlaſſet hat, ſo hat der ſcharfe Blick dieſes Mannes die innere Selbſtrhaͤtig- keit der menſchlichen Seele, das weſentlichſte Stuͤck ih- res Grundcharakters, gefaſſet, und dieſe mit dem Ver- haͤltniß der Jntenſion zur Extenſion in die Jdee von der Beſonnenheit zuſammen gebracht. Dem ſey nun, wie ihm wolle, ſo kann die bloße Richtung der Kraͤfte, die aus dem Verhaͤltniß des groͤſ- ſern

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/809>, abgerufen am 22.12.2024.